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Traditionell würden wir euch zwischen den Jahren an dieser Stelle unsere diesjährigen Film- und Serienhighlights präsentieren. Aus offensichtlichen Gründen würde ein Text über Filmhighlights im Jahr 2020 allerdings eher dürftig ausfallen. Darum haben wir in diesem Jahr entschieden, uns in Hinblick auf das Medium nicht einzuschränken. In diesem Artikel geht es um alles, was uns in 2020 begeistert hat, sei es ein Film, eine Serie, ein Buch, ein Comic oder ein Computerspiel.
Florian Rinke
Mein Kinohighlight dieses Jahr war Tenet. Vielleicht wäre der Film bei mehr Konkurrenz auf die unteren Ränge gerutscht – wer weiß? Christopher Nolan hat mit seinem Science-Fiction-Thriller aber definitiv bewiesen, wozu man Kinos in Zeiten von immer mehr Streaming-Diensten braucht. Die furiosen Actionszenen in Tenet sollte man auf jeden Fall auf einer großen Leinwand bestaunen. Neben den optischen Reizen bietet der Film auch eine intelligente und durchdachte Handlung – Tenet ist kein Film, den man einfach so nebenbei schauen kann. Getragen wird der Science-Fiction-Thriller auch von der guten Schauspielleistung von John David Washington und Robert Pattinson. Von dem Gespann würde ich gerne noch mehr sehen.
Sachbücher über Science-Fiction legen ihren Schwerpunkt meist auf die US-amerikanischen Autoren des Genres. Außer Kurd Laßwitz oder Hans Dominik tauchen selten deutsche Autoren in ihnen auf. Anders in Hans Freys unterhaltsam geschriebener Abhandlung Aufbruch in den Abgrund – Science Fiction zwischen Demokratie und Diktatur. Dort nimmt Dominik eine wichtige Rolle ein, da der Autor sich der deutschsprachigen Science-Fiction-Literatur zwischen 1918 und 1945 widmet. Linke Utopien und Unterhaltungsromane im Heftformat werden genauso erwähnt wie Science-Fiction-Geschichten in der Hochliteratur. Natürlich wird auch das dunkle Kapitel der Epoche nicht ausgespart. Die Abhandlung verschweigt nicht all die rassistischen Machwerke, welche während der NS-Diktatur entstanden sind. Frey zeigt auf, dass diese Bücher nicht aus dem Nichts entstanden sind, sondern Eugenik, Herrenmenschen-Fantasien und totalitäres Gedankengut schon in vielen Werken der Science-Fiction der Weimarer Republik zu finden waren.
Der Berliner Zeichner und Autor Bela Sobottke dürfte nur Fans von Undergroundcomics ein Begriff sein. Dieses Jahr erschien sein neuestes Album Die Legende von Kronos Rocco. Es ist nach Krepier oder stirb und Keiner killt so schön wie Rocco bereits der dritte Comic mit den titelgebenden Revolverhelden. Diesmal weicht er von der gewohnten Mischung aus Italowestern mit Zombies, Schneckenmutanten und anderen Monster ab und schickt seine Hauptfigur auf eine Reise durch die Zeit. So landet Rocco in der Steinzeit, kämpft in einer bizarren Zukunftswelt gegen Mutanten und trifft 1918 in einer Berliner Kneipe auf Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Werwölfe. Sobottke setzt dies alles gekonnt in Szene, wobei besonders die Kolorierung zu loben ist. Wer allerdings kein Blut sehen kann, sollte das Album lieber gar nicht erst aufschlagen.
Anne Jerratsch
Eines der Highlights aus dem Kinojahr, das mich bereits im Januar mehrfach ins Kino getrieben hat, war Birds of Prey. Der lange geplante und definitiv verdiente Solofilm über das Schicksal der Joker-Freundin Harley Quinn, in dem nicht nur Margot Robbie zeigen kann, was für ein Energiebündel in ihr steckt, hat mir von der ersten bis zur letzten Minuten einfach nur Spaß gemacht. Auch einige Monate nach den Sichtungen bleibt mir der Film noch positiv im Gedächtnis. Kein Wunder, denn Regisseurin Cathy Yan schafft mit der knallbunten Optik, dem extremen Tempo, dem teils albernen, teils auch subtilen Witz und jeder Menge Action einen Film, der bei DC für einiges Staunen gesorgt haben dürfte. (Bonuspunkte für die Zopfgummiszene. Immernoch.)
