Sülters IDIC - Star Trek: Discovery und die Klingonen - Interessante Theorie zum Kanon

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Header: Sülters IDIC - Star Trek: Discovery - Machen sie die Klingonen "great again"?

Nachdem vergangene Woche zunächst ein Teaser veröffentlicht worden war, in dem Michael Burnham versicherte, dass die Föderation in friedlicher Absicht handeln würde, gab es einen Tag später Nachschlag. Diesmal stellte man den klingonischen Anführer T’Kuvma in den Mittelpunkt und ließ ihn ein paar Worte sagen. Im Wortlaut hieß es da übersetzt:

"Sie kommen. Atom für Atom werden sie uns zum Schweigen bringen. Zelle für Zelle werden unsere Seelen die ihren werden. Wir müssen für eine Sache kämpfen, die wichtiger ist als alle anderen: Klingonen zu bleiben."

(Original: They are coming. Atom by atom they will silence us. Cell by cell our souls will become theirs. We must fight to for one thing above all – to remain Klingon.)

Eine grundsätzliche Einordnung war schnell gefunden. Während die Menschen ihre friedlichen Absichten bekunden, hat hier jemand ganz offenbar Angst um die Identität seines Volkes. Spannend, beide Seiten derart zu beleuchtet meinten die einen. Plakativ und wenig kreativ, sagten die anderen.

Ein Aspekt fiel dabei jedoch hinten über: Warum formuliert T’Kuvma derart ungewöhnlich? Was hat es mit den Atomen und Zellen auf sich? Würde ein Klingone wirklich auf diese Weise sprechen, wenn es nicht einen ganz konkreten Hintergrund dafür gäbe?

We do not discuss it with outsiders

Erinnern wir uns: Schon immer hat das veränderte Aussehen der Klingonen die Fanseelen beschäftigt. Während jedem dabei eigentlich immer klar war, dass man zu Zeiten der Classic-Reihe schlicht das Geld für Masken dieser Art nicht hatte (und/oder nicht auf die Idee kam, diese anders darzustellen), änderte sich das mit den Kinofilmen. Dort zeigten die Klingonen plötzlich Stirnwulste. In TNG, DS9 und Voyager wurde dieser Look weiter verfeinert - aber im Kern immer beibehalten. In der Episode “Trials and Tribble-Ations” aus Star Trek: Deep Space Nine ließ man die Crew inklusive Worf dann auf Klingonen der Classic-Serie treffen. Was den einsilbigen Krieger zu der Formulierung “wir diskutieren das nicht mit Außenstehenden” veranlasste.

Konsens war: Da muss wohl in der Klingonengeschichte etwas geschehen sein, was das Aussehen veränderte. Diese spaßige Nicht-Erklärung hätte den meisten Fans vermutlich bis ans Ende aller Tage ausgereicht.

Als Star Trek: Enterprise dann jedoch startete und als Prequel zu den Classics plötzlich auch die aus späteren Inkarnationen bekannten Stirnwulst-Klingonen zeigte, geriet dieser Ansatz wieder ins Wanken. Man warf den Produzenten zurecht vor, hier unsensibel vorzugehen, wobei die Sehgewohnheiten und Geldgeber vermutlich gar keine andere Lösung zugelassen hätten.

Mit der Doppelepisode “Affliction”/”Divergence” in der vierten Staffel machte man sich jedoch die Mühe, alles in einem Rutsch zu erklären. Laut dem dort Gezeigten hatten die Klingonen also immer Stirnwulste gehabt - durch das Herumexperimentieren mit der Augment-DNA wurde jedoch ihr Erbgut geschädigt und viele Klingonen starben oder veränderten sich. Sie sahen plötzlich wieder aus, wie die Klingonen aus den Classics. Somit war der Weg frei für diese Darstellung und die Rückverwandlung (die man weiterhin offen ließ) zu einem späteren Zeitpunkt in der Geschichte. Alles war soweit stimmig, viele waren glücklich.

