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Ein Autor sitzt während einer Drehpause mitten in der Wüste auf einem Felsen. Plötzlich kommt ihm der Gedanke, was wäre, wenn dort unten im Sand etwas auf ihn lauern würde und er den Stein nicht mehr verlassen könnte. Das hätte die Geburtsstunde eines billigen C-Movies wie Sand Sharks, welchen das berüchtigte Filmstudio The Asylum 2011 wirklich drehte, sein können. Der Mann auf dem Felsen hatte ein wenig mehr Talent. Aus seinem simplen Gedankenspiel entstand einer der unterhaltsamsten Monsterfilme: Tremors – im Land der Raketenwürmer.
S. S. Wilson (Nummer 5 lebt!), der in der Wüste an einen Lehrfilm für das US-Militär mitwirkte, arbeitete seine Idee später zusammen mit dem Autor Brent Maddock (Wild Wild West) zu einem fertigen Drehbuch aus. Sie holten den Regisseur Ron Underwood an Bord und waren selbst überrascht, als Universal Pictures ihrem Projekt nach mehreren Ablehnungen grünes Licht gab.
Im Tal der Raketenwürmer
Die beiden Gelegenheitsarbeiter Val McKee und Earl Bassett wollten das kleine Wüstendorf Perfection eigentlich gerade für immer verlassen. Doch am Ausgang des Tals entdecken sie einen Toten auf einem Strommast. So kehren die beiden mit dem Leichnam wieder nach Perfection zurück. Doch dort kann man die Polizei nicht verständigen, weil die Telefonleitungen kaputt sind.
Val und Earl müssen zudem feststellen, dass die einzige Straße aus dem Tal verschüttet ist. Nachdem sie weitere Tote entdecken, glauben die beiden zunächst, ein irrer Serienkiller triebe in der Wüste sein Unwesen – bis ein merkwürdiger Tentakel aus den Boden kommt und versucht, ihren Wagen festzuhalten.
Schließlich sitzen die beiden zusammen mit der angehenden Seismologin Rhonda auf einem Felsen in der Wüste fest, belauert von riesigen Würmern, die nur darauf warten, dass sie den Boden betreten. Niemand weiß, woher die Ungeheuer aus dem Untergrund stammen, aber die später Graboiden getauften Biester beginnen, die Bevölkerung des Tals zu dezimieren. Selbst Burt Gummer, der zusammen mit seiner Frau Heather sein Haus für den Dritten Weltkrieg ausgerüstet hat, kann sein Heim trotz aller Waffen auf Dauer nicht gegen die Würmer verteidigen.
"Für die ist das Tal ein langes Frühstücksbuffet."
Es gibt Horrorfilme, bei denen es dem Zuschauer egal ist, wen der Saurier, die Riesenspinne oder der Killerhai gerade frisst. Die Schauspieler sind in einigen Monsterstreifen nur Nebensachen – man wartet nur auf den nächsten Auftritt des Ungeheuers. Anders ist das, wenn es sich um ein unterirdisch lebendes Wurmmonster handelt. Der Darsteller auf der Leinwand muss dennoch glaubhaft rüberbringen, dass Bodenkontakt für ihn tödlich enden kann.
Ron Underwood hat das Glück, talentierte Hauptdarsteller für Tremors vor die Kamera zu bekommen. Allen voran Kevin Bacon in der Rolle des Val McKee. Seinen ersten großen Erfolg hatte Bacon 1984 mit dem Tanzfilm Footloose. Aber erst 1990 gelang ihm der Sprung in die erste Liga der Hollywood-Stars – was nicht an Tremors lag, sondern an dem im selben Jahr erschienen Thriller Flatliners.
Nachdem die Raketenwürmer im Kino für Schrecken sorgten, befürchtete Bacon zunächst seine Karriere sei aufgrund seiner Mitwirkung in dem Monsterfilm am Ende. Die Sorgen waren unnötig: In den nächsten Jahren spielte er unter anderen in den Blockbustern Apollo 13, Mystic River und X-Men: Erste Entscheidung mit. Später bezeichnete Bacon die Dreharbeiten zu Tremors als die lustigste Zeit seiner Filmkarriere.
Bacon kann in seiner Rolle nur so brillieren, weil das Zusammenspiel mit Fred Ward als Earl Bassett perfekt funktioniert. Ward war zuvor in einer Nebenrolle in Flucht von Alcatraz zu sehen und übernahm seine erste Hauptrolle in Timerider – Das Abenteuer des Lyle Swann. Nach Tremors spielte er wieder überwiegenden Nebenrollen zum Beispiel in Short Cuts.
