Kritik zu Star Wars: Battlefront 2 - Franchise-Frust vom Feinsten

Star Wars muss wieder ganz groß werden - in jedem Medium. Während Disney mit Spin-offs und weiteren Film-Trilogien noch die nächsten dutzend Generationen an Fans beglücken möchte, sieht es bei den interaktiven Medien noch ein wenig kahl aus. Die Rechte an Videospiel-Produktionen im Sci-Fi-Universum gehören exklusiv Electronic Arts.

In den vergangenen Jahren kam allerdings nur der Shooter Battlefront heraus, der sich zwar blendend verkaufte, von Spielern und Kritikern jedoch für fehlende Inhalte ins Kreuzfeuer genommen wurde. Jetzt soll mit Battlefront 2 (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Battlefront 2 von 2005) alles besser werden, und das muss es auch, EA hat schließlich den einzigen anderen aktiv in Entwicklung befindlichen Star-Wars-Titel zusammen mit Entwickler Visceral Games ins Nirvana befördert.

Die Erfolgsstrategie von EA sieht aus wie folgt. Eine Einzelspieler-Kampagne soll zusammen mit kostenlosen und regelmäßigen Updates und Erweiterungen Mehrwert bringen. Böse Zungen behaupteten sofort, der berüchtigte Publisher wolle damit nur Fans beruhigen und an anderer Stelle mehr Geld verdienen. Diese Vermutungen erwiesen sich dann spätestens in der öffentlichen Beta, nicht überraschend, als absolut zutreffend.

EA und Entwickler Dice haben in dem Mehrspielerteil Lootboxen in ihrer heimtückischsten Variante eingebaut. Der Spieler muss also sehr lange spielen, um Punkte zu sammeln oder kann diese direkt mit echtem Geld erkaufen. Damit können dann, wie am einarmigen Banditen, verschiedene Preise gewonnen werden. Diese sind dazu nicht rein kosmetisch, sondern helfen direkt im Spiel. Wer also bereit ist zu zahlen, kann von Anfang an bis an die Zähne bewaffnet in die Schlacht ziehen.

Einen weiteren Aufschrei der Community gab es dann wenige Tage vor Veröffentlichung. Spieler merkten, dass wichtige Charaktere, wie ein ikonischer Sith mit Atemproblemen, nachträglich mit Ingame-Währung freigeschaltet werden mussten. Die schnelle Erklärung der EA Community Manager ist mit aktuell fast 700.000 negativen Bewertungen der am schlechtesten bewertete Kommentar auf Reddit. Selbst mit der darauffolgenden Reaktion von EA, die Preise von Helden um 75% zu senken, kosten alle Inhalte zusammen noch 2.100 Dollar und würden mehr als 4.500 Spielstunden zum Freischalten benötigen.

Aber Moment, kann sich das Spiel nicht doch noch wegen der Einzelspieler-Kampagner lohnen? Rhonda und Tobias haben die vier- bis fünfstündige Geschichte durchgespielt - mit gemischten Gefühlen.

SW:B2 Versio

Tobias: 

Die Kampagne dreht sich um die imperiale Offizierin Iden Versio und ihre Soldaten in einer Spezialeinsatztruppe, dem Inferno-Kommando. Nach dem Fall des Imperators in Die Rückkehr der Jedi-Ritter sinnt das Imperium nach Rache und plant einen neuen Aufstieg. Anfangs spielt die Geschichte mit einem interessanten Setting: Wie geht die Elite des Imperiums mit den eigenen Grausamkeiten um? Die Menschen hinter den Strumtruppenhelmen zu thematisieren, ist eine interessante Perspektive, zu lange war das Imperium nur eine eindimensionale, dunkle Macht.

Das Imperium schlägt wieder zurück - oder auch nicht

Leider verliert sich der Konflikt der Protagonistin schon nach der ersten Spielstunde. Danach wird nur stumpfes Gut gegen Böse aufgetischt, ohne Herz und ohne Charme. Auch die Geschichte verliert in dem Moment jegliche Struktur. Eine Aneinanderreihung von fast unzusammenhängenden Szenarien beginnt, man möchte schließlich noch Luke, Leia, Lando und Han, hier mit einem grausigen Vollbart, auftreten lassen. Die Rufe der Produzenten nach Wiedererkennungswert sind, neben den Schmerzensschreien der Sturmtruppen, förmlich zu hören.

Das Ende kommt rasch nach etwa vier bis fünf Stunden. Der Handlungsbogen um Iden Versio wird hastig beendet, so muss schließlich noch verzweifelt die Brücke zu Das Erwachen der Macht und Die letzten Jedi geschlagen werden. An der Stelle macht sich auch die Disney-Bürokratie direkt bemerkbar. Ein Teaser mit Kylo Ren und Andeutungen zu Luke wird abrupt von den Credits unterbrochen. Wann darf es weitergehen? Natürlich erst, wenn Episode 8 in den Kinos zu sehen war.

