Kritik zu Blacksad – Under the Skin: Ein tierischer Detektiv-Thriller im düsteren Noir-Setting

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Blacksad

Eine Gastkritik der Let's-Playerin Sam Em.

Als Adaption der gleichnamigen, spanischen Comicserie von Juan Diaz Canales und Juanjo Guarnido, schaffte es die Figur des smarten, schwarzen Katers John Blacksad nun auch in die Welt des Gamings. Das spanische Entwicklerteam Pendulo Studios, die für Point and Click Adventures wie The Next Big Thing oder Runaway bekannt sind, nahmen sich der Sache an. Sie kreierten ein düsteres und von anthropomorphen Tieren bevölkertes New York City der 50er Jahre, in dem Korruption, Verrat und illegale Machenschaften regieren.

Auch der frühere Kriegsveteran und Privatdetektiv John Blacksad versucht sich in Zeiten wie diesen, über Wasser zu halten. Schlecht bezahlte Jobs, Schulden und Sorgen bestimmen seinen Alltag, doch ein neuer Fall lässt nicht lange auf sich warten. Als der Boxclubbesitzer Joe Dunn tot aufgefunden wird, beauftragt seine Tochter und Erbin Sonja, die nun die Leitung des Clubs übernehmen muss, den Detektiv mit der Lösung des Falls.

Äußerlich weist alles auf Selbstmord hin, doch Blacksads analytische Katzensinne erkennen schnell, dass wesentlich mehr dahintersteckt. Aus welchem Grund sollte Joe Dunn sich erhängen? Wer war in jener Nacht bei ihm? Und warum ist sein Star-Boxer Bobby Yale, dem bald ein wichtiger Kampf bevorsteht, plötzlich spurlos verschwunden? Ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel beginnt, das den Spieler tief in die Eingeweide einer verruchten und skrupellosen Gesellschaft führt und selbst einen erfahrenen Detektiv an die Grenzen seines moralischen Denkens stoßen lässt.

Ein Story-Schatz im Pappkarton

Was bereits zu Beginn des Spiels ins Auge sticht, sind die vielschichtigen, interessanten und charakterstarken Figuren. Sowohl der Originalton als auch die deutsche Synchro können sich sehen lassen. Fans des Genres werden hier auf ihre Kosten kommen, denn die Story ist zwar größtenteils linear, hält aber viele Überraschungen bereit und sorgt für unvorhergesehene Wendungen im Spiel.

In starkem Kontrast dazu, steht allerdings der Grafikstil, denn der ist eher gewöhnungsbedürftig. Während der überragende Soundtrack in rhythmischer Jazz-Musik sowie innovative Dialoge es schaffen, die Liebe zum Detail erkennen zu lassen, ist die Optik im Vergleich geradezu statisch und emotionslos. Mimik und Gestik der Charaktere wirken für ein Spiel, das einen eher realistischen Stil anstrebt, unausgereift und auch die teilweise sehr leere Umgebung schafft es nicht wirklich, eine Stimmung à la Noir einzufangen.

Interessante Spielereien, wie die Hall of Fame – ein Sammelkartenalbum, dass wir mit Sportkarten füllen können, auf die wir während des gesamten Spiels stoßen – trösten jedoch ein wenig über die verlorene Atmosphäre hinweg. Generell lohnt es sich, das Menü genauer in Augenschein zu nehmen, denn auch das Laden des Spielfortschritts wird als liebevoll gestalteter Comic dargestellt, in dem man die bisher gespielte Geschichte noch einmal nachlesen kann.

Der tiefgreifende Erzählstil ist das Herzstück des Spiels, denn er beschönigt nichts und lässt den Spieler die Härte dieser Welt deutlich spüren. So stoßen wir unter anderem auf Rassismus, engstirnige Geschlechterbilder, Kriegstraumata und sitzen an einem Tisch mit Gewalttätern, die selbst vor Kindern nicht haltmachen. Gut, dass dem Spieler die Möglichkeit gegeben wird, sich von dieser Skrupellosigkeit zu distanzieren, indem er selbst entscheiden kann, wer er sein will. Mit Hilfe von mehreren Frage- und Antwortmöglichkeiten innerhalb des Dialogsystems können wir über den Ausgang der Story und damit auch unseren Charakter entscheiden. Dabei gilt die Devise: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben!

Blacksad Under the Skin

Entscheidungen, die wir zum Vor- oder Nachteil einer Person (oder in dem Falle eines Tieres) treffen, haben durchaus Einfluss auf den späteren Erfolg unserer Detektivarbeit. Während in einem Dialog Mitgefühl und Vorsicht gefragt sind, braucht es bei einem anderen Scharfsinn und Hinterlist, um an die nötigen Informationen zu kommen. Ein Großteil dieser Entscheidungen muss unter Zeitdruck gefällt werden, denn in regelmäßigen Abständen läuft ein Timer ab, der den Spieler zu einer schnellen Entscheidungsfindung zwingt. Ist er zu langsam, entscheidet der Zufall, was vor allem in storyrelevanten Sequenzen mehr Frust als Lust erzeugt. Selbst schnelle Leser kommen hier an ihre Grenzen. Wer also vorhat, das Spiel im Originalton zu spielen, sollte sehr gute Englischkenntnisse in Schrift und Sprache mitbringen.

