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Am Ende von Staffel 5A von Lucifer stand die Zeit still. Im Los Angeles Police Department kam es zu einem dramatischen Showdown zwischen Lucifer (Tom Ellis), Amenadiel (DB Woodside) und Michael (Tom Ellis) - bis sich im Cliffhanger ankündigte, dass Gott (Dennis Haysbert) von den Faxen seiner Söhne genug hatte und sich persönlich die Ehre auf der Erde gibt.
Am 29. Mai ist Staffel 5B nun bei Amazon Prime Video gestartet, und die Ereignisse von "Abendmahl" knüpfen direkt an den Cliffhanger von "Spoileralarm" an. Schon in den ersten Szenen wird deutlich, wie das Familiengefüge aussieht. Michael ist der Duckmäuser, der aber auch umgehend versucht, jegliche Schuld an der Situation von sich zu weisen. Amenadiel reagiert besonnen, es klar zu sehen, welchen Respekt er vor Gott hat. Lucifer hingegen reagiert so, wie es zu erwarten war, umgehend wird deutlich, welches - gelinde gesagt - Verhältnis von Vater und Sohn haben.
Der nicht immer gütige Gott
Im ersten Drittel liegt der Fokus von Lucifer dann auch darin, diese sehr gestörte Vater-Sohn-Beziehung zu beleuchten. Der Höhepunkt der Auftaktepisode ist sicherlich das gemeinsame Abendessen. Wer schon einmal auf Familienfeierlichkeiten war, bei denen Familienmitglieder aufeinandertreffen, die sich nicht ausstehen können, kann sich mühelos in die Szene hineinversetzen. Die Stimmung ist angespannt, auch wenn gerade Lucifer sich ausgesucht höflich gibt, bevor die wahren Emotionen schließlich hochkochen. Es ist amüsant zu sehen, wie Amenadiels Weinkonsum im Verlauf der Szene sprunghaft ansteigt - und sie offenbart wieder einmal, dass Amenadiel derjenige der Brüder ist, der schlichtend eingreift und Konflikte ungern aufkommen lassen möchte. Bei Michael und Lucifer hingegen entlädt sich jahrtausendelang aufgestauter Frust, der beiden Figuren nochmals mehr Tiefe und Verständnis für ihr Handeln gibt. Und es war geschickt, gleich zu Beginn der Staffel anzudeuten, dass Gott nicht immer ein gütiger Gott ist. Oder wie Lucifer es nennt: Der alttestamentarische Zorn.
"Verdammte, himmlische Karaoke-Session" ist eine für Serien fast traditionelle Muscialfolge. Zwar hat Lucifer seit Staffel 1 immer wieder auf die gesanglichen Talente seiner Darsteller zurückgegriffen, aber diese Folge führt diese Fähigkeiten geschickt zusammen und lässt das Ensemble zu tänzerischen und gesanglichen Höchstleistungen auflaufen - einschließlich Gott selbst. Er ist es, der für die musikalischen Highlights in dieser Folge sorgt. Gerade die Piano-Version von "Wicked Games" zu Beginn der Folge gehört mit zu den besten Leistungen, die Tom Ellis erbracht hat. Im Verlaufe der Folge beschließt Lucifer, an seiner Beziehung zu seinem Vater zu arbeiten, um auch fähig zu sein, eine Beziehung mit Chloe (Lauren German) zu führen. Das Zusammenspiel zwischen Ellis und Haysbert passt hierbei perfekt. So endet ein Streit um eine Tasse Kaffee in einer Therapiesitzung bei Linda (Rachael Harris), in der jedes Wort, jede Geste der Darsteller sitzt.
Auch Gott ist nur ein Mensch
Geschickt ist in "Machtlos" der Ansatz, was wäre, wenn Gott seine Fähigkeiten nicht mehr hätte, was zu mitunter absurden und komischen Augenblicken führt. Aber auch ohne seine Macht ist er weiterhin ein guter Ratgeber, der auch gerade Trixie (Scarlett Estevez), die in dieser Episode zeigen darf, dass sie kein kleines Mädchen mehr ist, den entscheidenden Schubs in die richtige Richtung geben darf. Und auch Maze (Lesley-Ann Brandt) findet den Schlüssel zu ihrem innigen Wunsch, endlich seine Seele zu besitzen. Zeit für Gott, die Bühne in den folgenden Episoden anderen zu überlassen. In jeder Hinsicht: Gott möchte sich Ruhe setzen. Vorhang auf für die unvermeidlichen Filler-Episoden.
