Anime-Kritik: Digimon Adventure tri. (1/2)

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Digimon Adventure tri

Wer noch nie etwas von den ersten Abenteuern der Digiritter oder generell von Digimon gehört hat, sollte vielleicht lieber mit folgenden Beiträgen aus der Reihe Nostalgie in Serie beginnen, da diese Rezension logischerweise auf viele Dinge, die dort bereits zur Sprache kamen, Bezug nimmt.

Wiedervereinigung

Diese besondere Leinwandreise begann bekanntlich mit Digimon Adventure tri. 1: Reunion. Und es kommt sicher nicht von ungefähr, dass sich die Titel der Filme (wie beispielsweise Reunion beziehungsweise Wiedervereinigung) sehr gut als Zwischenüberschriften eignen, wenn man alle sechs Teile als das große Ganze bespricht, das sie genau genommen eigentlich auch sind. Besonders interessant ist außerdem, dass sie durchaus mehrdeutig sind. Schließlich werden die Zuschauer nicht nur Zeuge des Wiedersehens der mittlerweile nicht mehr ganz jungen Gruppe an Auserwählten, sondern werden selbst nach vielen Jahren mit zahlreichen vertrauten Gesichtern konfrontiert - vorausgesetzt, sie gehören zu denjenigen, die in um die Jahrtausendwende herum Nachmittag für Nachmittag mit ihren Helden “ihren Traum gelebt haben“.

Diese doppelte Wiedersehensfreude ist es auch, die dieses Projekt, das auf der ganzen Welt Fanherzen höherschlagen ließ, trägt, und das Fundament darstellt, auf dem die Macher einen eher ungewöhnlichen erzählerischen Ansatz verfolgt haben, der vor allem in Digimon Adventure tri. 1: Reunion, Digimon Adventure tri. 2: Determination sowie in Digimon Adventure tri. 3: Confession zum Tragen kommt: Die menschlichen Protagonisten standen nicht weniger, sondern - im Gegenteil - sogar noch mehr im Fokus als in der Urserie. Ohne Zweifel ein sehr mutiger Schritt. Denn natürlich ist es naheliegend, als treuer Anhänger davon auszugehen, dass Digiritter und Digimon auch in einer Fortsetzung - wie gewohnt - Protagonistenstatus haben würden. Je länger man aber über den Entschluss der Verantwortlichen nachdenkt, desto plausibler erscheint er, und das aus mehreren Gründen.

Digimon Adventure tri

Bestimmung

Erstens setzt Reunion drei Jahre nach Digimon Adventure 02 und sogar sechs Jahre nach Digimon Adventure 01 ein, und schon damals wurde in beiden Fällen Entwicklung groß- und Stillstand kleingeschrieben. Der nie älter werdende Ash, der es nicht mit Digital, sondern Pocket Monsters zu tun hat und der innerhalb einzelner Staffeln mit seinen Pokémon zwar durchaus eine Entwicklung durchmacht, pünktlich zum Start einer neuen allerdings gefühlt wieder fast bei Null anfängt, kann an dieser Stelle gut als Gegenbeispiel angeführt werden. Die Entscheidungen, die die anfänglichen Kinder und späteren Teenager im Verlaufe ihrer großen Reise trafen, hatten stets Auswirkungen, die den weiteren Verlauf des Geschehens bestimmten. Diese ließen sie vor allem reifen, insbesondere da sie sie mehr als einmal an ihre Grenzen brachten. Und obwohl das zumeist junge TV-Publikum all das damals vielleicht noch nicht hundertprozentig in Worte fassen konnte, so war für es doch eines spürbar: Dieses Format unterscheidet sich merklich von anderen in diesem Umfeld ausgestrahlten, und zwar aufgrund der Ernsthaftigkeit und Tiefe, die seit jeher ebenso untrennbar mit dem Anime verbunden sind wie Digitationen. Und daher ist es nur logisch, dass man diese Tatsache bei der Fortschreibung der legendären Geschichte in angemessener Form berücksichtigt.

Zweitens geht Entwicklung immer mit Veränderung einher und schafft Platz für Neues. In dieser Hinsicht konnte man sich ebenfalls stets auf Macher verlassen. So fühlen sich die ersten Episoden von Digimon Adventure 01 beispielsweise deutlich anders an als die letzten und die Staffel insgesamt auch anders als Digimon Adventure 02. Diese Andersartigkeit ist gewissermaßen eine Garantie für Abwechslung. Wenn die einzige Konstante jedoch der dauerhafte Wandel ist, wird der beim Zuschauer erwünschte Effekt nach und nach abnehmen, weil es schließlich etwas Beständiges braucht, um den zwingend notwendigen Vergleich zwischen Vorher und Nachher überhaupt anstellen respektive um nachvollziehen zu können, welche Faktoren dabei welche Rolle gespielt haben.

Und deshalb ist es auch drittens nicht verwunderlich, dass es dennoch etwas gibt, das sich durch sämtliche 104 Folgen der ersten beiden Franchise-Ableger zieht: Freundschaft in all ihren Facetten und Formen. Wer sich nun wundert und mit einer etwas spektakuläreren Antwort gerechnet hatte, dem sei gesagt: Es gibt nur wenige animierte Welterfolge, die auf so besondere Weise das Einstehen füreinander, das Leben in einer Gemeinschaft und auch die dabei fast unter Garantie entstehenden Konflikte und Herausforderungen behandeln - und all das vor dem Hintergrund des Heranreifens und der ersten Schritte in Richtung Erwachsenwerden.

