Wie es die Tradition will, zeigte die BBC auch an diesem 1. Weihnachtsfeiertag das Christmas-Special von Doctor Who. Doch in diesem Jahr stand etwas Besonderes an - es übergibt nicht einfach nur ein Doctor-Darsteller dem nächsten den Tardis-Schlüssel, sondern es nehmen gleich einige langjährige Serienschaffende ihren Hut.
Frieden auf Erden
Als Grundgeschichte dient der "Weihnachtsfrieden" von 1914, als britische und deutsche Soldaten eigenständig die Waffenruhe ausriefen, um gemeinsam - so gut es im Schützengraben an der Westfront in Flandern möglich ist - Weihnachten zu begehen.
Das Szenario sorgt für die nötige Grundstimmung, hält sich ansonsten aber angenehm im Hintergrund. Es dient eher als Rahmen, um gleich zwei Doctoren bei ihrer Regeneration zu helfen. Denn sowohl der erste wie auch der zwölfte Doctor möchten gar nicht gehen oder weitermachen, sondern fliehen beim Beginn ihres Regenerationsprozesses an den Südpol.
Zwei Doctoren an so einem wichtigen Punkt in ihrem Leben mit zwei Tarden (Tardises), das muss natürlich zu Komplikationen führen - ein Problem mit der Timeline. Doch anstatt dass schon wieder die Welt oder gar das ganze Universum auf dem Spiel steht, irgendwelche Monster oder machthungrige Aliens angreifen, ist dieses Mal alles ganz harmlos.
Durch den Umstand offenbart sich die verdeckte Testimony-Initiative. Das Projekt aus der fernen Zukunft von New-Earth sammelt die Erinnerungen aller Menschen im Moment ihres Todes und schafft so eine Art Gedächtnis-Doppelgänger für die Ewigkeit. Sie können in "Glaskörpern" unsichtbar unter uns wandeln. Ohne Schäden, ohne böse Absichten.
So kann sich ganz auf das Zwischenmenschliche und die vielzähligen Abschiede konzentriert werden. Zudem bietet sich ohne viel Tamtam eine Erklärung für die Rückkehr von Pearl Mackie als Bill. Die Unkompliziertheit der Folge ist gerade im Vergleich zum Abschied von Matt Smith' Doctor vor fünf Jahren eine Wohltat. Hier stimmt ganz klar: weniger ist mehr!
Mit viel Gefühl und Nostalgie
Der Platz, den die übersichtliche Handlung lässt, wird gut mit jeder Menge Emotionen aufgefüllt und ermöglicht sämtlichen Darstellern, ihr Können zu zeigen.Wie schon im dokumentarischen Spielfilm Ein Abenteuer in Raum und Zeit schlüpft abermals David Bradley (Game of Thrones) in die Rolle des ersten Doctors, der ursprünglich von William Hartnell gespielt wurde. Gemixt mit Schwarz-Weiß-Szenen der ersten Staffel wird so der Beginn der Kultserie nicht nur aufgegriffen, sondern in gewisser Weise neu weitergeführt.
Im Vergleich zum ernsten, grimmigen ersten Doctor wirkt Peter Capaldis Version, die ja selbst ein eher rauer Charme auszeichnet, nahezu kindlich albern. Das kann durchaus erheitern, wird aber gegen Mitte der Episode dann langsam doch zu viel und einseitig. Hier hätte etwas mehr Charaktertiefe statt lediglich Nostalgie-Funktion gut getan.
Auch wenn die Handlung rund um den Weihnachtsfrieden eher Nebensache ist, so brilliert Mark Gatiss in der Rolle des Militär-Captains. Eher steif angelegten Figuren - wie etwa auch Mycroft Holmes - eine empfindsamere Seite zu geben und für komische Momente zu sorgen, ohne sie zur Witzfigur zu machen, scheint eines seiner besonderen Talente zu sein.
In etwa so, wie auch das Schaffen tiefer Emotionen mit nur der einfachen Nennung einzelner Begriffe eine Spezialität für Doctor Who ist. Ich war sicherlich nicht die Einzige, die bei der Nennung des vollen Namens eine Träne vergoss. Denn Captain Archibald Hamish Lethbridge-Stewart ist niemand geringerer als der Großvater des legendären Brigardier Alistair Gordon. Die aufregende Verbindung zwischen Familie Lethbridge-Stewart und dem Doctor hat gerade erst begonnen. Timey wimey.
Das Ende einer Ära
"Doctor, I let you go" mit diesen letzten Worten zu sich selbst verabschiedet sich Twelve und sie kommen wohl auch bei Steven Moffat aus dem Herzen.
Mit "Twice Upon a Time" übergibt nicht nur Doctor-Darsteller Peter Capaldi an seine Nachfolgerin Jodie Whittaker, sondern auch Moffat seinen Showrunner-Staffelstab an Chris Chibnall (Broadchurch). Seit acht Jahren hat er das Geschick der Serie geleitet, bereits seit zwölf Jahren schrieb er an den Drehbüchern mit.
Auch wenn der zwölfte Doctor sich erst von einer weiteren Regeneration überzeugen lassen muss - immerhin sei die Erinnerung nach einem solch langen Leben wie ein leeres Schlachtfeld, da alle anderen bereits gefallen seien -, so geht er den eigentlichen finalen Prozess dann deutlich entschlossener und positiver an. Seine (vor-)letzten Worte sind Ratschläge an sich selbst, die das Wesen des Doctors gut und knapp zusammenfassen: Laugh hard, run fast, be kind.
Einen großen Beitrag zur Schaffung der Gefühle lieferte bei Doctor Who schon immer die Musik. Entsprechend auffallend war in dieser Episode das Aufgreifen zahlreicher bekannter Themen. Besonders das Erklingen von "Vale Decem", dem Sound zur Regeneration von Ten, machte mich misstrauisch. Nach kurzer Suche bestätigt sich die Befürchtung: Auch der langjährige Komponist Murray Gold beendet seine Arbeit an der Serie. So beinhaltet der Score zum Weihnachtsspecial wie für eine Art Ehrenrunde Ausschnitte und Anleihen von zahlreichen seiner Melodien.
Fazit
"Twice Upon a Time" ist der krönende Abschluss der vorhergehenden überzeugenden zehnten Staffel. Steven Moffat zeigt auf seinen letzten Metern als Showrunner noch einmal, was in ihm steckt, und dass er durchaus zu einem Ende finden kann.
Hier geht es nicht um möglichst verschwurbelte Zeitreisen und überbordende Geschichten, sondern die Figuren und die Emotionen stehen im Zentrum. Und das ist auch gut so.
Onwards!