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Damien Chazelle gilt als eine der großen Regie-Hoffnungen in Hollywood. Der fast schon ärgerlich junge 33-Jährige machte als Drehbuchautor zunächst mit handelsüblichen Genre-Arbeiten wie The Last Exorcism 2: The Beginning of the End und Grand Piano - Symphonie der Angst auf sich aufmerksam. Zum ersten Mal konnte er jedoch mit dem furiosen Musikdrama Whiplash über einen besessenen Schlagzeug-Studenten und seinen furchteinflößenden Musiklehrer eine breite Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Obsessionen sind auch Teil seines Nachfolgewerkes La La Land, ein Film in der Form eines alten Hollywood-Musicals, in dem sich ein Jazz-Enthusiast in eine aspirierende Schauspielerin verliebt – Gesang und Tanz selbstverständlich inklusive. Nun meldet sich das Jungtalent nach der spektakulären Oscar-Verwechslung mit dem nächsten Anwärter auf die goldene Trophäe zurück. Eine Art Biopic über den berühmten und zurückhaltenden Astronauten Neil Armstrong, das darüber hinaus die Missionen abdecken soll, welche letztendlich die ersten Schritte der Menschheit auf der Mondoberfläche ermöglicht haben.
Mondmission ohne Kontext
Nach dem tragischen Krebstod seiner kleinen Tochter scheint Neil Armstrong (Ryan Gosling) geradezu obsessiv nur noch einem Ziel entgegenzustreben: dem Aufbruch ins Weltall und spezifisch um die Reise zum Mond. Darüber vernachlässigt er fast seine Ehefrau (Claire Foy) und seine beiden Söhnen, zu denen die Beziehung des verschlossenen Astronauten immer mehr erkaltet. Währenddessen gerät die Mission selbst durch mal mehr und mal weniger schwerwiegende Unfälle sowie eine zweifelnde Öffentlichkeit und Politik in Gefahr.
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Natürlich sind viele Umstände bezüglich der Mondexpedition hinreichend bekannt. Regisseur Chazelle und sein Drehbuchautor Josh Singer weigern sich aber fast, diesen Ereignissen irgendeine Form von Kontext zu verleihen. Sie gehen weder darauf ein, was für eine wissenschaftliche Bedeutung die einzelnen Missionen haben, die letztendlich zum Mondaufbruch beitragen noch trauen sie sich ein Statement zum politischen oder historischen Kontext der Mondreise zu machen oder sonst irgendeinen erzählerischen Standpunkt einzunehmen. Auch wenn der Vorwurf der fehlenden beziehungsweise wenigen US-Fahnen im Film, der kurz nach US-Kinostart aufkam, weitestgehend unsinnig ist, ist hier kaum irgendeine Form des Pathos oder eine emotionale Regung zu finden.
Bei einer Mission, die auch politisch motiviert war und dazu diente, Russland im sogenannten Space Race zu überholen, mutet diese Illusion des Unpolitischen, die Regisseur und Drehbuchautor zu verfolgen scheinen, fast schon absurd an. Ähnliches gilt auch für die anderen Astronauten und NASA-Mitarbeiter, die an der Seite Armstrongs auf das gemeinsame Ziel hingearbeitet haben. Der Film tut herzlich wenig, um diese Figuren zu skizzieren oder ihnen Dimensionen zu verleihen. Man erkennt einen Schauspieler hier oder einen berühmten Astronauten-Namen dort, aber ein Innenleben haben diese Astronauten und Wissenschaftler nicht beziehungsweise ist der Film nicht interessiert daran. Trotzdem sollen Trauer und Verlust vermittelt werden, als einzelne von ihnen sterben – Emotionen, die sich nicht übertragen wollen.
Kaltes Familiendrama mit einer schwindelerregenden Kameraführung
Das Familiendrama möchte ebenfalls nicht überzeugen: Ryan Gosling, generell ein Freund der starren Mimik, unter der immerhin in den meisten Fällen brodelnde Gefühle spürbar sind, unterdrückt in einer schauspielerischen Fehlentscheidung oder fehlgeleiteten Anleitung des jungen Regisseurs Chazelle alles Emotionale. Gosling wirkt hier fast roboterhafter als in seiner Rolle in Blade Runner 2049. Ein Schauspiel, welches Claire Foy anscheinend auffangen muss, die jede Emotion des Films allein auf den schmalen Schultern trägt und dabei durchaus überzeugend agiert. Chazelles Versuch, ein fast naturalistisches Familiendrama, welches an den Regie-Esoteriker Terrence Malick erinnert, mit der übergeordneten Mond-Mission zu verbinden, scheitert leider an seinen Ambitionen.
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Die mangelnden Einblicke in seine Figuren versucht Chazelle mit möglichst gesichtsnahen Kameraeinstellungen zu kompensieren. Die Kameraführung ist generell ein Problem: Chazelle und sein Kameramann Linus Sandgren haben sich die schlechte Angewohnheit zugelegt, jede Sequenz zu verwackeln und willkürlich mit dem Fokus zu spielen, sodass selbst banale Szenen am Essenstisch stellenweise für Schwindel sorgen.
Diese vermeintlich authentisch-dokumentatorische-visuelle Erfahrung entfaltet sich lediglich bei den einzelnen Weltraum-Missionen. In diesen wenigen Szenen kommt das Talent des Regisseurs zum Tragen und die hautnahe Inszenierung ergibt hier tatsächlich einen Sinn: Der Zuschauer wird zusammen mit den Astronauten in der Sardinenbüchse namens Raumkapsel eingeschlossen und ins Weltall geschossen. Jedes Ächzen des Metalls ist hörbar und jede überstrapazierte Schraube spürbar. Nur schade, dass Chazelle diese Inszenierungsweise nicht für die letztendliche Mondmission weiter ausbaut, sondern diese quasi in einem 20-minütigen Zeitraffer abhandelt.
Fazit:
Leider überambitioniertes und an diesen Ambitionen scheiterndes Astronautendrama, das sich von jeglichen Emotionen, Pathos, historischen oder politischen Kontext weitestgehend frei machen möchte und dabei vergisst, überhaupt eine kohärente Geschichte zu erzählen oder in den Kopf seiner Hauptfigur und Nebenfiguren einzudringen. Einzig und allein die klaustrophobischen aber spärlich gesäten Weltraumszenen können überzeugen. Insgesamt vor allem ein unterkühltes und wenig mitreißendes Biopic und Astronautendrama, das einfach nicht aus sich herausgehen möchte.