Willkommen Zuhause! - Kritik zu Es Kapitel 2

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Stephen Kings Es Kapitel 2

Seit den Ereignissen von Es Kapitel 1 sind 27 Jahre vergangen. Die Mitglieder des Klubs der Verlierer hat es über gesamten Vereinigten Staaten von Amerika verstreut, lediglich einer ist in Derry verblieben. Und so ist es Mikes (Isaiah Mustafa) Aufgabe, seine Freunde wieder in der Stadt zu versammeln, um erneut den Kampf gegen Pennywise (Bill Skarsgård) aufzunehmen. Schließlich hatten sie sich als Kinder geschworen, zurückzukehren, sollten sie Es nicht vernichtet haben.

Schon vor dem Kinostart von Es Kapitel 1 war klar, dass Regisseur Andy Muschietti mitten in den Produktionsplanungen für Kapitel 2 steckte. Und er hat alles anscheinend perfekt geplant, startet die Fortsetzung wie vorgesehen zwei Jahre später in den Kinos. Muschietti sprach vorab davon, dass er den Horror-Aspekt aufgedreht hätte, sich aber ebenso auf den Coming-Of-Age-Part konzentrieren würde. Eins sei vorab gesagt: Den größeren Horror-Aspekt beschreibt der Regisseur sehr optimistisch und vermutlich eher aus Marketing-Gründen.

Dies könnte unter anderem an der Tatsache liegen, dass Pennywise nun kein Unbekannter mehr ist und sich das Publikum an den Clown leidlich gewöhnt hat. Spannend ist die Fortsetzung, keine Frage. Jedoch sind in Kapitel 2 wesentlich weniger nervenzerfetzende Momente vorhanden als noch im Vorgänger. Gerade dies tut der Geschichte jedoch gut, da Jump Scares und Szenen, die vor Spannung kaum auszuhalten sind, eher ablenkend wirken können.

Damit Pennywise auch morgen noch kraftvoll zubeißen kann

Blut darf aber dennoch spritzen, und das nicht zu knapp. Schließlich hat Pennywise Hunger und darf auch in der Fortsetzung kraftvoll zubeißen. Den Auftakt bildet eine den Buchfans wohlbekannte Szene, die auch bereits in den Trailern angedeutet wurde. Der Angriff auf den homosexuellen Adrian Mellon, für den King seine Inspiration aus einer wahren Begebenheit zog, zeigt allerdings nicht nur die Grausamkeit von Es, sondern vielmehr auch, wie grausam auch noch heutzutage mit vermeintlichen Randgruppen umgegangen wird. Denn an dieser Stelle sollte sich das Publikum bewusst machen, dass die Geschichte um den erwachsenen Verlierer-Klub im Jahr 2016 spielt.

Das Ereignis um Adrian ist dann für Mike der Auslöser, seine Freunde aus Kindheitstagen anzurufen. Diese Szenen gestalten sich knackiger als noch in der Mini-Serie aus dem Jahr 1990. Mit wenigen Sätzen und Gesten ist klar, was aus Bill (James McAvoy), Ben (Jay Ryan), Beverly (Jessica Chastain), Eddie (James Ransone), Richie (Bill Hader) und Stan (Andy Bean) geworden ist. Und ebenso klar ist, dass sich offenbar bis auf Mike keiner mehr an die Ereignisse aus ihrer Kindheit erinnern kann …

Besetzung? (Fast) alles richtig gemacht

Wie angekündigt ist die Fortsetzung nicht rein auf die Handlung nach 27 Jahren beschränkt, das Drehbuch springt in den entscheidenden Momenten zurück in den Sommer 1989. Hier wird die gelungene Besetzung besonders deutlich. Die Ähnlichkeit zwischen den Erwachsenen und Jugendlichen ist mitunter frappierend und damit stimmiger als in der Erstverfilmung. Gerade Jack Dylan Grazer und James Ransone sehen sich so ähnlich, dass es leicht ist, den jugendlichen Eddie im erwachsenen Darsteller zu erkennen. Und auch Jay Ryan, dessen Figur wortwörtlich die größte Veränderung in der Geschichte durchgemacht hat, lässt Züge des Ben durchblitzen, wie er als Kind von Jeremy Ray Taylor dargestellt wurde.

Einen kleinen Punktabzug gibt es lediglich bei Jessica Chastain. Sie ist optisch eine gelungene Wahl für die ältere Beverly, jedoch war die Darstellung von Sophia Lillis fragiler. Die erwachsene Beverly gibt sich zwar nach außen hin stark, allerdings zeigt auch der Film, dass Beverly eine gebrochene Person ist - aber leider bringt Chastain dies nicht überzeugend auf die Leinwand. Sie konzentriert auf zwei Emotionen: Tough oder hysterisch in Tränen aufgelöst. Schade. Denn der Rest der Darstellerriege zeigt, dass es auch anders geht.