Eine Ausnahme bildet Tremors 2 – Die Rückkehr der Raketenwürmer, in dem er seine Rolle als Earl Bassett wieder aufnimmt. Diesmal allerdings ohne Kevin Bacon an seiner Seite. Ward ist in der Fortsetzung nicht schlecht, aber mit seinem neuen Schauspielpartner kann er nie so richtig aufspielen, wie zusammen mit Bacon – bis Michael Gross seinen Auftritt in Tremors 2 hat.
Gross spielt in ersten Tremors-Film den Waffennarren und überzeugten Weltuntergangsfanatiker Burt Gummer. Er gehört im ersten Teil noch nicht zu den großen Stars des Films – aber die folgende Tremors-Reihe wäre ohne ihn nicht denkbar. Als einziger Darsteller der Originalbesetzung spielt er in allen bisherigen sechs Teilen mit.
Dabei war er zunächst für die Rolle gar nicht vorgesehen. Dem Drehbuchautor Brent Maddock zufolge, hätte er beim Schreiben von Burt Gummer immer Chuck Norris vor Augen gehabt. Auch Underwood hielt Michael Gross zunächst für eine Fehlbesetzung, weil sein Image aus der Sitcom Familienbande nicht zu den angelegten Waffennarren passen wollte. Der Regisseur lud ihn dennoch zum Vorsprechen ein und war anschließend aufgrund seiner Darbietung restlos von Gross überzeugt.
Die Studentin Rhonda wird von Finn Carter gespielt, für die der Monsterfilm den Höhepunkt ihrer Schauspielkarriere darstellt. Wie zuvor war sie auch danach nur in TV-Filmen und Serien zu sehen. Einige der anderen Schauspieler nahmen ihre Rollen in Tremors 3 – Die neue Brut, welcher wieder in Perfection spielt, erneut auf.
"Sehe ich vielleicht wie ein Wurmexperte aus?"
Für Ron Underwood war Tremors die erste Regiearbeit fürs Kino. Sein Durchbruch gelang ihm ein Jahr später mit der Komödie City Slickers – Die Großstadt-Helden. Mit Mein großer Freund Joe, einem Remake von Panik um King Kong (1949), drehte er noch einen weiteren Monsterfilm. Obwohl seine Kinokarriere vielversprechend begonnen hatte, endete sie 2002 mit seinem Film Pluto Nash – Im Kampf gegen die Mondmafia.
Der Science-Fiction-Film mit Eddie Murphy bekam weltweit miese Kritiken und brachte Underwood eine Nominierung als schlechtester Regisseur für eine Goldene Himbeere ein. Pluto Nash gilt als einer der größten Flops der Filmgeschichte und sorgte dafür, dass Underwood seitdem nur noch fürs Fernsehen arbeitet. So inszenierte er unter anderen mehrere Episoden der Serie Once Upon a Time. Sein Drehbuchautor S. S. Wilson blieb den Raketenwürmern hingegen treu und übernahm bei den ersten drei Fortsetzungen die Regie.
Auf dem Spielplatz der Raketenwürmer
Auch bei Tremors – Im Land der Raketenwürmer blieb der Erfolg an den Kinokassen zunächst aus. Doch in den Videotheken und auf dem VHS-Markt war der Horrorstreifen danach sehr erfolgreich. Für einen B-Monster-Movie besitzt der Film einen ziemlichen großen Bekanntheitsgrad. Die Raketenwürmer sind vielleicht nicht so berühmt wie King Kong oder Godzilla, aber Tremors ist nicht nur eingefleischten Genrefans ein Begriff. Dafür dürften auch die vielen Wiederholungen im deutschen Fernsehen gesorgt haben.
Der Film hatte während der Produktion unterschiedliche Arbeitstitel wie Beneath Perfection, Dead Silence oder Land Sharks. Schließlich entschied man sich für Tremors, was auf deutsch Beben oder Erschütterung bedeutet. Der deutsche Verleih brauchte offenbar etwas Griffigeres und brachte den Film unter dem Titel Im Land der Raketenwürmer hierzulande ins Kino.
Raketenwürmer? Über deutsche Übersetzungen englischer Filmtitel sollte man zu nicht lange nachdenken. Allzu viele Gedanken über die Herkunft dieser Raketenwürmer haben sich allerdings auch die Autoren nicht gemacht. Im Making of zu Tremors erklären sie, dass es in Hollywood-Filmen immer nur eine beschränkte Anzahl von Möglichkeit für den Ursprung solcher Ungeheuern gäbe: verstrahlte Mutationen, entflohenen Kreationen geheimer Militärexperimente, überlebende prähistorische Urzeitmonster oder außerirdische Wesen.