Digimon Adventure tri

Und obwohl es sich um auserwählte Kinder handelte, die, wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, eine Bestimmung hatten, käme niemand auf die Idee, zu glauben, dass das Identifikationspotenzial der Hauptfiguren dadurch gemindert werden würde. Im Gegenteil: Gerade weil Tai, Matt, Kari, T.K., Sora, Mimi, Izzy und Joe so unterschiedlich sind, dürfte sich jeder Zuschauer von einem von ihnen - zumindest unterbewusst - gut repräsentiert fühlen. Die Bindung zwischen den jungen Helden und ihren Fans hat aber nicht nur darin ihren Ursprung, sondern auch in der quasi allgegenwärtigen ausgestreckten Hand, die den eigenen Anhängern gilt. Ebendiese wurden nämlich durch ein „beherztes Zupacken“ sozusagen selbst zu Digirittern, weil sie der Gruppe bis heute bei jedem ihrer Kämpfe zur Seite stehen, mit ihnen lachen und weinen, und selbstredend auch weil ihnen die Digimon-Partner ihrer „Freunde“ immer mehr ans Herz wachsen.

(Selbstein-)Geständnis

Sämtliche der genannten Punkte treffen nun ebenfalls auf die Digimon-Adventure-tri.-Filme zu - vor allem auf die Kapitel eins bis drei. Nur waren die Macher diesmal gewillt, noch den einen oder anderen Schritt weiterzugehen. So spielt etwa die erste Hälfte der Reihe nahezu komplett in unserer Welt, und die titelgebenden Wesen sind deutlich weniger präsent, als man es hätte erwarten können. Überdies erfährt der Zuschauer eine Menge über das Innenleben der Teenager und wird oftmals Zeuge längerer ernster Unterhaltungen. Diese Tatsache führt dazu, dass das Leinwand- beziehungsweise Bildschirmgeschehen auf den ersten Blick recht gewöhnlich oder ereignisarm erscheint, was von einigen auch kritisch angemerkt wurde.

Vollständig entkräften kann man diesen Vorwurf nicht. Die Kernhandlung ist schnell zusammengefasst: Vereinzelt tauchen von einem bösartigen Virus befallene Digimon in Japan auf und sorgen für Chaos. Recht schnell steht die Befürchtung im Raum, dass weitere Infizierungen nicht nur für die Digiwelt, sondern auch für unsere schwerwiegende Folgen haben dürften. Außerdem wird mit der Paarung Meiko-Meikuumon ein neues Digiritter-Partner-Duo eingeführt, das, wie sich schnell herausstellt, in der Reihe eine Schlüsselrolle zukommt, und dazu beiträgt, dass sich darüber hinaus neue Dynamiken innerhalb der altbekannten Truppe entwickeln. Deswegen fehlt tatsächlich etwas die gewohnte Action; an das deutlich langsamere Erzähltempo muss man sich ebenfalls zunächst gewöhnen. Hat man dies allerdings geschafft, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass in einem die Erkenntnis reift, dass es sich hierbei um sehr bewusste dramaturgische Entscheidungen handelt. Auf diese Weise dokumentiert man abermals, dass sich Digimon Adventure nie damit begnügt, den Fans Bewährtes in leicht variierter Form zu präsentieren; vielmehr werden diese stets aufs Neue überrascht - ohne sich jedoch jemals auch nur ansatzweise von dem emotionalen Kern des Franchises zu entfernen.

Digimon Adventure tri

Ein Aspekt, den man aber nur schwer nachvollziehen kann, ist der Umgang mit dem Thema Digitation in den ersten drei Kapiteln dieser verkappten dritten Staffel. Nur Agumon und Gabumon gelang es in den ersten beiden, - ohne Verschmelzung mit einem anderen Digimon - auf das Mega-Level zu digitieren. Der Weg dorthin war im wahrsten Sinne des Wortes ein steiniger, dementsprechend hoch war der Gänsehautfaktor, als die Mitfiebernden erstmals WarGreymon und MetalGarurumon auf dem heimischen Bildschirm bewundern durften. Wenn die Situation beinahe ausweglos zu sein schien, waren es diese beiden Maxi-Monster, die das Blatt noch zum Guten wenden konnten. Daher ist es nur umso verständlicher, dass die Treuesten der Treuen auf wenig so gespannt waren wie auf die erstmaligen Mega-Digitationen weiterer Partner-Digimon. Zu diesem kommt es zwar, jedoch ohne großen Vorlauf. Aus diesem Grund fallen diese besonderen Momente bei Weitem nicht so episch aus, wie es möglich gewesen wäre. Optisch hingegen überzeugt jede der gezeigten Digitationen, die man auf innovative Weise modernisiert hat, was das Ganze eigentlich nur noch bedauerlicher macht.

In dem zweiten und finalen Teil wird es um die drei abschließenden Kapitel Lost, Coexistence und Our Future gehen und ein finales Fazit gezogen werden.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Toei Animation

DIGIMON ADVENTURE tri. Chapter 1: Reunion (Deutscher Trailer)

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