Zurück nach Hogwarts: Spoilerfreie Kritik zum Skript von Harry Potter and the Cursed Child

Die ersten Kritiken und Publikumsreaktionen der Previews zu Harry Potter and the Cursed Child stimmten sehr positiv. Mit der offiziellen Premiere am 30. Juli im Londoner Palace Theatre erschien auch endlich das Skript zum Bühnenstück. So konnten all diejenigen, die es nicht nach London ins Theater schaffen oder einfach neugierig sind, gewohnt pünktlich um Mitternacht das Buch in Empfang nehmen.

Darum geht es

19 Jahre später – Die Geschichte des Theaterstücks knüpft direkt an den Epilog des letzten Harry-Potter-Bandes an. Genau genommen wird dieser nochmal aufgegriffen und so beginnt die Handlung mit der Verabschiedung der Kinder, insbesondere dem Erstklässler Albus Potter, durch Harry & Ginny Potter, Hermine & Ron Granger-Weasley sowie Draco Malfoy am Bahnsteig 9 3/4 in King's Cross.

Anders als Harry, für den Hogwarts immer ein geliebter Zufluchtsort und erstes richtiges Zuhause war, ist Albus dort äußerst unglücklich. Sein Name und das Erbe der berühmten Eltern lasten schwer auf seinen Schultern. Vom ersten Tag an läuft es für ihn in der Schule nicht rund. Sein einziger Freund ist ebenfalls ein Außenseiter und gemeinsam beschließen sie eines Tages, nicht nach Hogwarts zurückzukehren und stattdessen ihr Schicksal, und damit auch das ihrer Eltern und der Geschichte, selbst in die Hand zu nehmen.

Harry ist als Leiter der Abteilung für Magische Strafverfolgung im Zaubereiministerium viel beschäftigt. Allerdings liegt ihm die Papierarbeit nicht besonders. Stattdessen ist er lieber selbst aktiv unterwegs, was noch mehr Zeit einnimmt, die er nicht mit der Familie verbringen kann. Doch auch unabhängig von der Zeit findet Harry, anders als zu seinen anderen Kindern James und Lilly, keinen rechten Zugang zu Albus. So ist das Thema Familie, insbesondere die Vater-Sohn-Beziehungen, zentraler Punkt in der Geschichte. Und dann fängt auch noch Harrys Narbe nach der langen Zeit wieder an zu schmerzen.

Roman vs. Skript

Wer etwas in der Art der bisherigen Harry-Potter-Bücher erwartet, der wird enttäuscht sein. Eine Stärke Rowlings waren stets die Beschreibungen sowie die inneren Monologe und Überlegungen der Charaktere. Gutes Beispiel dafür ist etwa das intensive Kapitel „Wieder der Wald“ in Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, in dem Harry aus der Schlacht heraus die Erkenntnis trifft, dass er sich selbst opfern muss und alleine aus dem Getümmel auf den stillen Weg in seinen gewissen Tod begibt.

Vermutlich ist dies mit ein Grund, warum Rowling schon lange vor Erscheinen von Cursed Child immer wieder betonte, dass es sich lediglich um die Veröffentlichung eines Skriptes handelt, das für die Bühne geschrieben wurde. Entsprechend dialoglastig ist es, nur mit einigen wenigen Randbemerkungen und Szenenbeschreibungen versehen. Dies stört jedoch beim Lesen nicht und man findet sich rasch hinein. Um eine ungefähre Ahnung zu bekommen, wie es auf der Bühne aussehen kann, gibt es zahlreiche Bilder der Previews und auch ein Video vom Setdesign (siehe unten).

Ist es eine Fanfiction?

Diese Frage stellte sich beim Lesen derart, dass ich tatsächlich kontrollierte, ob mir nicht versehentlich eine gefälschte Version untergejubelt wurde. Der Vergleich mit der gedruckten Ausgabe bestätigte, dass alles seine Richtigkeit hat.

Halten wir mal zu Gute, dass viele der Dialoge gelesen deutlich kitschiger rüberkommen, als es dargestellt auf der Bühne der Fall sein dürfte. Die besondere Wirkung wird man immer nur haben, wenn man das fertige Stück gespielt sieht inklusive des Sets, der Effekte, der Mimik und sonstigen Möglichkeiten, die Schauspieler haben, um den Charakteren zu mehr Tiefe zu verhelfen.

Das ändert aber leider auch nichts daran, dass es stellenweise wie ein „Best of“ der Emotionen und einzelner Personen/Geschehnisse aus den bisherigen Büchern vorkommt – mehrfach werden gar ganze Absätze übernommen. Und ja, es gibt tatsächlich diverse Fanfictions, die die ganze Thematik deutlich packender, interessanter und geschmeidiger geschrieben angegangen sind. Bereits seit mindestens neun Jahren.

Fazit

Als Theaterevent vermutlich ein ziemliches Erlebnis, kommt beim Lesen keine Begeisterung auf. Leider wurde hier eine große Möglichkeit vertan. Zum einen hätte Rowling die Geschichte mit mittlerweile weiterentwickelten, reiferen Helden und ganz eigenen alten und neuen Problemen fortsetzen können – passend zum ebenfalls älter gewordenen Fandom. Zum anderen gab es die Möglichkeit, mit den neuen, jungen Charakteren und eigenen Abenteuern auch ein neues, nachgewachsenes Publikum anzusprechen. Stattdessen wird aber lediglich eine alte Geschichte wieder lauwarm aufgewärmt, bei der man auch kaum eine Entwicklung der Charaktere merkt. Was haben diese in den 20 Jahren gemacht?

Als neuer Einstieg in die Potterwelt eignet sich das Skript jedoch auch nicht so recht, weil dafür zu wenig erklärt wird. Eine gewisse Grundkenntnis der Zaubererwelt wird vorausgesetzt. Zudem gibt es einige Zeitsprünge und die Handlung geht sehr flott voran.

Beim aktuell verfügbaren Buch handelt es sich um eine „Special Rehearsal Edition“, also eine Version, die für Proben genutzt wurde, wobei noch kurzfristige Änderungen möglich waren. Das finale Skript wird Anfang 2017 veröffentlicht. Auf Deutsch erscheint Harry Potter und das verwunschene Kind erst am 24. September.

Eine Adaption als Film ist durchaus möglich, zumindest hat sich Warner Bros. bereits die Rechte dafür gesichert. Laut Interviews im Rahmen der Premiere plant Rowling übrigens keine weiteren Bücher mit Harry Potter, da nun seine Geschichte auserzählt sei. Vermutlich ist das auch besser so.

Harry Potter and the Cursed Child Set Design

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