Wichtige Entscheidungen, die Blacksads Geschichte nachhaltig beeinflussen, werden durch ein Symbol am oberen Bildschirm dargestellt. Besonders positiv fällt auch die Charakterstatistik ins Auge, die wir unter "Mein Blacksad" im Menü einsehen können. Ein gelungener Zusatz, der sich durch erreichte Fortschritte im Spiel gestaltet und die individuelle Persönlichkeit unseres Blacksads transparent zusammenfasst.

Klingt ganz nach Spaß und guter Laune! Wenn da nicht das Gameplay wäre ...

Ein wahrer Katzenjammer ist leider die technische Umsetzung des Spiels. Zwar weisen die Entwickler schon zu Beginn darauf hin, dass ein Gamepad die sinnvollere Wahl ist, doch auch das tröstet nicht darüber hinweg, dass die Steuerung in der Third-Person-Perspektive umständlich und schwerfällig ist. Blacksad in die gewünschte Richtung zu lenken erfordert einiges an Geduld und die fehlende Option, Dialoge zu überspringen, wenn man doch mal den falschen Hotspot erwischt (was definitiv vorkommt), lässt dem Spieler schnell graue Haare wachsen.

Nervige Bugs, Ruckler und Soundprobleme gibt es in allen Facetten, die für einen Preis von rund 30 Euro wirklich nicht hätten sein müssen und den Eindruck hinterlassen, als wäre auch während der Entwicklung der Timer zu schnell abgelaufen. Ellenlange Ladezeiten unterstreichen die Problematik noch, und eingebaute Quick-Time-Events, die gern bei Schlägereien zum Einsatz kommen, wirken nicht nur wie zäher Kaugummi, sondern machen sich selbst überflüssig, sobald der Spieler bemerkt, dass Blacksad mehr als neun Leben hat und gar nicht sterben kann. Wir können es also wieder und wieder und wieder versuchen, wodurch vor allem actionreichen Sequenzen der Fahrtwind genommen wird.

Blacksad Under the Skin

Sherlock Holmes lässt grüßen!

Fans des Adventure-Genres werden sich sicher schon gefragt haben, wann endlich die Rätsel zur Sprache kommen. Die gibt es zwar auch in diesem Spiel, allerdings etwas abstrakter als gewohnt. Während wir mit Hilfe unserer Katzensinne Hinweise aus unserer Umgebung sammeln, gibt es die Option, in Blacksads Gehirn zu switchen, um aus den gesammelten Informationen sinnvolle Schlussfolgerungen zu kombinieren.

Wer mit der bekannten Videospielreihe rund um Sherlock Holmes vertraut ist, wird die Ähnlichkeit zu Sherlocks Gedankenpalast sofort erkennen. Das Prinzip ist dasselbe, nur die Struktur ist recht einfach gehalten und nicht sehr kompliziert. Schnell hat der findige Spieler den Dreh raus. Schwierig wird es dann, wenn man einen genaueren Blick auf die Sinnhaftigkeit einiger Schlussfolgerungen wirft, denn diese sind teilweise alles andere als einleuchtend. Oft liegt die Lösung längst auf der Hand, aber die Hinweise, die man für die richtigen hält, wollen in Blacksads Universum einfach nicht zusammenpassen. Mr. Holmes hätte darüber sicher nur den Kopf geschüttelt, doch wenn wir in der Story fortfahren wollen, kommen wir um einige lästige Rätselspielchen nicht herum.

Schwarz ist nicht gleich schwarz

Auch an anderen Stellen des Spiels treffen wir auf interessante Informationen, die viel Tiefsinnigkeit versprechen, jedoch nicht ganz zu Ende gedacht scheinen und sich widersprechen. Besonders die Thematik des Rassismus spielt während der Story eine wiederkehrende Rolle und schnell sieht man sich mit der Frage konfrontiert, wie das im Tierreich überhaupt funktionieren kann. In der Welt von Blacksad äußert sich Rassismus nicht über die Rasse der Tiere, sondern über die Fellfarbe. Kurioserweise bekommen wir als schwarzer Kater davon im gesamten Spiel allerdings gar nichts zu spüren, unser schwarzer Gorillakumpel dafür aber umso mehr. Das Thema ist zwar gut in die Story integriert, spart jedoch sehr an weiterer Aufklärung und lässt den Spieler letztendlich doch mit vielen Fragen zurück.

Fazit

Wer bereit ist, in puncto Spielemechanik und -design beide Augen ganz fest zuzudrücken, kann mit Blacksad – Under the Skin eine tiefgreifende, spannende, grausame Geschichte von circa acht bis zehn Stunden Spielzeit erleben, die wahrlich unter die Haut geht! Die Rätsel sind nicht immer schlüssig, aber definitiv machbar und auch trotz einiger Fehler vermittelt das Spiel eine Atmosphäre, die zwar an vielen Stellen schwächelt, sich aber nicht unterkriegen lässt.

Wer Lust auf das Spiel bekommen hat, kann auch gern auf meinem Video vorbeischauen und das Ganze mit eigenen Augen verfolgen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Pendulo Studios / Microïds

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