Far From Home - Kritik zu Star Trek: Discovery 3.02

SPOILER

Wie erhofft steht in Episode 3.02 von Star Trek: Discovery die Crew im Fokus der Aufmerksamkeit. “Fern der Heimat” (OT: Far From Home) spiegelt die Auftaktfolge und entstand ebenfalls unter der kreativen Leitung der Drehbuchautoren Michelle Paradise, Jenny Lumet und Alex Kurtzman sowie Regisseur Olatunde Osunsanmi.

Von 0 auf 100

Raumschiffe wie Enterprise, Discovery und Co. gehören einfach nicht auf eine Planetenoberfläche. Das sieht optisch zwar eindrucksvoll aus, aber eben auch falsch - wie so ein gestrandeter Wal. Zum Glück wird in einem Nebensatz erwähnt, dass derlei Schiffe eigentlich nicht dafür gebaut sind, von einer Planetenoberfläche aus zu starten - aber wat mutt, mutt.

Die Reise durch Raum und Zeit hat der Discovery nebst Crew mehr zu schaffen gemacht als Burnham in ihrem Anzug. Zum Glück wachen Saru und Mannschaft gerade noch rechtzeitig auf, damit Detmer ihre unglaublichen Flugfähigkeiten unter Beweis stellen kann. Der schnelle Wechsel zwischen den einzelnen Verantwortlichen der Brückencrew beim Erarbeiten einer Problemlösung, lässt die (halbwegs bekannten) Charaktere nebst Zuschauer gemeinsam direkt in voller Action starten und hält die Szene zusammen. Das Schiff auf den Rücken zu drehen, um Schilde besser als Puffer nutzen zu können sowie kurz vor Bodenkontakt noch die Oberfläche durch Beschuss aufzulockern, ist schon clever. Warum zur Hölle es auf Raumschiffen keinerlei Sicherheitsgurte oder ähnliches gibt, wird sich wohl nie so ganz erschließen (jaja, ich weiß, Nemesis). Es kann doch nicht nur sein, weil alle Serienmacher das "Ionensturm-Gestolpere" so toll finden.

Alle feiern erleichtert Detmer für die Aktion, sie selbst kann sich aber nicht recht freuen und steht neben sich. Laut Medizincheck sei bei ihr alles in Ordnung, ist es aber ganz klar nicht. Möge Detmer bitte zu denen gehören, die frühzeitig klar ihre Bedenken und Symptome äußern. Klingt komisch, aber ich hoffe sehr, dass es posttraumatische Belastungsstörung oder ähnliches ist (was eine spannende Nebenhandlung mit diversen Darstellungsmöglichkeiten bietet) und NICHT auf Control in Detmers cybertechnischen Erweiterung hindeuten soll (was vermutlich eher verschwurbelt und augenrollend gelöst würde).

Der Crash lässt sich übrigens gleich nochmal mehr als optisches Spektakel bewundern, wenn man bedenkt, dass die komplette Postproduktion im Home-Office erledigt wurde.

We will not abandon what we believe

Ich habe an einer Ode für Saru gefeilt, aber es wollte mir (noch) nicht so recht gelingen - also erstmal plump: Ich liebe Saru ohnehin schon, und ihn im vollen Captain-Modus die Ideale der Sternenflotte verkörpern zu sehen, lässt mein Herz vor Freude beinahe überquellen.

Wie er direkt nach Erwachen aus der Bewusstlosigkeit die Situation erfasst und mit klaren Anweisungen an jeden Einzelnen das Ruder übernimmt, ist dabei erst der Anfang. Mehr als einmal macht Saru seine Position in dieser Episode freundlich, aber bestimmt deutlich ("I am not asking, I am telling you").

Ein führungsstarker, empathischer Sternenflotten-Captain ist genau das, was die Discovery schon lange braucht ("I’m talking because I’m scared" - "I know. Keep talking, Ensign"). Und dann gibt er auch noch durchaus sinnvolle Anweisungen - wie etwa, dass bis auf Weiteres immer mindestens zu zweit gearbeitet werden muss und man keinesfalls das Schiff verlassen soll, auch wenn draußen alles spannend ist.

You are dismissed.