Schade, dass Entwickler DICE sich auch mit den einzelnen Missionen nicht mehr traut. Das Spiel sieht fantastisch aus, die Atmosphäre schreit Star Wars. Doch selbst eine Weltraumschlacht um eine weitere Superwaffe des Imperiums verkommt ohne emotionales Gewicht zur normalen Flugsimulation. Und ja, das Imperium hat wohl in seinen letzten Momenten von Episode 6 eine weitere Superwaffe besessen und diese nicht eingesetzt. Das Spiel gehört schließlich zum neuen Kanon.

Das Schießen fühlt sich jedoch, wie erwartet, sowohl zu Fuß als auch im Raumschiff gut an. Der Battlefield-Entwickler kennt sich bestens mit Shootern aus und serviert auch hier genießbare Kost. Außergewöhnlich oder aufregend wird Battlefront 2 deswegen allerdings weder im Einzelspieler- noch im Mehrspieler-Modus. Blaster und Lichtschwerter sind zweckmäßig, doch wirklich absondern kann sich das Spiel damit von herkömmlichen Shootern nicht. Die Integration von Perspektiven aus der dritten Person und der Egoperspektive tut was sie soll, ist jedoch nicht wirklich taktisch einsetzbar. Massive Schlachten mit anderen Spielern sind befriedigend, jedoch ist es hier wieder besonders frustrierend, von einem voll ausgerüsteten Yoda getötet zu werden, der sich diesen Vorteil womöglich erkauft hat. Schade eigentlich, denn gerade die Gefechte mit übermächtigen Gegnern lassen Spannung aufkommen.

SW:B2 Planets

Rhonda:

Och EA, ihr könnt es den Spielern auch einfach nicht Recht machen. Wurde in dem ersten Reboot von Star Wars: Battlefront aus dem Jahr 2015 noch lautstark die nicht vorhandene Kampagne kritisiert, ist diese in dem Nachfolger nun vorhanden, nur interessiert dies kaum jemanden, da die Debatte um Pay-to-Win und Lootboxen alles überschattet. Eure Entwickler tappen aber auch in jedes Fettnäpfchen, am liebsten in den sozialen Medien. Dabei ist das Spiel beileibe nicht so schlecht, wie es den Anschein hat. Trotzdem gewinnt die Kampagne sicher keinen Preis für Originalität und der Schaden im Multiplayer-Modus ist bereits angerichtet.

"'Member the Empire? 'Member the Death Star? 'Member Chewbacca?" -"Oh I 'member!"

Auch wenn sich die Geschichte um Iden Versio und ihrem Inferno-Squad auf dem Papier wie eine spannende Reise anhört, ist es leider nicht nur ein Mix der letzten Star-Wars-Filme, sondern zudem auch eine Aneinanderreihung gängiger Sci-Fi-Klischees: Anhänger des Imperiums mit einem plötzlich auftretenden Sinn für Gerechtigkeit? Check. Toughe Kämpferin mit Vaterkomplexen? Check. Total überraschender Verrat? Check. Im letzten Moment eingeschobene Liebesgeschichte? Check.

Dabei gäben die Charaktere eigentlich viel mehr her, denn die Hauptakteure sind nicht nur wunderbar animiert und im Original auch toll vertont, sondern werden besonders mit den Interaktionen untereinander interessant. Leider bleibt es bei einem leichten Ankratzen der Oberfläche, denn mit der seltsamen episodenartigen Erzählstruktur ist anscheinend keine Zeit für allzu viel emotionalen Tiefgang. Der Untergang des zweiten Todessterns beispielsweise, der im Trailer noch mit viel Tamtam und Tränendrüsen zelebriert wurde, wird im Spiel mit einem Schulterzucken abgetan.

Besonders das Inferno-Squad hat darunter zu leiden, denn die Motivation hinter ihren Aktionen kann der Spieler kaum nachvollziehen, da einfach viel zu wenig über sie bekannt wird. Die wenigen Informationen zu Iden, Del und Hask kann man auf den PR-Seiten von EA nachschlagen, denn im Spiel wird davon kaum etwas vermittelt. So ist Iden Versio die Tochter von Admiral Garrick Versio und wurde zusammen mit Hask auf Vardos ausgebildet. Del Meeko stammt von Coruscant. Ende.

SW:B2 Troopers

Auch beim Schwierigkeitsgrad wird die Story von Star Wars: Battlefront 2 keinen Blumentopf gewinnen. Selbst auf der höchsten Einstellung gilt es lediglich, seinem Droiden im Spiel anzuweisen, hier mal ein Knöpfchen zu drücken, ein wenig umherzuschleichen oder zu schießen. Was für einen Shooter nicht einmal so außergewöhnlich wäre, würde die Devise nicht sein, dass jeder Schuss in die generelle Richtung des Kopfes des Gegners das sofortige Ableben eben dessen zur Folge hat. Dies gilt sowohl für ein Scharfschützengewehr, als auch für Leias seltsame Spielzeugpistole, denn einen Schadensabfall nach einer gewissen Distanz gibt es in der Galaxie weit, weit entfernt anscheinend nicht. Spaßiger weil fordernd(er) sind da die Flugmissionen, in denen man von allen Seiten beschossen wird, während man beispielsweise im Weltraum durch Raumschiffwracks rast.