Mit "Daniel Espinoza: nackt und verängstigt" rückt der Fokus auf Dan (Kevin Alejandro), der den bislang schlimmsten Tag in seinem Leben verbringt. Alejandro darf zeigen, welch Comedy-Timing in ihm steckt, sodass Dan niemals in Lächerliche gezogen wird und seine Figur - wenn auch spät - noch gewaltig Tiefe bekommt. Hier ist der Serie lediglich vorzuwerfen, dass es fünf Staffeln gedauert hat, um Dan nicht nur als reinen Tollpatsch darzustellen, sondern auch andere Seiten von ihm zu zeigen. Im Hinblick auf den weiteren Verlauf der Staffel fast schon sträflich.
Eine leider etwas schwächere Folge ist "Ein wenig harmloses Stalking". Die Episode greift den Handlungsstrang um Linda wieder auf, die ihre Tochter zur Adoption freigegeben hat. Zwar ist die Episode emotional und gerade Rachael Harris zieht ihr alle Register, aber dennoch wirkt die Folge doch wie ein Notnagel, den das Drehbuchteam schnell aufgegriffen hat, um den Nebenstrang der vorangegangenen Staffel weiterzuführen. Auch das Auftauchen von Eve (Inbar Lavi) mag in dieser Folge nicht so recht passen.
Taschentuch-Alarm!
Dafür stellt die Serie ab "Nichts hält für die Ewigkeit" die Weichen in Richtung Finale. Die Frage, wer die Nachfolge Gottes antritt, offenbart sich als Dreh- und Angelpunkt der drei restlichen Episoden. Und das Drehbuchteam hat sich nicht davor gescheut, alles an Drama und Emotionen auf den Tisch zu packen, was möglich war. Wer etwas näher am Wasser gebaut ist, greift bereits beim Abschied von Gott und seinem Gespräch mit Lucifer zum Taschentuch.
Mit "Soll das wirklich so enden?" aber präsentiert Lucifer die stärkste Folge der Staffel. Sei es, dass es Seitenhiebe auf den ehemaligen Heimatsender FOX oder spannende Gastdarsteller gibt,. Einziges Manko hier: Lucifer hat definitiv einen Seitenhieb auf Rob Benedicts Rolle in Supernatural liegen lassen.
Aber dann schockt die Episode mit dem ersten Major Character Death der Serie - und das so, dass auch Hartgesottene davon nicht unberührt bleiben. Hier stimmt einfach alles, um den Zuschauer eiskalt zu erwischen - ist das gerade wirklich passiert? Ist Dan gerade wirklich erschossen worden? "Soll das wirklich so enden?" - es soll. Und bei Scarlett Estevez’ Leistung als Trixie, die gerade ihren Vater verloren hat, bleibt kein Auge trocken.
Kämpfen? Ja. Aber bitte mit Abstand.
Im Staffelfinale "Eine Chance auf ein Happy End" versuchen die Figuren, den Tod von Dan nach der ergreifenden Beerdigung in der vorherigen Folge zu verarbeiten. Jede auf ihre Weise. Und man hat im Hinterkopf, dass Dan zudem nicht im Himmel, sondern in der Hölle gelandet ist. Wer sich weit zurück erinnert an Staffel 1 wird sich die Gründe denken können, dennoch überwiegt der Zorn, dass Dan auch im Tod eine tragische Figur bleibt.
Als Showdown fungiert in dieser Staffel dann ein epischer Kampf um die Frage, ob nun Michael oder Lucifer der neue Gott wird. Es bleibt zwar die Überlegung, ob diese Szene pandemiebedingt umgeschrieben wurde, denn gerade im leeren Football-Stadion mit Darstellern, die bestmöglich auf Abstand stehen wird deutlich, dass die Dreharbeiten aufgrund Corona unterbrochen werden mussten. Aber auch mit den mittlerweile leider üblich gewordenen Sicherheitsregeln ist es möglich, einen bis auf den Tod ausgetragenen packenden Kampf zu inszenieren. Zu kritisieren bleibt hier lediglich, dass Chloe sich kurz nach Dans Tod in diese Situation begibt und damit in Kauf nimmt, dass Trixie binnen kürzester Zeit beide Eltern verliert. Es ist schade, dass die Geschichte auf diesen Aspekt nicht eingeht. Aber es ist ja nochmal gut gegangen: Lucifer war bereit, sich für seine große Liebe zu opfern. Und hat es sich damit wohl verdient, der neue Gott zu werden. Es bleibt spannend, ob Lucifer der finalen Staffel 6 in seiner neuen Funktion versuchen wird, Dan aus der Hölle zu retten.
Fazit
Die zweite Staffelhälfte von Lucifer schickt ihr Publikum auf eine emotionale Achterbahnfahrt. Das erste Drittel bringt noch einige Situationskomik und Leichtigkeit, die aber in Richtung Finale endgültig in eine dramatische Stimmung umschwingt und die Zuschauer mit dem Tode Dans schockt. Mit der Entscheidung, Lucifer die Nachfolge Gottes antreten zu lassen, bleiben für die finale Staffel einige Optionen offen.