Kritik zu Dragon's Dogma: Von Anime-Optik und alter Spielegrafik

Es ist eine Diskussion, die sich viele Netflix-Animeserien gefallen lassen müssen: Können computergenerierte Modelle handgezeichnete Welten ergänzen - oder sogar ersetzen? Am Ende läuft das alles auf eine schwierige Geschmacksfrage hinaus, doch im Falle der siebenteiligen Serie Dragon’s Dogma liegt der Vergleich zum namensgebenden Videospiel von 2012 auf der Hand. Der Titel - ein japanisches Fantasy-Rollenspiel im Stil des europäischen Mittelalters - hat über die vergangenen acht Jahre eine kleine Fangemeinde in der Spielerschaft aufgebaut, aber trotz allerhand Gerüchten und Andeutungen ehemaliger Mitarbeiter noch kein Sequel bekommt. Die Ankündigung der Serie hat somit einige hungrige Münder zum aufhorchen gebracht, aber viele Fans haben nie damit gerechnet, enttäuscht werden zu können. Müssen sie jetzt diese Erfahrung machen?

Dazu muss auch die grundsätzliche Frage gestellt werden, ob eine animierte Serie überhaupt zu einem Videospiel passt - oder ob diese Umsetzung weg von der Interaktivität überhaupt nötig war. Denn Dragon’s Dogma bietet keine epische Fantasy-Geschichte, die sich einfach nacherzählen lässt. Die Erzählung war immer eher eine Nebensache, Standardkost mit einer bekömmlichen Wendung - sollte der Spieler das Ende sehen. Davor rückt aber klar das Gameplay in den Vordergrund, bekannt auch dafür, dass Spieler größere Monster wie Greifen, Zyklopen oder eben Drachen während des Kampfs zu beklettern können, um an Schwachpunkte zu kommen. Die Schöpfer der nur dünnen Umsetzung mit sieben Folgen versuchen das auch aufzugreifen, jedoch mit einer fragwürdigen Vorgehensweise.

Das Monster der Woche. Heute: Der Mensch

Wie im Spiel wird Protagonist Ethan harmonisch vorgestellt. Er lebt mit seiner Frau Olivia in einem wenig bemerkenswerten Dorf, was nach grotesken Visionen von einem riesigen Drachen heimgesucht wird. Damit ist die Rolle von Olivia auch beendet, die vor Ethans Augen verbrannt wird. Mit der neu eingeführten Figur wollen die Serienschöpfer wohl die Motivation des Protagonisten intensivieren, was jedoch eigentlich nicht nötig ist. Denn wie im Spiel reißt das Ungeheuer auch sein Herz aus der Brust, verspeist es und lässt ihn mit einem rachsüchtigen Ziel wiederauferstehen. An seiner Seite steht die kühle Hannah, die ihn nur als “Erweckten” bezeichnet. Die Ritterin selbst gehöre aber zu einer Gruppe namens “Vasallen”, die ihm bedingungslos dienen. Und genau an dieser Stelle weicht die Serie vom Videospiel ab - die Integration der eher als Spielmechanik taugenden, austauschbaren Vasallen bleibt weitgehend ohne Kontext. Vermutlich musste einfach eine weitere Frau her, nachdem Olivia für ihren Mann geopfert wurde.

Dragon's Dogma Pawn

Anschließend bleibt die Handlung um den Drachen quasi bis zur finalen Folge aus, stattdessen wird das bekannte “Monster der Woche”-Format adaptiert. Auch trägt jede Folge den Namen einer Todsünde, was zum Inhalt kaum und zur Vorlage so gar nicht passt. Ein übergreifendes Thema ist Menschlichkeit, denn das echte Monster hat am Ende dann doch keine Klauen und Flügel sondern zehn Finger und sanfte Haut. Auch dieses Prinzip wurde eher mäßig umgesetzt, so ist zwischen Kampfsequenzen und unumgänglichen Toden von Nebencharakteren kaum Platz für ein übergeordnetes Motiv. Dafür gibt es neben der Folge “Lust” mit obligatorischem Sukkubus viel nackte Haut, Vergewaltigungen und brutales Blutvergießen. Mit diesen Neueinführungen gegenüber des Spiels versuchen die Drehbücher wohl finsterer und erwachsener zu werden, wirkt an vielen Stellen aber eher plump, abstoßend und sogar albern.

Ist das eine Hauttextur oder kann das weg?

Statt dreidimensionale Oberweiten zu animieren und für viele weibliche Charaktere zweite, nackte Modelle zu texturieren, hätten viele Beteiligten vielleicht ihre Werke von einer gesunden Entfernung betrachten sollen. Im besten Fall einem Schritt acht Jahre zurück zur veralteten Grafik des Videospiels. Diese sieht nämlich im direkten Vergleich meistens besser aus. Oft ist das so wesentlich, dass beispielsweise gerade der so wichtige Drache fast wie eine Parodie seiner selbst wirkt. Manche Texturen wirken “matschig”, passen also kaum zu anderen Objekten, mit denen sie sich gerade in einer Szene befinden, andere Hintergründe passen aber adäquat ins Bild. Offensichtlich kommen die Inhalte nicht aus einem Guss, was nicht immens stört, aber für visuelle Verwirrung sorgen kann, wenn der Betrachter - etwa in einem Kampf -  versucht, den Überblick zu behalten.

Bekömmlicher ist hingegen die Regie, auch Kamerafahrten machen oftmals das Beste aus den vorhandenen Mitteln. Wenn Ethen gegen Zyklop, Hydra oder Greif antritt, glänzt die Serie mit Abstand am meisten. Wie auf der Playstation klettert der muskulöse Held an Beinen, Schuppen und Gefieder entlang, um den Bestien aus dem Nahkampf tödliche Schläge zukommen zu lassen. Die Animationen sind stimmig und wirken organischer als in anderen CGI-Serien. Im negativen Sinne erinnern die Bewegungen aber an Videospiele, wenn es um die Interaktion, oder mehr Kollision zwischen zwei Charakteren oder Objekten geht. Wenn Finger ein Schwert nicht umgreifen, sondern auch ein wenig in den Griff sinken oder lange Haare teilweise in der Kleidung verschwinden, nennt man “Clipping”. Das passiert in der Serie vor allem bei Berührungen zwischen Charakteren oder Monstern, was zwar nicht erheblich stört, aber das Gesamtbild auch nicht verbessert.

Dragon's Dogma Cyclops

Fazit

Es sind nur sieben 25-minütige Folgen, doch zwischen erschreckend brutalen Szenen, Nacktheit und gewöhnungsbedürftiger Optik stellt man sich als Zuschauer von Dragon’s Dogma eine Frage: Für wen genau ist dieser Anime eigentlich? Fans werden daran keinen Spaß haben, Neueinsteiger fragen sich, was genau diese obskure Adaption bedeuten soll und auch die Schöpfer scheinen ohne eine wirkliche Vision volle Fahrt ins Lizenz-Chaos gesteuert zu sein. Dass Umsetzungen ohne großartig komplexe Grundlagen alle Seiten glücklich machen, können zeigt Castlevania eindrucksvoll mit inzwischen drei Staffeln, doch Dragon’s Dogma dürfte Netflix’ Euphorie etwas dämpfen und die Verantwortlichen zukünftig hoffentlich vorsichtiger lizenzieren lassen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Netflix

Dragon's Dogma | Official Trailer | Netflix

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