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In der vorletzten Episode liefern die Macher von Game of Thrones noch einmal ein optisches Highlight ab. Die Schlacht um King's Landing ist gekommen und erweist sich in Hinblick auf einige Hauptfiguren der Serie als tödlicher als der Kampf gegen den Nachtkönig. Leider offenbart "The Bells" aber inhaltlich so einige Schwächen.
Zwei Seiten einer Medaille
Wer bei Game of Thrones auf die Auswahl der Regisseure achtet, der weiß, wenn der Name Miguel Sapochnik fällt, geht es actionreich zur Sache. Sapochnik ist für fast jede große Schlacht der Serie verantwortlich und vor diesem Hintergrund war es keine Überraschung, dass die Serienmacher auch die Auseinandersetzung um Kings Landing in seine Hände legten. Aus inszenatorischer Sicht hat sich dies auch erneut voll ausgezahlt. "The Bells" ist ein visuelles Highlight selbst für eine Serie, die für hohe Schauwerte bekannt ist. Die Bilder, die der Regisseur auf die Fernsehbildschirme bringt, reißen einfach mit, wobei besonders das Leid der Zivilbevölkerung sehr intensiv eingefangen wurde.
Dummerweise können das Drehbuch und die Entwicklung der Figuren mit den Schauwerten nicht mithalten. Erneut offenbart Game of Thrones seine in den letzten Staffeln entwickelte Schwäche, Dinge über das Knie zu brechen, einfach weil keine Zeit für eine vernünftige Entwicklung vorhanden ist. So verhalten sich Figuren in "The Bells" nicht nur wieder einmal unchrakertisch dumm, es kommt auch zu Entscheidungen, die sich einfach falsch anfühlen beziehungsweise deren amateurhafter Aufbau viel kaputt macht. An erster Stelle wäre da natürlich die Drachenkönigin zu nennen.
Die Akte Daenerys
Dass Daenerys einen gewissen Wahnsinn in sich trägt, wurde im Laufe der Serie immer wieder einmal eingestreut. In Staffel 7 und 8 haben die Autoren die Königin dann zusätzlich eine ganze Reihe von Niederlagen erleiden lassen und zudem zunehmend isoliert. Trotzdem wirkt die Entscheidung, eine ganze Stadt und ihre Bevölkerung niederzubrennen, nicht nachvollziehbar. Zu einem Zeitpunkt, an dem Daenerys die Schlacht gewonnen hat, wird sie plötzlich zu einer Massenmörderin. Hätte es in diesem Moment irgendeinen Auslöser gegeben, wäre die Sache vielleicht etwas glaubhafter gewesen. Letztendlich ist die gesamte Schlacht aber ein einziger Triumph für Daenerys, sodass ihre Entscheidung einfach nur wie ein billiger Schockmoment wirkt.
Vieles davon hätte sich mit einem vernünftigen Aufbau vermeiden lassen. Daenerys wurde sechs Staffeln lang als die Heldin und Retterin für die Zuschauer aufgebaut, nur um sich dann in einer überschaubaren Anzahl von Episoden zu einer wahnsinnigen Königin reduzieren zu lassen. Klar gab es immer wieder Anzeichen, das Umlegen des Schalters kommt aber dann trotzdem zu plötzlich, vor allem weil ihre Tat einfach zu brutal ist. In gewisser Weise lässt sich die Entwicklung mit Anakin Skywalker in den Star-Wars-Prequels vergleichen. Auch da gab es hier und da Anspielungen, am Ende war der Wandel aber nicht wirklich nachvollziehbar, sondern fand einfach nur statt, weil er zu einem bestimmten Punkt passieren musste.
Mal funktioniert's, mal nicht
Die Entwicklung von Daenerys ist nicht die einzige fragwürdige Drehbuchentscheidung in "The Bells". Auch die Art und Weise wie die Schlacht verläuft, dürfte einigen Zuschauern sauer aufstoßen. Wurden die Harpunen gegen die Drachen in der vergangenen Folge noch als Wunderwaffe präsentiert, haben sie plötzlich überhaupt keinen Effekt mehr. Das Ganze geht soweit, dass die Waffen auf den Burgmauern noch nicht einmal geladen scheinen, wenn Daenerys und Drogo auftauchen. Tatsächlich scheinen die Kämpfer von King's Landing nun genauso unvorbereitet auf den Drachen wie in der vergangenen Woche Daenerys beim Angriff der Iron Fleet. Hier biegen sich die Autoren leider vieles so zurecht, wie sie es gerade brauchen.