Statt eine dieser Möglichkeiten im Film ausführlich zu erklären, nutzt man die Zeit lieber sinnvoll für spannende Handlung. Kurz spielen Val, Earl und Rhonda die verschiedenen Optionen auf ihrem Felsenexil einmal durch – mehr Aufklärung zur Herkunft der Würmer bietet der Film nicht. Dennoch oder gerade deswegen funktioniert das Konzept mit der unterirdischen Bedrohung so gut.
Dies wird besonders deutlich, als Rhonda, Val, Earl und die restlichen Bewohner von Perfection auf den Dächern festsitzen und dringend einen Weg suchen, den riesigen Würmern im Boden zu entkommen. Das Szenario gleicht ein wenig dem Kinderspiel, wenn man früher auf dem Spielplatz nicht den Boden berühren durfte und trotzdem irgendwie von den Schaukeln zur Rutsche gelangen musste. Der Zuschauer fiebert mit und kann gleichzeitig überlegen, was er in dieser Situation machen würde.
Die Gebäude des Städtchens wurden extra für Tremors errichtet und so präpariert, dass die Dächer mehrfach in sich zusammen fallen konnten. In dem gesamten Film gibt es nur Innenaufnahmen von Walter Changs Laden sowie Burts und Heathers Waffenkeller zu sehen. Alle anderen Szenen wurden außen aufgenommen. Es wurde zudem überwiegend am Tag gedreht, was für ein Horrorfilm recht ungewöhnlich ist. Allerdings brauchen die Graboiden keine schützen Dunkelheit, um sich anzuschleichen, da sie unter der Erde sowie so nicht zu sehen sind.
Underwood wollte die Effekte so simpel wie möglich halten. Wie in jedem guten Horrorfilm treten die Monster gerade zu Beginn kaum direkt in Erscheinung. Der Zuschauer kann ihre Anwesenheit lediglich durch Staubfahnen oder wackelnde Zaunpfähle erahnen. Dann bekommt man die Würmer Stück für Stück zu sehen, erst ihre Tentakeln, ihre Mäuler und schließlich auch ein Tier in voller Länge.
Die Computertechnik war 1990 noch nicht soweit, und Underwood besaß nicht das Budget von Steven Spielberg, der drei Jahre später die Welt mit seinen CGI-Dinos begeisterte. Die Monster in Tremors sind zum Teil lebensgroße Attrappen. In einigen Szenen kommen auch Handpuppen zum Einsatz, die in Miniaturkulissen gefilmt wurden. Trotz der eingeschränkten technischen Mittel wirken die Effekte in Tremors stets überzeugend und handwerklich gut gemacht.
"Pech, wenn man sich ausgerechnet unseren Sportplatz zum Spielen aussucht!"
Wenn man in Tremors lachen muss, dann nie weil die Umsetzung der Kreaturen lächerlich wirkt. Da die Graboiden sich unterirdisch fortbewegen, geht die Spannung von den Figuren und ihren Ideen aus, wie sie sich gegen die Würmer zur Wehr setzen. Den Drehbuchautoren gelingt der Spagat zwischen Spannung und Humor recht gut. Im Unterschied zu anderen Monsterfilmen nehmen sie ihre Filmhandlung nicht zu ernst, lassen sie aber nie in reinen Klamauk abrutschen.
In den klassische Monsterfilmen der 50er-Jahre wurde durch eine äußere Bedrohung das US-Kleinstadtleben gestört, die Ordnung am Ende aber durch den Helden wieder hergestellt. In Perfection kann man nicht viel in Unordnung bringen. Das Städtchen hat selbst vor den Angriff der Raketenwürmer nur 14 Einwohner. Burt und Heather haben sich den Ort gerade wegen seiner Abgeschiedenheit als sicheres Domizil ausgesucht. Das Dorf scheint zwar irgendwie ganz liebenswert, er ist aber sehr weit vom Klischee des amerikanischen Traums entfernt.
Viel Futter bietet Perfection den Monsterwürmern nicht und so gibt es auch nicht allzu viele Tote zu sehen. Die gezeigte Gewalt im Film hält sich in Grenzen, auch wenn viel herum geballert wird und am Ende mehrere selbstgebaute Bomben zum Einsatz kommen. Dass der Film in den USA dennoch eine Rated-R-Freigabe bekam, liegt vorrangig an den ausgiebigen Flüchen, die vor allen Fred Wards Figur ständig von sich lässt. Tremors – im Land der Raketenwürmer ist aber kein Kinderfilm und die deutsche FSK16-Freigabe ist durchaus angemessen.
