From Beyond: Kritik zu Oliver Dörings Lovecraft-Hörspiel

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Seitdem das Werk des 1937 verstorbenen Autors H. P. Lovecraft vor 13 Jahren gemeinfrei wurde, stieg die Adaption seiner Horrorgeschichten in unterschiedlichen Medien stark an. Es gab mehr oder weniger freie Umsetzung in Comics (Gou Tanabe: Der leuchtende Trapezoeder), Computerspielen (Arkham Horror), Gesellschaftsspielen (Lovecraft Letter, Villen des Wahnsinns) und zuletzt wagte sich Richard Stanley an eine Verfilmung von Die Farben aus dem All mit Nicolas Cage in der Hauptrolle.

Lovecrafts Romane und Kurzgeschichte dienten natürlich auch als Vorlage für viele Hörspiele der letzten Jahre. So erschienen in der Reihe Gruselkabinett unter anderen "Der Fall des Charles Dexter Ward", "Der Schatten über Innsmouth", "Der Ruf des Cthulhu" oder "Herbert West Wieder-Erwecker". Winterzeit Audio baut hingegen mit der Reihe Howard Phillips Lovecraft – Chroniken des Grauens aus einzelnen Geschichten einen eigenen Hörspielkosmos auf. Zudem vertonte Oliver Döring in seiner Anthologieserie Phantastische Geschichten "Berge des Wahnsinns" und "Die Farben aus dem All". In der gerade gestarteten 2. Staffel der Reihe ist nun das Hörspiel "From Beyond" hinzugekommen.

Die literarische Vorlage von "From Beyond" erschien in Deutschland in verschiedenen Kurzgeschichtensammlungen unter dem Titel Aus dem Jenseits. Lovecrafts Erzählungen drehen sich oft um Menschen, die nach verbotenem Wissen streben und so in Kontakt mit kosmischen Wesen kommen, welchen sie am Ende in den Wahnsinn treiben. Solch ein grauenhaftes Zusammentreffen steht auch im Mittelpunkt von "From Beyond".

"Ich rede von einem Blick in andere Dimensionen, in die Dunkle Materie."

Der Radiologe Professor Crawford Tillinghast hat eine Strahlungsfrequenz entdeckt, die es Menschen ermöglicht, in unbekannte Dimensionen zu reisen. Als er seinem Freund und Kollegen John seine Entdeckung zeigt, ist dieser entsetzt und empört, dass der Professor ihn ungefragt seiner neu entdeckten Strahlungen aussetzt.

Crawford setzt seine Experimente zunächst ohne John fort und schickt stattdessen seine Hausangestellte Alice in eine andere Dimension. Am nächsten Morgen macht sein Diener Donnadieu eine grauenhafte Entdeckung – denn die fremden Welten sind nicht so harmlos wie gedacht. Dort leben fremdartig Wesenheiten, welche der menschliche Verstand nicht begreifen kann.

"Es macht echt Spaß, sich mit dir zu unterhalten, wenn du nur kryptische Halbsätze raus haust."

Die Hauptrolle des Doktor John Disell spricht Frank Schaff, der Paul Bettany, Joseph Fiennes und Ethan Hawke synchronisiert. Wer genau hinhört und als Kind mit Benjamin Blümchen aufgewachsen ist, wird bemerken, dass er dort in den ersten Folgen die Rolle des Jungen Otto übernommen hatte. Schaff gelingt es gut, einen Wissenschaftler zwischen Skepsis, Wahn und Entsetzen zum Leben zu erwecken.

Professor Crawford wird von Klaus-Dieter Klebtsch (Synchronsprecher von Alec Baldwin, Ian McShane und Josh Brolin) gespielt. Man nimmt Klebtsch den bedenkenlos Forscher jederzeit ab. Ihm glaubt der Hörer auch leicht all die pseudowissenschaftlichen Erklärungen über Strahlungsfrequenzen, Dunkle Materie und ferne Dimensionen ohne den Sinn beziehungsweise Unsinn dieser Thesen zu hinterfragen. Nur zum Ende klingt Klebtsch ein wenig zu überdreht.

Marieke Oeffinger (Synchronstimme von Natalie Dormer und Tessa Thompson) spricht Johns Freundin Eve. Sie kommt in dem gesamten Hörspiel nur kurz, dafür in einer der besten Passagen zu Wort. Ihre Rolle als Eve verkörperte sie auch schon in Dörings Adaption "Farben aus dem All". Sie selbst spielt in einem ihrer Dialoge auf ein Staudammprojekt in der Nähe von Arkham an.

Hans Beyer dürfte sich mit unheimlichen Fällen auskennen: In der Serie Akte X synchronisierte er William B. Davies als Raucher. Als Diener Donnadieu spielt er hier allerdings eine ganz andere Persönlichkeit, aus der er deutlich mehr rausholt als das Klischee des treuen Butlers.