Der Rest der Kampagne ist eine wilde Verschmelzung von Dingen, die den Fans besonders in den alten Filmen ans Herz gewachsen sind. "Erinnerst du Endor? Erinnerst du Millenium Falcon? Erinnerst du Lando Calrissian?" Bekannte Schauplätze werden besucht und beliebte Charaktere lassen sich in Mini-Episoden spielen, die die Geschichte von Iden Versio mit der des offiziellen Kanons verbinden sollen. So entsteht auch die Räuberpistole von den angeblichen 30 Jahren, die die Story von Star Wars: Battlefront 2 abdecken soll. Was die Schlingel von EA jedoch nicht verraten haben, ist, dass die Hauptquest des Spiels die rund sechs Monate nach der Zerstörung des zweiten Todessterns abdeckt. Erst in einem Epilog tritt Kylo Ren auf, was die Verbindung zu Das Erwachen der Macht herstellen soll.

Das Herzstück des Spiels, der Multiplayermodus, hat die Spieler in den letzten Wochen auf die Barrikaden gebracht und eine nötige Debatte über Mikrotransaktionen ausgelöst. In den Lootboxen, die sich nicht nur mit der Ingame-Währung, sondern auch mit Echtgeld erwerben lassen, können sich unter anderem die Ingame-Währung Credits, Crafiting-Materialien oder kosmetische Items für die verschiedenen Charaktere freischalten. Jedoch können sie auch neue Kämpfer, Waffen oder Verbesserungen beinhalten, mit denen man einen Vorteil gegenüber anderen Spielern hat. So geht es in den Matches weniger um das eigene Können, sondern darum, welche Verbesserungen der Gegner für seine Charaktere erhalten hat.

SW:B2 XWing

Fazit Rhonda:

Es scheint, als wollte Electronic Arts mit Star Wars: Battlefront 2 alle Seiten zufriedenstellen, vor allem jedoch die Aktionäre. Im Vorfeld hieß es, dass sich die Kampagne nicht wie angeklebt anfühlen sollte, ein Mittel zum Zweck, der den Multiplayermodus rechtfertigt. Leider ist es jedoch genau so geworden, denn die Spieler werden nur so durch die Geschichte gehetzt, als müssten sie schnell die Story hinter sich lassen, damit sie mehr Zeit im Multiplayermodus verbringen können. Dabei hätten die Charaktere mehr verdient und auch mehr gekonnt, wenn man ihnen nur ein wenig mehr Zeit zur Entfaltung gelassen hätte. Das Inferno-Squad ist nämlich alles andere als unsympathisch, bleibt jedoch einseitig, da der Spieler die Beweggründe der Protagonisten kaum nachvollziehen kann.

Auch der Multiplayermodus macht bis zu einem gewissen Grad Spaß, nämlich dann, wenn man auf Spieler mit ähnlicher Ausrüstung trifft. Die Killcam im Spiel gibt detaillierte Auskünfte darüber, welchen Sternkarten man sein Ableben zu verdanken hat. Ein mieses System, durch das sich die Spieler selbst ausmalen dürfen, ob der Gegner Glück mit seinen Lootboxen hatte oder Echtgeld in den Shooter investiert hat.

Anmerkung: Nach heftiger Kritik aus der Community (und einem Brief von Disney) hat Electronic Arts die Mikrotransaktionen erst einmal aus dem Spiel entfernt. Diese sollen nach einer Überarbeitung zu einem späteren Zeitpunkt jedoch wieder zurückkehren.

Fazit Tobias

Star Wars: Battlefront 2 ist ein beinahe solides Spiel. Die Einzelspieler-Kampagne ist für Fans enttäuschend, sieht aber immerhin sehr gut aus. Der Mehrspieler-Modus wird von Mikrotransaktionen überschattet, die mit der Aussicht auf tausende nötige Spielstunden, um alles freizuschalten, jeglichen Spielspaß rauben. Auch, wenn dieses Zahlungssystem momentan dank Disney abgeschaltet ist, wird es ohne Zweifel wiederkommen. Außerdem sind die Überbleibsel davon, in Form von den Sternenkarten, noch immer implementiert. In der jetzigen Form kann ich somit Niemandem guten Gewissens eine Kaufempfehlung geben. Abwarten, wie EA den Spagat zwischen Disneys Wünschen, der Community und eigenen Einnahmeprojektionen hinlegt.

Star Wars: Battlefront 2 ist für Xbox One, Playstation 4 und den PC erhältlich.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Electronic Arts

Star Wars Battlefront 2 Launch Trailer

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