Kritik zu Suspiria: Kunstvolles Horrorballett

suspiria.jpg

Dakota Johnson Suspiria

Regisseur Luca Guadagnino fiel bisher mit sommerlichen Thrillerdramen wie A Bigger Splash und lockeren Liebesdramen wie Call Me by your Name auf. Der italienischstämmige Künstler hat sich mit dem Remake von Suspiria: In den Krallen des Bösen keine leichte Aufgabe aufgetragen: Das Original aus dem Jahre 1977 vom ebenfalls italienischen Kultregisseur Dario Argento gilt mit seiner stilbildenden visuellen Gestaltung, seinem einzigartigen Soundtrack und brutalen Slasher-Szenen als Klassiker des Genres für viele Horrorfans. Guadagninos Remake hat bis auf ein paar Anspielungen hier und dort jedoch tatsächlich nur den Namen mit dem Originalfilm gemein, allerdings auch den dringenden Anspruch, ein Kunstfilm zu sein. Fans des konventionellen B-Horrors werden also etwas völlig anderes geboten bekommen.

Okkulte Schüler-Lehrer-Beziehung

Die verstörte Tanzstudentin Patricia (Chloë Grace Moretz) berichtet ihrem Psychiater von den unheimlichen und möglicherweise okkulten Geschehen in ihrer Tanzschule, der Markos Tanzensemble. Kurze Zeit später verschwindet sie, und eine neue Tanzschülerin namens Susie Bannion (Dakota Johnson) kommt nach Berlin, um eben diese Tanzschule zu besuchen und auch ihrer Mennoniten-Familie im US-Bundesstaat Ohio zu entkommen. Susie findet in der Tanzlehrerin Madame Blanc (Tilda Swinton) eine Mentorin, die von dem natürlichen Talent und dem Ehrgeiz der neuen Schülerin so beeindruckt ist, dass sie der Nachwuchstänzerin die tragende Rolle in der anstehenden Produktion gibt. Gleichzeitig scheint Madame Blanc die talentierte Schülerin mit geheimnisvollen Kräften auszustatten. Und generell gehen in den Katakomben hinter den Mauern der Tanzschule mysteriöse Dinge vor sich.

Ein Thema des Parasitären durchzieht die Beziehung zwischen Bannion und ihrer Lehrerin Madame Blanc. Beide scheinen auf etwas Höheres aus zu sein - im Falle von Madame Blanc ein magisches und schreckliches Ritual, auf das sie hinarbeitet, im Falle von Bannion eine Art unschuldiger Ehrgeiz, der auf eine rätselhafte Verwandlung zusteuert - beides sollte an dieser Stelle noch vage gehalten werden, um nicht zu viel zu verraten. Der Schrecken arbeitet hier tiefgründig und hinter den alten Gemäuern der Tanzschule und unter dem Boden des Tanzstudios. Dieser Horror ist gelegentlich schwer greifbar und leider nur gelegentlich sehr atmosphärisch dicht erzählt. Trotzdem geizt Regisseur Guadagnino nicht mit Albtraumbildern, die eine durchaus einnehmende Tanzchoreografie häufig mit unvorstellbaren Schmerzen in Verbindung bringen.

Auseinandersetzung mit der Vergangenheit

Unterlegt von der melancholischen Musik von Radiohead-Frontmann Thom Yorke tauscht Guadignino die neonbunten Bilder des Original weitestgehend gegen ein tristes und düsteres Berlin der 70er Jahre aus. Hier finden sich RAF-Terror und ein Deutschland, das den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus verarbeitet, während sich die Teilung zwischen Ost und West ebenfalls wie ein dunkler Schatten über das Land und die Stadt legt. Schon an diesem Setting wird deutlich, dass Guadignino andere Ambitionen verfolgt als der typische Horrorfilm. Ein anderer Handlungsstrang beschäftigt sich entsprechend mit dem eingangs erwähnten Psychotherapeut Dr. Lutz Ebersdorf, eine Art Nachfolger der von Udo Kier gespielten Figur des Originalfilms.

Ebersdorf nimmt die Rolle eines Amateuerdetektivs an, der die mysteriösen Ereignisse in der Tanzschule erforscht und die verschwundene Patricia sucht, wenn er nicht gerade seiner im Zweiten Weltkrieg verschwundenen Ehefrau hinterher trauert. Unter dem gesamten Kunstgeschehen des Films liegt also ein harter schmerzhafter Kern, der sich mit kollektiver Schuld, Verlust und Trauer auseinandersetzt, vergraben. Ob ein Kunstgruseldrama der beste Weg ist, um diese Art der Auseinandersetzung zu transportieren, sei dahin gestellt und sollte jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. Um einen eigenwilligen und manchmal interessanten Weg handelt es sich allemal.

Fazit

Soviel sei gesagt: Beim Suspiria-Remake handelt es sich nicht um einen Slasherfilm, auch wenn die Neuinterpretation nicht mit Knochenbrüchen, Blut und anderen Körperflüssigkeiten und -teilen geizt. Mit einer ansprechenden Symbolsprache hält sich Regisseur Guadignino ebenfalls nicht zurück. Die 152 Minuten Laufzeit bieten Einiges, was das Publikum entdecken und entpacken kann, wenn es dazu bereit ist. Ob sich diese Puzzleteile letztendlich wirklich zusammenfügen und die unterschwelligen Themen ein organisches Ganzes ergeben, kann man wahrscheinlich erst nach dem mehrmaligen Sehen entscheiden.

Trailer SUSPIRIA (Deutsch)

Suspiria
Originaltitel:
Suspiria
Kinostart:
15.11.18
Laufzeit:
152 min
Regie:
Luca Guadagnino
Drehbuch:
David Kajganich
Darsteller:
Chloë Grace Moretz, Dakota Johnson, Tilda Swinton, Mia Goth, Jessica Harper, Renée Soutendijk, Angela Winkler
Eine junge amerikanische Tänzerin wird an einer deutschen Ballettschule mit schrecklichen Geheimnissen konfrontiert.

Regeln für Kommentare:

1. Seid nett zueinander.
2. Bleibt beim Thema.
3. Herabwürdigende, verletzende oder respektlose Kommentare werden gelöscht.

SPOILER immer mit Spoilertag: <spoiler>Vader ist Lukes Vater</spoiler>

Beiträge von Spammern und Stänkerern werden gelöscht.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren.
Ein Konto zu erstellen ist einfach und unkompliziert. Hier geht's zur Anmeldung.