Nach einer längeren Pause ist die Durststrecke für Fans von Doctor Who endlich vorbei: Die Auftaktfolge “The Pilot“ lässt die mittlerweile zehnte Staffel gleich stark starten. Showrunner Steven Moffat äußerte vorab, dass es sich wie der Beginn einer neuen Serie anfühlen soll. Und das ist durchaus gelungen.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Es ist mal wieder soweit im Whoniverse – eine neue Begleiterin des Doctors hat ihren ersten Auftritt. Erfreulicherweise lässt man sich damit ausreichend Zeit. So lernen sich Bill Potts (Pearl Mackie) und der Doctor erst einmal über längere Zeit jenseits von mysteriösen Ereignissen kennen.
Twelve hat sich mit seinem Helfer Nardole auf der Erde niedergelassen. Seit vielen Jahrzehnten ist er als Professor an der St. Luke’s University in diversen Fachbereichen tätig. Er bietet sich Bill als persönlicher Tutor an, obwohl diese gar keine eingeschriebene Studentin, sondern Kantinenkraft ist.
Bill steht klar im Fokus der Episode. Quer durch den Wechsel der Jahreszeiten werden kleine Szenen ihres Alltagslebens und ihrer Treffen mit dem Doctor gezeigt, was sie einem schnell näher bringt. So ist sie etwa bei einer Pflegemutter aufgewachsen, da ihre leibliche Mutter starb, als Bill noch ein Baby war. Sie beklagt, dass sie noch nicht mal Bilder von ihr habe – welche der Doctor ihr mit einem geheimen Zeitreisetrip, quasi als Weihnachtsgeschenk, besorgt. Es ist auch Bill, die in Kontakt mit einer bedrohlichen außerirdischen Erscheinung gerät und von dieser verfolgt wird sowie zur Problemlösung beiträgt – der Doctor fungiert eher als Berater und Fluchthelfer, was durchaus seinen Reiz hat.
Auch Peter Capaldis Doctor erfährt einen kleinen Neustart. Nicht alle alt eingefleischten Fans sind mit der Art seiner Darstellung warm geworden. In dieser Episode wird alles auf Anfang gesetzt und Twelve auf ruhigerer Art und in lockereren Ton quasi erneut eingeführt. Entsprechend werden noch einmal die wichtigsten Punkte (Timelord, T.A.R.D.I.S., Daleks) erläutert. Gut für alle Vergesslichen und Neueinsteiger, aber auch alte Hasen dürften sich bei den Reaktionen von Bill gut unterhalten fühlen.
Ein wenig erinnert es an den Neuanfang der Serie mit Rose und dem neunten Doctor oder auch der Beginn von Eleven mit Amy. Beides sind gute Einstiegspunkte für Neu-Whovians und “The Pilot“ könnte ein weiterer sein.
Der Charme der Vergangenheit
Wie für Doctor Who üblich wird die Vergangenheit der Serie natürlich nicht vergessen und findet vor allem in Details der Ausstattung Anklänge. Etwa durch den Stiftehalter auf dem Schreibtisch des Doctors mit der Sammlung vergangener Screwdriver-Modelle, den Bildern von seiner Enkelin Susan und River Song sowie dem "Out of Order“-Schild an der Tardis. Dieses wurde schon vom ersten Doctor in ähnlicher Form verwendet, um Menschen vom tatsächlichen Benutzen der scheinbaren Polizei-Notrufbox abzuhalten.
Es gibt einige Berichte von Leuten, die Doctor Who früher in ihrer Kindheit sahen und sich dabei oftmals so gruselten, dass sie sich hinter der Couch versteckten. Mit dem scheinbar bedrohlichen Gegner ist auch in “The Pilot“ der gewisse Gruselfaktor wunderbar gelungen. Eine mysteriöse Pfütze, die Bills Flirtpartnerin Heather verschlingt, Lebewesen mimen und einen überall – quer durch Raum und Zeit – verfolgt. Dabei taucht das Gebilde sowohl als bedrohlich fließendes Wasser sowie in Gestalt einer nassen, unheimlichen Heather auch, deren markantes Sternenauge einen aus allerlei unmöglichen Dingen heraus anstarrt: Beste Horrorstimmung auf einem für Familien tauglichen Niveau.
Wichtiger Bestandteil war auch schon immer die Musik, die in dieser Episode besonders positiv auffiel. Mit neuen, treibenden Klängen, aber eben auch wiedererkennbaren Melodien. Sehr passend erklingt das musikalische Thema von Clara, als Bill den Doctor fragt, wie er sich fühlen würde, wenn man ihm einfach wichtige Erinnerungen aus dem Gedächtnis löschen würde. Als er sich schließlich gegen das Löschen von Bills Erinnerungen an das Abenteuer entscheidet, ringt er sich zudem dazu durch doch wieder mit der Tardis auf Reise zu gehen. Er lädt Bill ein sich ihm anzuschließen. Mit seiner auffordernden Äußerung "It’s a big universe, but maybe one day we’ll find her“ könnte er dabei sowohl Heather als auch Clara meinen.
Der Anfang vom Ende
Steven Moffat selbst schrieb das Drehbuch der Episode, die den Beginn sowohl seiner Abschiedsrunde als auch die von Peter Capaldi als Doctor einläutet. Zum Ende des Jahres verlassen beide die Serie und Chris Chibnall (Broadchurch) übernimmt als Showrunner.
Im Laufe der letzten Staffeln sah sich Moffat einiger Kritik an seiner Art zu schreiben (insbesondere von weiblichen Charakteren) und Vorwürfen, er würde Doctor Who immer verworrener, inkonsistenter machen, ausgesetzt. Mit "The Pilot" zeigt er mal wieder, dass er durchaus Gespür für das Schaffen leiser, emotionaler Momente und spannender Charaktere hat. Für die nötige Stimmung und passendes Timing sorgte Lawrence Gough (Snatch), der die Regie übernahm.
Im Vorhinein gab es schon Diskussionen, da Bill Potts die erste offen lesbische Companion sein soll. Dies wird auch direkt recht am Anfang thematisiert und ist erfreulich beiläufig und natürlich wirkend Teil der Geschichte und ihres Charakters. Die Hoffnung ist, dass dies so bleibt und nicht wieder im Verlauf der Staffel übermäßig aufgeblasen oder als bloßes Plot Device genutzt wird.
Fazit
Ein sehr guter Start, der definitiv Lust auf mehr macht. Stilsicher wird an Neues herangeführt und die Seriengeschichte gewürdigt. Die Spannung darauf, was den Zuschauer auf dem Weg zum Ende einer Ära (Moffat/Capaldi) noch alles erwartet, steigt. Onwards!