Ursprünglich unterschied sich das Ende leicht von der bekannten Abschlussszene. Wie Underwood im Making of berichtet, war das Testpublikum nicht zufrieden und verlangte im Kinosaal lautstark nach einer Änderung. Es ging nicht um gravierende Eingriffe in die Handlung. Am eigentlichen Schluss fährt Val zusammen mit Earl davon, ohne Rhonda seine Liebe gestanden zu haben. In der neuen Version bekommt das Testpublikum zu sehen, wonach es verlangt hat – einen Kuss zwischen Val und Rhonda.
"Ja, Burt wenn du dich aufregst, bekommst du einen Herzinfarkt, bevor du die Gelegenheit hattest, den Dritten Weltkrieg zu überleben."
Während die von Kevin Bacon und Finn Carter gespielten Figuren ihr verdientes Happy End genießen durften, war Michael Gross als Burt Gummer noch lange nicht mit den Raketenwürmern fertig. Zunächst trifft allerdings Earl wieder auf eine neue Graboiden-Brut in Mexiko. Fred Ward war 1996 der Star in Tremors 2 – Die Rückkehr der Raketenwürmer. Doch in der zweiten Hälfte des Films erhält er Unterstützung von seinem alten Kampfgefährten Burt Gummer.
Mit seinen wenigen Szenen im ersten Tremors-Film konnte Michael Gross die Fans überzeugen. Er war seitdem nicht mehr aus der Reihe wegzudenken und hatte sich ab dem dritten Teil als eigentliche Hauptfigur etabliert. Nicht nur bei den menschlichen Darstellern gab es Veränderungen, auch die Raketenwürmer entwickelten sich weiter. In Tremors 2 schlüpfen aus den Würmern zweibeinige Wesen, die ihre Opfer durch Infrarotsensoren ausmachen.
Der zweite Teil versucht noch, die Waage zwischen Spannung und Humor zu halten. Tremors 3 – Die neue Brut aus dem Jahr 2001 nimmt sich selbst nicht mehr wirklich ernst, und die fliegende Inkarnation der Würmer mit ihren Feuerfürzen kann man entweder super lustig oder total idiotisch finden. Drei Jahre später ist den Autoren noch einmal ein neuer Dreh eingefallen. Tremors 4 – Wie alles begann, spielt im Jahr 1889 und erzählt die Geschichte von Burts Vorfahren Hiram Gummer, der zunächst mit Feuerwaffen nichts anfangen kann, bis er auf die Raketenwürmer trifft.
Die weiteren Fortsetzungen verlegen die Handlung wieder in die Gegenwart, wechseln aber von dem Wüstenkaff Perfection nach Afrika (Tremors 5 – Blutlinien 2015) beziehungsweise in die Arktis (Tremors 6 – Ein kalter Tag in der Hölle 2018). Alle fünf bisherigen Fortsetzungen wurden direkt für den Videomarkt produziert. Michael Gross erklärte zuletzt in einem Interview, dass er durchaus für einen siebten Teil zur Verfügung stünde.
Eigentlich sollte nicht Gross als nächster gegen die Raketenwürmer antreten, sondern Kevin Bacon. Der Sender Syfy plante eine Tremors-Serie, die inhaltlich nur die Ereignisse aus dem ersten Film berücksichtigt hätte. Bacon sollte nach 27 Jahren wieder die Rolle des Val McKees schlüpfen und in Perfection erneut gegen die unterirdischen Monster antreten.
Aber der Sender setzte die Serie bereits vor der Ausstrahlung des bisher nicht veröffentlichten Pilotfilms wieder ab. Bereits 2003 produzierte der Sci-Fi-Channel eine Tremors-TV-Serie, welche wegen schlechter Einschaltquoten immerhin erst nach der ausgestrahlten ersten Staffel abgesetzt wurde. Im deutschen Fernsehen war diese Serie bislang nicht zu sehen.
Nicht alle Tremors-Filme kann man als rundum gelungen bezeichnen. Aber im ersten Teil passt alles zusammen. Die Hauptdarsteller können in ihren Rollen überzeugen und die Effekte sind einfach, aber selbst heute noch sehr gut anzuschauen. Vor allen durch die spannende und zugleich lustige Handlung setzt sich Tremors von vielen anderen Monsterstreifen ab. Es ist schon interessant, was für ein guter Film aus einer eigentlich recht absurden Grundidee entstanden ist – man muss den Drehbuchautoren nur lange genug in der Wüste auf einem Felsen warten lassen.