Hier passen die einzelnen Komponenten einfach so gut zusammen wie ein golden gegrilltes Käsesandwich mit einem wachsweichen Spiegelei. Keine Kost für jeden Tag, aber ab und an darf es schonmal sein und dann darf man es absolut genießen. Auch wenn die Handlung - erwartungsgemäß - etwas über die Stränge schlägt, hat der weibliche Hauptcast hinter Robbie, mit dabei auch Jurnee Smollett-Bell und Mary-Elizabeth Winstead, sichtlich Freude am Spiel. Als Bonus darf sich Ewan McGregor auch noch in einer seiner Rolle als spaßig-eklig-klebriger Bösewicht verausgaben. Für einen bunten Popcorn-Abend eignet sich Birds of Prey also genauso wie als Ablenkungsprogramm von jeglichem Jammer des Jahres 2020.
Gerade erst hereingeflattert und schon auf der Geschenkliste gelandet ist bei mir die Graphic Novel Rocky Beach - Eine Interpretation von Christopher Tauber (Story) und Hanna Wenzel (Illustration), die im September erschienen ist. Hier wird ein langgehegter Wunsch aller Drei Fragezeichen-FreundInnen umgesetzt: Eine erwachsene Version der Drei Fragezeichen. Und zwar nicht mit Detektivbüro und Aufträgen, die sich um Rätsel in Reimform und verschwundene Gemälde drehen, sondern viel realistischer angelegt. Die drei Freunde haben sich nach der Schulzeit um ihre jeweiligen Karrieren gekümmert. Die Handlung setzt gute 20 Jahre später ein. Bob ist mittlerweile zwar in Hollywood als Drehbuchautor angekommen, kann aber nur mit Trashformaten landen und ist relativ frustriert. Peter hat bei einer Versicherung angeheuert und eine Scheidung hinter sich. Justus musste ebenfalls einige Schicksalsschläge durchleben, was den Kontakt zu den beiden Freunden abbrechen ließ. Auch die Rocky Beach ist mittlerweile recht heruntergekommen. Eine gewalttätige Rotte von Jungpolizisten hat die Kleinstadt fest in der Hand. Und bald bekommen es die drei ehemaligen Freunde mit einem Fall der ernsthafteren Sorte zu tun. Mehr soll hier aus Spoilergründen hier nicht verraten werden.
Die Zeichnungen sind bewusst in schwarz-weiß gehalten. Der Stil ist klar und kantig, und doch gibt es immer wieder einige liebevolle Details zu entdecken. Wenzel zeichnet mit schwungvollem Strich auch leise Emotionen in die Gesichter der Ex-Detektive und ihrer Gegenspieler. So gelingt es ihr, eine erbarmungs-, aber letzten Endes nicht ganz hoffnungslose Welt zu schaffen.
Achtung: Der Band ist ab 16 Jahren freigegeben, es gibt explizite Szene und Gewalt zu sehen. Für Kinder, die gern ???-Comics lesen wollen, sei an dieser Stelle Das Dorf der Teufel oder Der Dreiäugige Totenkopf von Ivar Leon Menger aus dem Jahr 2015 empfohlen.
Johannes Hahn
Ganz ehrlich: Ein richtiges (popkulturelles) Highlight hatte dieses Jahr für mich nicht zu bieten. Dafür verlor sich 2020 für mich zu sehr in einem Nebel aus Homeoffice, sozialer Isolation und atembeschlagenen Brillengläsern. Trotzdem möchte ich in diesem Jahr auch etwas positives entdecken.
So war 2020 im Bereich Videospiele auch eher durchwachsen, trotzdem gab es für mich zwei große Überraschungen: Im Frühjahr erschien Streets of Rage 4, die Fortsetzung einer fast dreißig Jahre alten Beat-'em-Up-Reihe. Und trotz des großen Altersunterschieds und des - wenn wir ehrlich sind - wenig innovativen Gameplays macht mir das Spiel großen Spaß und sorgt bei einem Durchgang für gute zwei Stunden Unterhaltung. Wenn man einen stressigen Tag hatte, gibt es nichts besseres, als mit den Fäusten der Charaktere eine paar ordentliche 50er-Kombos zu erprügeln!
Daneben habe ich auf Nintendos Switch Reis angepflanzt - in Sakuna: Of Rice and Ruin. Als kindliche Göttin wird man auf eine von Dämonen heimgesuchte Insel verbannt und soll dort nun Reis anpflanzen, um den Vorrat der Götterwelt mit dem heiligen Korn aufzufüllen. Das klingt zwar nicht sonderlich spannend, ist aber tatsächlich eine kurzweilige Mischung aus Farming-Simulation und Side-Scrolling-Action-Plattformer. Was das Spiel zudem (für mich) interessant macht, ist die *sehr* japanische Atmosphäre, auch wenn ich es Schade finde, dass die Hintergrundgeschichte nur an die japanische Mythologie angelehnt ist und deren Elemente nicht gänzlich aufgreift. Aber das ist nur eine kleine Kritik an einem ansonsten durchaus gelungenen Spiel. Wer interessiert ist, sollte vorher allerdings ein, zwei Videos schauen, das Spiel könnte vom Setting und von einigen Gameplay-Elementen her nicht jedermanns Sache sein.
