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Berlin, November 1989: In den unruhigen Wende-Zeiten versuchen KGB, CIA und der britische Geheimdienst MI6 ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Denn eine Liste mit sämtlichen britischen Geheimagenten sowie ihren Identitäten ist verloren gegangen und alle verbliebenen Spione versuchen nun, diese Liste in ihre Hände zu bekommen. Darunter ist auch die MI6-Agentin Lorraine Broughton (Charlize Theron), die ein ganz persönliches Interesse hat, die Liste zu finden.
Schreck lass nach
Wenn die Schauspielerriege zu Beginn des Films zu lesen ist, sackt einem kurz das Herz in die Hose: Til Schweiger? In einem internationalen Action-Film? Mit leichtem Grausen denkt man da zurück an seinen Auftritt in King Arthur oder, noch schlimmer, Far Cry. Aber zum Glück hat Schweiger nur eine kleine Rolle in diesem Action- und Spionagefilm. Und der Schreck hält nicht lange an.
Direkt zu Beginn macht Atomic Blonde nämlich klar, dass er es mit zwei Sachen ernst meint: Gewalt und Stil. Die eröffnende Verfolgungsszene endet mit einem knochensplitternden Autounfall, sowie einem Blick über die düstere Wende-Silhouette Berlins, stark stilisiert und ein bisschen an Sin City erinnernd. Damit ist der Ton gesetzt.
Wie die Comic-Verfilmung von Frank Miller und Robert Rodriguez, setzt auch Atomic Blonde auf einen reduzierten Farbstil - allerdings nur in ausgewählten, stimmungsvollen Szenen. Dann fährt der Film den 80er-Jahre-Faktor hoch und präsentiert eine Neon-Optik, die aber in kühlen, violetten und blauen Farben gehalten ist. Das Ganze verleiht den Bildern oft einen eigenen Stil, eine Art Neon-Noir.
Alles in einem
Als solcher vereint Atomic Blonde mehrere Elemente in sich: Er ist ein Spionage-, ein Action- und in gewisser Weise ein Noir-Krimi-Film, in dem niemand dem anderen traut. Vor allem Letzteres führt am Ende zu Problemen, doch dazu später mehr. Insgesamt schafft es der Film mit Erfolg, die drei Genres zu vereinen.
Allerdings: Zwar versucht Atomic Blonde, manche Erwartungen zu untergraben, aber letztlich sind die präsentierten Geheimagenten alle ein bisschen klischeehaft geraten: Die CIA-Agenten sind ruchlose Gesellen, die Briten feine Gentle(wo)men, die Franzosen relativ ahnungslos, die Russen brutal und etwas einfältig. Es tut beim Sehen des Films nicht weh, aber da wären subtilere Charakterisierungen möglich gewesen.
Vor allem Lorraine Broughton wirkt wenig durchsichtig - vielleicht ist das gewollt, erschwert aber die Beziehung zwischen ihr und dem Publikum. Trotz einiger bedeutender Szenen schafft der Film es nur selten, eine emotionale Bindung aufzubauen.
Fäuste statt Gefühle
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Das erschwert am Ende auch die Nachvollziehbarkeit der Handlung. Die ist nämlich vor lauter Wendungen, gegenseitigem Misstrauen und Verrat am Ende etwas verworren und es fällt schwer, herauszufinden, wer eigentlich was will und warum. Das führt zu einer etwas undurchsichtigen Auflösung der Handlung und - noch schlimmer - dazu, dass einem die Hauptfigur etwas egal ist.
Dafür punktet der Film in seinem wichtigsten Element: Der Action. Die Kampfszenen sind spannend und ohne Rücksicht auf Altersfreigaben inszeniert. Wer Interesse an Kampfsport oder Selbstverteidigung hat, erfreut sich an den deutlich und nachvollziehbar gezeigten Techniken - insgesamt ist die Action hervorragend choreographiert. Das Highlight bildet eine lange Plansequenz gegen Ende, welche die Spannungsschraube gekonnt immer weiter anzieht. Hier kämpfen Broughton und ihr Gegner schließlich auch weniger gegen sich selbst, als vielmehr gegen die Schwerkraft und ihre eigenen, geschundenen Körper - einfach spannend!
Fazit
Auf der Handlungs- und Charakterebene hat Atomic Blonde definitiv Schwächen, die allerdings durch die handfeste Inszenierung und gelungene Actions ausgeglichen werden. Action-Fans haben ihre helle Freude, Spionage-Freunde können dem Film ebenfalls etwas abgewinnen.