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Hank (Paul Dano) sitzt auf einer einsamen Insel im Pazifik fest und will sich eigentlich das Leben nehmen. Da wird eine Leiche (Daniel Radcliffe) angeschwemmt, die unablässig furzt. Hank nennt sie Manny, funktioniert sie dank der Fürze in einen Jetski um und kann von der Insel fliehen. Anschließend schlagen sie sich durch einen Wald bis zur Zivilisation vor. Während ihrer Tour durch den Wald entwickelt sich eine ungewöhnliche Beziehung zwischen den Beiden.
Frohsinn mit Körperfunktionen
Fäkalhumor. Über nichts scheiden sich die Geister so sehr wie Pipi-Kacka-Witze. Deshalb vorweg: Wer mit Flatulenzen, Gesprächen über Masturbation oder ein bisschen Exkrementen so absolut überhaupt nichts anfangen kann, der braucht den Film nicht zu schauen. Für diese Leute ist Swiss Army Man nur ein dummer Film mit pubertärem Humor und pseudo-tiefgründiger Handlung, die durch Furz-Witze kaputt gemacht wird.
Alle anderen: Willkommen in der Welt post-pubertären Flatulenz-Humors, hinter dem sich ein überraschend guter und witziger Film verbirgt. Er beginnt absurd mit einem Furz-Jetski und steigert sich hin zu einer sprechenden Leiche, die sich an nichts erinnern kann. Im Verlauf von Hanks und Mannys Wanderung durch den Wald besprechen die beiden daher vielfältige Themen. Vor allem eines hat es den beiden angetan: Sarah, das Mädchen, das Manny als Hintergrundbild auf seinem Handy hat. Bei dem Gedanken an ihr regt sich Mannys Penis und zeigt den beiden Männern den Weg zur Zivilisation. Ja, richtig, Mannys Penis fungiert als Kompass, was beide recht geschockt zur Kenntnis nehmen. Denn Manny ist schließlich eine Leiche.
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Eine Mehrzweckleiche allerdings. Je mehr Zeit Hank und Manny miteinander verbringen, desto mehr verwandelt Manny sich in ein Schweizer Taschenmesser: Er dient als Wasserspeicher, Rasierapparat, Maschinengewehr oder Spaltbeil. Aber die sprechende Leiche ist für Hank mehr als nur ein Werkzeug. Denn Manny hat scheinbar alles aus seinem früheren Leben vergessen und löchert ihn beständig mit Fragen nach alltäglichen Begriffen. So erklärt Hank einer Leiche die Grundlagen menschlicher Beziehungen. Allerdings wird schnell klar: Hank unterrichtet eher sich selbst über seine angelernten Verhaltensweisen, sein Begleiter dient ihm nur als Spiegel für sein eigenes Verhalten.
Fast nekrophile Homoerotik
So auch in Bezug auf Sarah. Hank versucht, Manny dazu zu bringen, sich an sein vergangenes Leben zu erinnern, indem sie die Bus-Szene nachstellen, in der sich Manny und Sarah wahrscheinlich kennenlernten. Dazu bauen sie aus Schrott und Stöcken einen Bus nach und proben verschiedene Herangehensweisen. Hank nimmt dabei die Rolle von Sarah ein. So nähern sich Manny und Hank/Sarah Schritt für Schritt an - inklusive leichter homoerotischer Untertöne. Allerdings wird dies alles mit einem gewissen Augenzwinkern gezeigt - nicht zuletzt aufgrund der absurden Situation der Männer.
Überhaupt regiert im Film das Absurde . Das geht sogar soweit, dass sich Hank und Manny ihre eigene Welt im Wald basteln, recycelt aus den Abfällen der Zivilisation. Und für einen kurzen Moment zweifeln beide, ob es sich überhaupt lohnt, in diese zivilisierte Welt mit ihren Zwängen und Tabus zurückzukehren. Es ist dieser wunderbar gelungene Spagat zwischen ernsten Themen und Furzwitzen, die dem Film einen eigenen Ton verleihen. Als Zuschauer ist nie ganz klar, wann und ob sich Swiss Army Man selbst ernst nimmt.
Wenig Handlung, viel Montage
Dabei hat der Film auch kleine Schwächen. So ist das Ende sich nicht ganz schlüssig, welchen Weg es beschreiten will und lässt das Publikum ein wenig hängen - selbst wenn man kein Problem mit offenen Enden hat. Außerdem passiert in der Mitte des Films eigentlich wenig Bedeutendes, was aber durch geschickte Montagen gut kaschiert wird.
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Klar wird allerdings am Ende: Swiss Army Man polarisiert. Auf der Premiere beim Sundance Festival haben Gäste aufgrund der fiktiven Flatulenzen den Saal verlassen - und das sind Leute, die Indie-Filme und ihre bisweilen mutigen Tabubrüche gewohnt sind. Zweifellos wird der Film des Regie-Duos Dan Kwan und Daniel Scheinert auch hierzulande Zuschauer enttäuschen. Aber diese Enttäuschten können ja mal wieder einen Art-House-Film schauen.
Fazit
Swiss Army Man ist ein witziger, unterhaltsamer, überraschend tiefgründiger und vielleicht sogar nachdenklich stimmender Film. Wer sich auf gezielten, etwas pubertären Fäkalhumor einlassen kann, wird definitiv einen der besseren Filme diesen Jahres zu sehen bekommen.