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Hierbei spielt sich vor allem Bill Hader mit Recht in den Vordergrund. Sein erwachsener Richie zeigt, dass die große Klappe, die er als Jugendlicher an der Tag gelegt hat und ihn so manches Mal beinah um Kopf und Kragen gebracht hätte, wie erwartet daher rührt, dass er damit seine Unsicherheit überspielen wollte. Und so balanciert Hader gekonnt zwischen einem liebenvollen Großmaul und der sensiblen Person, die Richie eigentlich ist. Jemand, dem seine Freunde am wichtigsten sind, und die er um jeden Preis beschützt. Das Drehbuch nimmt sich die Freiheit heraus, mit einigen Beweggründen noch etwas weiter zu gehen. Ob dies jedem passt, sei dahingestellt. Im Kontext funktioniert der Kniff jedoch.

Wie war das noch mit diesem Ritual von Chüd?

Bereits im Vorfeld kündigten Drehbuchautor Gary Dauberman und Regisseur Muschietti an, dass das Ritual von Chüd in der Fortsetzung erstmalig eine Rolle spielen würde. Das Ritual hat King in der Buchvorlage ausführlich, aber auch komplex beschrieben, sodass die Erstverfilmung sich davor gedrückt hatte. Der Ansatz, den das Kreativteam für Kapitel 2 entwickelt hat, ist dann auch eine sehr freie Interpretation und wirkt nicht immer elegant. Unterm Strich funktioniert die Idee jedoch - allerdings sollte der eine oder andere Buchleser hier ein Auge zudrücken.

Was die Geschichte jedoch gekonnt erzählt, ist die Freundschaft des Verlierer-Klubs. Wie es in guten Freundschaften üblich ist, ist auch hier nicht immer alles eitel Sonnenschein. Die unterschiedlichen Charaktereigenschaften der Figuren und wie sie aufeinanderprallen, ist gelungen. Meinungsverschiedenheiten werden so ehrlich und leidenschaftlich ausgetragen, wie es nur unter Freunden geschehen kann. Dass sie dann aber immer füreinander da sind, erzählt die Handlung nicht plakativ. Vielmehr tragen die Darsteller solche Momente und zeigen damit, dass es schwierig ist, sich für die einzelnen Rollen andere Darsteller vorzustellen (nagut, auch bei Jessica Chastain fällt es schwer …).

Coulrophobie, die: krankhafte Angst vor Clowns

Gewohnt gekonnt zeigt Bill Skarsgård, warum Pennywise der Stoff ist, aus dem Albträume gemacht sind. Es wirkt, als hätte der Clown aus den Ereignissen des Sommers 1989 gelernt; nun geht er wesentlich manipulativer und gekonnter vor, wenn er Jagd auf Kinder macht. Da darf auch ein Pennywise einmal traurig ein Schippchen ziehen, um seinen Willen zu bekommen, ohne dabei lächerlich zu wirken. Und Skarsgård kann übrigens in der Tat seine Augen unabhängig voneinander bewegen, dabei handelt es sich nicht um CGI …

Wie allerdings bereits die Mini-Serie hadert Kapitel 2 ein wenig mit der Darstellung von Pennywise’ wahrer Form. Da hilft kein gutes CGI, keine gute Kameraeinstellung: Sobald der Clown seine Maske mehr oder weniger fallen lässt, verliert er seine Bedrohlichkeit. Dankenswerterweise ist der Ansatz dieses Films jedoch kein kompletter Schuss in den Ofen, da die Geschichte ihr Publikum zum großen Showdown komplett in ihren Bann gezogen hat.

Das entschädigt auch für das Sitzfleisch, das der Zuschauer haben muss. Ganze 165 Minuten dauert die Fortsetzung, entwickelt aber zum Glück wenig Längen im Erzähltempo. Und wenn sich die Geschichte beruhigt, zaubert sie die eine oder andere Überraschung aus dem Hut. Neben einem offensichtlichen Gastauftritt dürfte das geübte Auge eine weiteren Überraschungsgast ausfindig machen. Und sich darüber freuen, dass Muschietti und sein Team weder das Buch noch die Mini-Serie damit ignorieren.

Fazit

Es Kapitel 2 bringt die Geschichte um Pennywise und den Klub der Verlierer zu einem gelungenen Ende. Das gut besetzte Ensemble entführt das Publikum gekonnt nach Derry und legt den Fokus mehr auf die Freundschaft, denn auf den Horror. Es ist schön, nach Hause zu kommen.

IT CHAPTER TWO - Final Trailer [HD]

Stephen Kings Es Kapitel 2
Originaltitel:
It Chapter Two
Kinostart:
05.09.19
Regie:
Andrés Muschietti
Drehbuch:
Gary Dauberman
Darsteller:
Bill Skarsgård, Sophia Lillis, Jessica Chastain, James McAvoy, Bill Hader, James Ransone, Andy Bean, Jay Ryan, Isaiah Mustafa
Der erwachsene Klub der Verlierer muss sich erneut Pennywise stellen.

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