In einer kleinen, aber wichtigen Rolle ist Ila Panke als Hausangestellte Alice zu hören. Die Sprecherin gehörte auch schon in Oliver Dörings "Krieg der Welten" und "Der todbringende Stern" mit zur Besetzung und kann auch hier durchaus überzeugen. Panke führte zudem noch die Produktionsleitung des Hörspiels. Am Ende tritt noch Bernd Vollbrecht (Synchronstimme von Antonio Banderas) als hartnäckiger und verbissener Inspektor Mondi auf.

"Bestrahlst du etwa gezielt Gehirne?"

Der Autor und Produzent Oliver Döring wurde in der Hörspielszene bekannt, als er die John-Sinclair-Neuauflage der Edition 2000 herausbrachte. Es folgten die John Sinclair Classics, die Adaptionen verschiedener Star-Wars-Hörspiele sowie diverse eigene Serien wie End of Time und Foster.

Für das Label Folgenreich inszenierte er einige Werke von H. G. Wells (Die Zeitmaschine, Der Krieg der Welten und Das Imperium der Ameisen). Dieses Konzept setzte er nun beim Label Imaga fort. Neben Wells vertonte Döring dort auch Geschichten von H. P. Lovecraft. Seine Hörspielreihe Phantastische Geschichten startete aktuell in eine zweite Staffel. Nach den beiden Wells Hörspielen "Unter dem Messer" und "Der todbringenden Stern" folgte der Horrorklassiker "From Beyond".

"Was ich sah, ist nicht beschreibbar."

Auf der inhaltlichen Ebene wird dem Hörer trotz einiger Änderungen zur literarischen Vorlage und wenigen zusätzlichen Figuren nicht viel Neues geboten. In Konfrontation mit dem kosmischen Grauen ist es für die Helden schwer, mit heiler Haut und klaren Verstand zu entkommen. Contendo Media hat mit ihrer Umsetzung von "Aus dem Jenseits" innerhalb der Reihe The Lovecraft 5 eine ganz eigene Erzählperspektive gewählt. Im direkten Vergleich besitzt Dörings Hörspiel einen konventionellen Ansatz. Dennoch wirkt seine Adaption zu keiner Zeit altmodisch.

Das Döring ein erfahrener und professioneller Hörspielregisseur ist, hört man dem Hörspiel zu jederzeit an. Die Dialoge, die Soundeffekte und die Musik sind perfekt abgemischt und ergeben ein rundes Ganzes. So kann sich der Hörer gemütlich im Sessel zurücklehnen und in die Welt des Grauens eintauchen. Allerdings wäre ein Erzähler an der einen oder anderen Stellen hilfreich gewesen.

Die fernen Dimensionen werden von den Protagonisten nur spärlich geschildert. Außer einem Tentakel hier und einer weiten Ebene dort wird nicht viel beschrieben. Lovecrafts kosmischer Horror funktioniert eigentlich recht gut, wenn man nur wenige Details erklärt bekommt. Aber gerade auf der letzten Reise von Crawford und John wären ein paar mehr Informationen durchaus von Vorteil gewesen.

In der Szene, in welcher Alice versucht Professor Crawford die Farbe Infrarot zu beschreiben, kommt Döring allerdings sehr gut ohne Erzähler aus. Gerade im hilflosen Scheitern dieses Unterfangens wird die Fremdheit deutlich. Dieses Gespräch gehört auch zu den Höhepunkten des Hörspiels. Es ist in einer Parallelmontage gegen eine Unterhaltung zwischen John und seiner Freundin Eve geschnitten. Beide Dialoge fügen sich scheinbar nahtlos zu einem Ganzen zusammen. Durch die rasche Schnittfolge liefert der Regisseur ohne überflüssige Längen alle nötigen Informationen und bringt gleichzeitig die Handlung bei steigender Spannung schnell voran.

"Na dann vielen Dank für was auch immer!"

Seit dem 5. März ist "From Beyond" als CD und als Download exklusiv im Online-Shop des Labels Imaga erhältlich. Wenig später wird man das Hörspiel dann im stationären Handel erwerben können. Wer "From Beyond" über ein Streaming-Dienst anhören will, muss sich noch ein wenig gedulden. Bei Imaga kommt die Streaming-Auswertung ihrer Hörspiele an letzter Stelle. So wird es ungefähr ein halbes Jahr dauern, bis man Oliver Dörings neues Hörspiel dort in der Auswahl findet.

Fazit

Oliver Döring hat mit seiner Adaption die Welt H. P. Lovecrafts nicht neu erfunden, aber um ein gelungenes Hörspiel bereichert. "From Beyond" wurde an den richtigen Stellen modernisiert, perfekt inszeniert und mit sehr guten Sprechern besetzt. Wer auf der Suche nach einer klassischen Horrorgeschichte im modernen Gewand ist, sollte sich das neueste Hörspiel aus der Reihe Oliver Dörings Phantastische Geschichten unbedingt anhören.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Imaga/Lars Vollbrecht/gloryboards.de/Tithi Luadthong

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