Doch dann kam Star Trek: Discovery. Zeitlich weit nach Star Trek: Enterprise und rund zehn Jahre vor den Classics angesiedelt, holte man nun wieder Stirnwulst-Klingonen ins TV. Dass diese generell vom Look einem Update unterzogen wurden, will ich dabei gar nicht mal mit einbeziehen. Es geht mir schlicht um den generellen Look. War man hier nun also erneut unsensibel und ignorierte die mühsamen Erklärungen des Kanons?

Atom für Atom. Zelle für Zelle.

Vielleicht eben nicht. Nehmen wir für einen Moment an, bei T’Kuvma und seinen Leuten handelt es sich tatsächlich um eine Splittergruppe, die lange Zeit verschollen oder unterwegs war - oder schlicht ganz woanders eine Heimat gefunden hatte als im Zentrum des Klingonischen Reichs oder gar auf Qo’noS.

Nehmen wir weiter an, diese Gruppe hätte die genetischen Veränderungen aus den genannten beiden Episoden verpasst und würde nun zurückkehren, um ihre Leute zu einen und die klingonische Identität zu schützen oder gar zu retten. Jene Identität, die sie nicht zuletzt durch den genetischen Eingriff als bedroht ansehen. Man kann natürlich sagen, dass die Klingonen selbst schuld waren, mit der Augment-DNA zu experimentieren. Man kann aber natürlich auch eine Verwässerung des Erbgutes darin sehen, einen Plan der Menschen oder der Föderation, um die Klingonen langfristig zu schwächen und sie den Menschen gleich zu machen.

Keine Frage: Es wäre äußerst unerwartet, wenn die Produzenten von Star Trek: Discovery derart starken Bezug auf die Geschehnisse des ersten Trek-Prequels nehmen würden. Außerdem wäre es vermutlich auch mutig, dieses Wissen einzubeziehen oder gar vorauszusetzen. Doch kann es sich hier wirklich um einen Zufall handeln?

Probleme unserer Zeit

Ein weiterer spannender Nebenaspekt dieser Story wäre der gesellschaftskritische Ansatz und die metaphorische Brücke zu unserer Zeit. Hier könnte man auf die Angst eingehen, die Kulturen umtreibt, die ihre Identität bedroht sehen, die fürchten, sich zu sehr anpassen zu müssen, weil sie in Sachen Religion oder Lebensweise anders ticken, als die großen Player dieser Welt. Hier könnte man seitens der Autoren von Weltpolitik bis zum täglichen Leben diverse Betrachtungen anstellen, die uns, unser Vorgehen, unsere Weltanschauung und die Art wie wir mit anderen umgehen, spiegeln und hinterfragen können. Spannend. Und irgendwie pures Star Trek. Einen Fan hätten sie damit schonmal gewonnen.

Nebenbei hätte man auch einen aus meiner Sicht großen Kritikpunkt ausgeräumt:  Die viel zu oft verwendeten Klingonen auf Kosten des Kanon erneut prominent einzusetzen. Wenn es kommt, wie hier beschrieben, könnte das alles nämlich tatsächlich Sinn machen - und dem Kriegervolk neues Leben einhauchen.

Björn Sülter ist als freier Redakteur unter anderem bei Onlinepublikationen wie Quotenmeter, Serienjunkies und auch Robots & Dragons aktiv. Im Printbereich schreibt er zum Beispiel für das Phantastik-Magazin Geek!. Der Autor und Musiker ist Fachmann in Sachen Star Trek. Seit 20 Jahren schreibt er über das langlebige Franchise.

Für Robots & Dragons wird er exklusiv die Entstehung der neuen Trek-Serie mit seiner Kolumne Sülters IDIC begleiten und sobald die Serie startet, auch für ausführliche Kritiken zu den Episoden sorgen. Der Name der Kolumne steht stellvertretend für das, was uns Trekkies auszeichnet: Einen offenen Geist zu behalten und die Vielfalt als etwas Wertvolles zu schätzen. Infinite Diversity in Infinite Combinations. Dazu gibt er in Sülters Warpkerkette regelmäßig Anekdoten über Star Trek zum besten.

Björns Homepage und somit viele seiner Artikel und Trek-Rezensionen erreicht ihr unter www.sülterssendepause.de

We must fight for one thing above all: to remain Klingon. #StarTrekDiscovery

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