Wie viele Leserinnen und Leser auch habe ich dieses Jahr viel über Streaming-Dienste geschaut. Meine Highlights auf Netflix waren dabei eher im Sommer. Sehr gefreut habe ich mich über die Fortsetzung von How to sell Drugs online (fast). Die Serie hat mich schon in der 1. Staffel begeistert und Staffel 2 konnte da gut nachlegen, auch wenn man befürchten muss, dass sie sich ein wenig zu sehr auf ihren Hauptcharakter Moritz konzentriert. Ich freue mich jedenfalls auf Staffel 3 sowie darüber, dass eine deutsche Serie sowohl Humor als auch dramaturgisches Können beweist!
Daneben hat Netflix mit Space Force nicht nur sehr gutes Timing bewiesen, die Serie ist zudem witzig und lässt sich gut in einem Rutsch durchschauen. Außerdem enthält sie gegen Ende leichte Science-Fiction-Elemente und ich bin gespannt, in welche Richtung uns eine 2. Staffel der Polit-Satire mitnehmen wird.
Zum Abschluss kann ich nur meinem Kollegen Florian Rinke folgen und allen Sci-Fi-Interessierten Hans Freys Aufbruch in den Abgrund ans Herz legen. Ein gutes und flott geschriebenes Sachbuch, das durch die vielen Kurzrezensionen nicht nur einen Einblick in die Weimarer Sci-Fi gibt, sondern auch zeigt, welche Ideen schon damals relevant waren.
Stefan Turiak
Auch wenn ich die Protagonistin nicht so beeindruckend fand, wie mir die Serie unbedingt weismachen wollte (was nicht an der Hauptdarstellerin Sonoya Mizuno lag), hat mir Devs sehr gut gefallen. Alex Garland scheint mit dem Mini-Serien-Format eine Erzählform gefunden zu haben, die ihm erlaubt, Ideen wie freier Wille und Vorherbestimmung wesentlich tiefer zu ergründen. Was der bereits erwähnt Protagonistin an Dreidimensionalität fehlt, steckt Garland in die Nebenfiguren, die von tollen Schauspielern wie Nick Offernman, Alison Pill, Cailee Spaeny, Stephen McKinley Henderson und Zack Grenier dargestellt werden. Daneben präsentiert Garland wie immer überwältigende visuelle Elemente.
Eher ruhig und meditativ, unterlegt von einem wunderbaren Philip-Glass-Score erzählt Tales from the Loop verschiedene Kurzgeschichten basierend auf dem gleichnamigen Graphic Novel des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag. Die melancholischen Stories spielen alle in einer Art faszinierenden Retro-Zukunft, in der sich die unterschiedlichen Protagonisten mit Zeitreise, Körpertausch und Robotik auseinandersetzen. Spektakulär unspektakulär und zutiefst menschlich stellte es für mich ein angenehmes Stück Science Fiction zum Entschleunigen dar.
Tenet gilt wohl gemeinhin als einer der weniger guten Christopher-Nolan-Filme. Vielleicht zähle ich ihn zu meinen Highlights, weil es sich um einen meiner wenigen Kinobesuche in diesem Jahr handelte. Ich konnte dem Plot zwar irgendwann nicht mehr folgen, aber mir gefiel die Kombination aus Agentenfilm-Elementen und Zeitreise-Nonsens. Alles in allem kam es mir aber so vor, als hätte Nolan mal etwas Spaß an seiner Quatsch-Prämisse. Anstatt sich 100 Prozent ernst zu nehmen, gab es zwei charmante Hauptdarsteller, eine massiv albern-überzogene Schauspielleistung von Kenneth Branagh und sogar sowas wie schlagfertige Dialoge. Nolan sollte aber erst einmal lernen, Nahkämpfe vorwärts zu inszenieren, bevor er es rückwärts versucht.
Katrin Hemmerling
Ich war dieses Jahr kein einziges Mal im Kino, sodass ich im Gegensatz zu meinen Vorrednern Tenet nicht als mein Jahreshighlight anführen kann. Dank Pandemie und Lockdown bestand mein Jahr aus vielen Büchern und noch mehr Streaming-Diensten sowie einer großen Portion Playstation.