Dies gilt auch für Lord Varys, dem ersten namhaften Opfer der Episode. Der Konflikt zwischen Varys und Tyrion rund um die Frage, wem man denn nun Loyalität schuldet, hatte das Potenzial für einen spannenden Handlungsstrang. Da dafür aber die Zeit fehlt, wird Varys abserviert. Der Mann, der über Jahrzehnte im Hintergrund Komplotte schmiedete, ist nun tatsächlich so dumm, sich einfach erwischen zu lassen. Im Gegensatz zu seinem einstigen Kollegen Littlefinger gibt es zudem nicht einmal einen Grund. Bei Littlefinger konnte man argumentieren, dass dieser sich von seiner Liebe zu Sansa blenden ließ. Varys war dagegen überhaupt nicht dazu gezwungen, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt und so sorglos aktiv zu werden. Einzig die Tatsache, dass Game of Thrones nächste Woche endet, sorgte für diese Entwicklung.
Doppeltes Duell
Zu den optischen Highlights von "The Bells" zählte auch die lang erwartete Konfrontation zwischen Sandor und seinem Bruder Gregor. Die Inszenierung der Auseinandersetzung ist, wie so vieles in der Folge, hervorragend und auch das Ende erweist sich als spektakulär. Auch hier handelt es sich aber wieder mehr um Schein als Sein. So beeindruckend der Kampf ist, so sehr fühlt er sich wie Fanservice an.
Ein Duell der beiden Brüder wurde erwartet, also muss es unbedingt noch in die Folge. Die Entwicklung dahin mag aber nicht so recht überzeugen. Klar, hat Sandor den Hass auf seinen Bruder nie hinter sich gelassen, aber so wirklich spielte dieser für die Figur in den vergangenen Jahren kaum eine Rolle. Warum er unbedingt jetzt seinen Bruder konfrontieren muss, ist daher nicht nachvollziehbar. Immerhin bringt die Folge die Beziehung zwischen Sandor und Arya zu einem runden Abschluss. Die wirklich schöne Abschiedsszene funktioniert aber vor allem, weil sie über einen Zeitraum aufgebaut wurde.
Während das erste Duell zumindest optisch überzeugen kann, ist der zweite Zweikampf leider vollkommen unnötig. Dies beginnt bereits damit, dass Jamie überhaupt versucht, wieder in die Stadt zu schleichen. Dass es ihn am Ende wieder zu seiner Schwester zieht, macht die Figur irgendwie kaputt. Jamie Lannister war ohne Zweifel die Figur, welche die größte Entwicklung in Game of Thrones durchmachte, nur um dann am Ende doch wieder zu seiner Schwester zurückzulaufen. Ähnlich wie bei Arya und Sandor gibt es aber auch für Jamie eine schöne Abschiedsszene, allerdings nicht mit Cersei, sondern seinem Bruder Tyrion. Auch dieser Moment ist sehr gelungen.
Dafür erscheint der Kampf zwischen Jamie und Euron Greyjoy komplett unnötig. Auch ohne seine Verletzungen hätten Jamie und Cersei in den Katakomben den Tod finden können, während vermutlich kein Zuschauer Euron eine Träne nachgeweint hätte, wenn dieser einfach ertrunken wäre. So durfte er noch einen letzten sinnfreien Auftritt absolvieren, in einem Kampf, der weder sonderlich spannend noch irgendwie herausragend inszeniert war.
Feuer und Asche
Gemeinsam mit Jamie findet auch Cersei kurz vor dem Serienfinale ihr Ende. Allen Fantheorien zum Trotz gibt es am Ende tatsächlich niemanden, der die aktuelle Besitzerin des Eisernen Thrones tötet. Stattdessen ist es die einstürzende Stadt. Das mag vielleicht nicht das große Highlight sein, allerdings war es auch lange Zeit ein Markenzeichen von Game of Thrones, dass nicht jeder Antagonist auch wirklich ein befriedigendes Ende aus Sicht der Zuschauer erlebt. In gewisser Weise geht es zumindest in diesem Punkt zurück an die Wurzeln.
Faktisch unsterblich ist dagegen Arya, zumindest bis zum Serienfinale. Die Szenen der jüngsten Stark in Kings Landing sind in jedem Falle sehr mitreißend und zeigen die Schrecken des Krieges auf extreme Weise. Trotzdem ist es nicht sehr realistisch, was Arya im Laufe der letzten Minuten alles überlebt, vor allem wenn man bedenkt, dass alles um sie herum stirbt.
Fazit
Mit der vorletzten Episode liefern die Macher von Game of Thrones erneut ein optisches Highlight ab. Die Schlacht um Kings Landing ist extrem emotional inszeniert und bietet viele Schauwerte. Leider scheitert die Sache am Drehbuch. Viele getroffene Entscheidungen wirken sehr gewollt. Die fehlende Zeit für eine nachvollziehbare Entwicklung der Figuren, die seit einiger Zeit ein zunehmendes Problem der Serie wird, findet hier ihren negativen Höhepunkt und dürfte die Angst vieler Zuschauer in Hinblick auf ein enttäuschendes Serienfinale noch weiter schüren.