Howdy, Fremder - Part II

Wie gut, dass diese Ansage nicht für den Captain und auserwählte Begleitung selbst gilt. Tilly hat per … irgendwie funktionierenden Scannern allerlei über den Planeten herausgefunden - welche Mode gerade so angesagt ist, dass Leben in künstlich geschaffenen, unterirdischen Lufteinschlüssen existiert und es auch genau den Rohstoff gibt, den es zur Reparatur der Discovery braucht.

Also geht es im Zweier-Team auf Außenmission aka kleiner Island-Spaziergang. Ob Tilly sehr enttäuscht ist, dass “No one has ever been here before" nicht stimmt, weil Burnham schon letzte Woche über scheinbar denselben Vulkangesteinabschnitt gestiefelt ist und man im Hintergrund touristische Wanderer des 21. Jahrhundert sieht? Nach dem Ego-Boost von Saru ("We are introducing us to the future. You, Ensign Tilly, are a wonderful first impression."), wird sie hoffentlich nicht zu geknickt sein.

Gelandet sind sie auf einem namenlosen Planeten, auf dem kräftig Tagebau betrieben wurde, was deutliche Spuren hinterlassen hat. Die Bewohner sind im Star-Trek-Universum keine Unbekannten, es handelt sich um Coridaniten, die fern der Heimat auf dem Kolonie-Planeten ausharren. Coridan selbst hatte einst reichlich Dilithium-Vorkommen, und es ist anzunehmen, dass zumindest vor "The Burn" auch auf der Kolonie danach geschürft wurde.

Wir bekommen jedoch nur die Überreste im "Westworld meets Westeros"-Stil zu sehen. Wieso zur Hölle sind im 32. Jahrhundert nach wie vor abgewetzte Ledermäntel die Standarduniform für Outlaw-Möchtegern-Bösewichte?

It’s part of what they are

"Starfleet Regulation 256.15 'Officers shall display behavior befitting an officer at all times' which is why we're not freaking out right now by being held at phaser-point by a bunch of strangers. It's actually really scary so could you please lower your weapons or, I don't know, tell us your names so one of those things isn't true?"

Tilly geht hier aufs Ganze und setzt darauf, dass der Großteil aller Wesen nicht vorrangig aggressiv und bösartig ist. Sie ist zwar immer noch ein Azubi, aber eben absolut Sternenflottenmaterial, und die Regularien helfen hier in Unsicherheiten - zum Glück mit Erfolg. Kal weiß prinzipiell von der Föderation und ist ihr positiv gegenüber eingestellt. Wer sich als Sternenflottenmitglied zu erkennen gibt, hat sein Vertrauen.

Nun wissen wir, dass ganz bestimmt nicht jedes Sternenflotten- und Föderationsmitglied stets Gutes im Sinn hat. Zwar ist die Föderation in Kals Welt nicht komplett verschwunden, und es gibt vereinzelt Sternenflottenschiffe, aber noch ist uns nicht bekannt, in welcher Form diese weiterhin besteht und betrieben wird - auf jeden Fall ziemlich zusammengeschrumpft und für die meisten nicht präsent, schon beinahe eine Legendenerzählung vergangener Zeiten. Wie es mit fernen Konzepten oft ist, werden sie auch gerne mal überhöht und sich an die Idee einer derartigen Institution geklammert. Umso trauriger, dass wir Kal nicht irgendwann am Ende der Staffel als Ensign der Sternenflotte in der neuen Föderation sehen werden.

Ausgerechnet der schnöde Möchtegern-Bösewicht Zareh hingegen könnte noch einmal auftauchen, so fern er denn das parasitäre Eis überlebt. Sollte Sarus "es liegt nicht in unserer Hand über ihn zu entscheiden, wir bringen ihn nicht um" irgendwie nobel oder so wirken, nachdem sie die namenlosen Handlanger kurz davor im Kampf getötet haben (ein paar vielleicht nur kräftig betäubt, aber ein Genickbruch war mindestens dabei)?

Zwar werde ich bei kämpfender Georgiou immer ein wenig die Augen drehen ebenso wie bei Deus-Ex-Georgiou als Retterin in letzter Minute, aber immerhin nehme ich der Kombi Georgiou und Saru mit seinen Post-Vahar’ai-Superkräften eher ab, in absoluter Unterzahl und ohne fancy moderner Waffen die Gegner zu erledigen. Mehr als Burnham und Booker bei ihrem Kampf-Workout auf dem Kurier-Markt nebst Tour durch Island.