Im Sommer war Cobra Kai bei Netflix verfügbar, und ich habe die ersten beiden Staffeln binnen kürzester Zeit inhaliert. Zugegeben, ich war anfangs etwas skeptisch, immerhin überrennt uns gerade eine Nostalgie-Welle, in der alles, was in den 80er-Jahren mal erfolgreich war, aufgewärmt, fortgesetzt oder in Serie gebracht wird. Cobra Kai zeigt jedoch eine glaubwürdige, charakterliche Entwicklung von Johnny Lawrence und spielt obendrein geschickt mit dem Gedanken, wer denn jetzt eigentlich der Böse von beiden ist - Johnny, der immer der Böse war? Oder doch Daniel, der in einigen Momenten doch ein wenig wie ein erfolgsverwöhnter Kotzbrocken wirkt? Die Momente, in denen es Rückblenden auf Vergangenes gibt, dienen der Handlung und wirken nicht wie reiner Fanservice. Dazu ein gewaltiger Cliffhanger am Ende von Staffel 2 - und ich freue mich wie ein Kullerkeks, dass wir Staffel 3 früher als ursprünglich geplant serviert bekommen.
Wie einige andere habe ich auf The Last of Us Part II hingefiebert und war etwas bedrückt, dass ich mir das Spiel beim Release aus finanziellen Gründen nicht zulegen konnte. Zur Erinnerung: Wir können mit Robots & Dragons unseren Lebensunterhalt nicht bestreiten, und so hatte mich im Hauptbroterwerb in diesem Jahr wie bei so vielen anderen die Kurzarbeit erwischt, sodass ich die 70 Euro nicht mit gutem Gewissen für ein Spiel ausgeben konnte. So habe ich The Last of Us Part II erst im Black Friday abgreifen können und erspiele mir gerade am eigenen Leib, wie ein Spiel es schafft, es einen emotional völlig durchzulutschen.
Während sich Anfang des Jahres ein Großteil auf Star Trek: Picard stürzte, habe ich mich mit Begeisterung auf Staffel 3 von Babylon Berlin gestürzt. Und ich habe jede Sekunde geliebt. Spannung, Drama, gewaltige Emotionen - Staffel 3 präsentierte mit all das, was in Staffel 2 etwas abgeflaut war, mit einer Wucht, die mich in manchen Momenten etwas unvorbereitet traf. Zum Schluss bleibt mir fast nur eins: Wann ist es für Männer wieder angesagt, so adrett gekleidet zu sein wie Gereon Rath und Co? Hüte! Gebt uns mehr Hüte!
Hannes Könitzer
Nach der starken 1. Staffel waren die Erwartungen an die neuen Folgen von The Boys hoch und die Macher haben definitiv nicht enttäuscht. In faktisch allen Bereichen wurde noch einmal eine Schippe draufgelegt und das Endergebnis ist so noch besser als Staffel 1. Gleiches kann man auch über The Mandalorian sagen. Ich selbst war in der 1. Staffel tatsächlich noch nicht ganz an Bord. Ich fand die Star-Wars-Serie durchaus unterhaltsam aber als Highlight wollte ich sie im letzten Jahr noch nicht bezeichnen. Mit Staffel 2 hat sich dies grundlegend geändert. Klar, The Mandalorian reißt sich erzählerisch kein Bein aus, aber das möchte man auch gar nicht. Das, was die Serien sein will, tut sie perfekt. Und sind wir mal ehrlich, allein für die letzten zehn Minuten im Staffelfinale hat sich The Mandalorian schon einen Platz unter den Jahreshighlights verdient.
Ein weiteres meiner Highlights in diesem Jahr war The Last of Us Part II. Auch wenn das Spiel nicht unbedingt die Geschichte erzählt hat, die ich gern gespielt hätte, ist die Fortsetzung einfach ein Brett. Kein Spiel hat mich bisher so emotional fertig gemacht wie The Last of Us Part II. Ich kann allerdings auch jeden verstehen, der mit der Richtung, welche die Entwickler eingeschlagen haben, so gar nichts anfangen kann. Wer sich davon aber freimachen und auf die Geschichte einlassen kann, welche die Entwickler erzählen wollen, auf den wartet eine krasse Achterbahnfahrt.
Allen, die dagegen noch etwas Eskapismus betreiben möchten, kann ich noch Spiritfarer ans Herz legen. Zwar geht es in dem Spiel ebenfalls um das Thema Tod, sodass es auf den ersten Blick nicht wirklich nach Eskapismus klingt, trotzdem bietet Spiritfarer genau dies. In dem Spiel geht es relativ gemächlich zur Sache und gleichzeitig stehen Harmonie, Freundschaft und menschliche Beziehungen im Mittelpunkt. Stella und ihrer Katze Daffodil dabei zu helfen, andere Menschen auf ihrem letzten Weg ins Jenseits zu begleiten, geht einfach ans Herz und die unaufgeregte Spielweise rundet die Geschichte und das Setting perfekt ab.