Auch wenn sich Georgiou Captain Saru erst einmal unterordnet, ist nicht recht klar, warum man sie überhaupt frei rumlaufen lässt. Ab in die Brick, vielleicht sogar mit intensiver Betäubung außer Gefecht gesetzt - sie ist doch ein viel zu großes Risiko für alle. Und genau wie jeder andere auf dem Schiff hat sie alles verloren und keinerlei Autorität mehr, egal wie oft sie von Sektion 31 redet. Sie mag ab und an im richtigen Moment auftauchen und helfen, aber sie ist zu unberechenbar, macht vor allem Ärger und würde Saru am liebsten essen.

Helpless is a shitty feeling

An Bord der Discovery wird fleißig daran gearbeitet, das Schiff wieder startklar zu machen. Wie erhofft bekommen wir etwas mehr von der Crew zu sehen. Brücken-Nebencharaktere wie Bryce und Owosekun tauchen zwar nur kurz auf, aber immerhin mit Namen und auch Linus darf was sagen und Georgiou als Fernrohr dienen.

Wen ich ehrlich gesagt verdrängt und beinahe komplett vergessen hatte, ist Nhan. Rachael Ancheril ist für Staffel 3 zum Hauptcast gestoßen. In diesem Fall begrüße ich die kurze Wiederholung: Sie ist von der Enterprise zur Discovery gewechselt und hat sich für die Reise in die Zukunft entschieden, um Airiam (die sie aus der Luftschleuse geschmissen hat), zu ehren. Hier dient sie nun als neue Sicherheitsoffizierin (nehme ich an), die noch lernen muss, insbesondere Georgiou nicht alles zu glauben.

Mehr Screentime erhält die Beziehung Stamets-Culber. Als Fan von Krankenhausserien war die herzliche Triage “Oi, wach aus dem Koma auf, wir brauchen das Bett!" ebenso ein gern gehörtes Gimmick wie die liebevollen Neckereien. Culber ist nach seiner Rückkehr von den Totgeglaubten und totaler sozialer Isolation in der Sporen-Zwischenwelt erstaunlich schnell zurück mit alter Stärke auf der Krankenstation. Da kann er natürlich nicht erwarten, dass Stamets auf seine Anordnung hört und das Bett hütet, bis er wieder komplexe Sätze buchstabieren kann. Wir haben genug Star Trek gesehen, um zu wissen, dass man Sternenflottenoffiziere dafür schon betäuben oder festketten müsste.

Dies wird zum Glück gleich selbst thematisiert, mit der Hilfe von Tig Natoros Alter Ego Jett Reno. Die Chefingenieurin macht sich einen Spaß daraus, den schmerzleugnenden Stamets zu quälen, während sie selbst von chronischen Schmerz geplagt ist und unter starken Medikamenteneinfluss steht. Ein wenig kommt Pille/Spock-Nostalgie hoch beim Schlagabtausch, als Stamets durch die Jeffries-Röhre kriecht.

Die einen klammern sich an ihre Arbeit und Sternenflottenideale, andere an Liebe oder eben liebgewonnene fiese Neckereien. Whatever floats your boat and keeps you sane, mate. Und das eine ganze Folge lang, ohne Burnham. Also fast. Am Ende taucht sie doch noch als Retterin in der Not auf und befreit den gestrandeten Wal Discovery aus den Fängen des White-Walker-Eises. Lediglich ein Jahr Zeitunterschied bei einem derartigen Sprung ist ja wirklich harmlos - gibt uns aber die Möglichkeit eines Schnelleinstiegs in die neuen Gegebenheiten, ohne Burnham über mehrere Folgen bei der Suche nach der Discovery zugucken zu müssen.

Fazit

Die ersten beiden Episoden spiegeln sich und bieten zusammen einen vielversprechenden Start in die Staffel und vielleicht gar die Zukunft von Star Trek: Discovery. Ich begrüße die Entscheidung, die Ankunft in der neuen Welt aufzuteilen und so der Geschichte und den Charakteren jeweils genug Zeit und Raum gegeben zu haben. Die Crew ohne Burnham agieren zu sehen ist eine Freude, das Schiff hat endlich einen würdigen Captain (Pike war ja mehr Gastspieler), die Folge ist in sich stimmig erzählt und mit ganz viel positivem Star-Trek-Gefühl versehen.

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