Outcast: Im Gespräch mit Hauptdarsteller Philip Glenister

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Outcast, Philip Glenister

Viele kennen Philip Glenister noch als muffeligen Gene Huntaus der Serie Life On Mars an der Seite von John Simm. Nun hat der Brite seine erste Rolle im US-TV ergattert und spielt in Outcast den Reverend der Kleinstadt Rome, in der es offenbar ungewöhnlich viele Fälle von dämonischer Besessenheit gibt. Einer der Betroffenen ist die Hauptfigur Kyle Barnes (Patrick Fugit), der besondere Fähigkeiten hat, wenn es um Dämonen geht.

Mit Robots & Dragons hat Glenister über Serie und Rolle sowie über den Serienschöpfer Robert Kirkman gesprochen, der mit dem gleichnamigen Comic die Vorlage lieferte und mit The Walking Dead bereits das Zombiegenre fürs TV neu belebte.

Was ist der Reverend für ein Typ?

Ich würde sagen, dass er sich als ein Soldat Gottes ansieht, der natürlich auch seine eigenen, schweren Probleme hat. Er ist eine sehr komplexe Figur innerhalb dieser Geschichte. Ich glaube, weil die Serie in der Kleinstadt in Rome in West Virginia spielt, gibt es bestimmte Archetypen als Führungsfiguren. Da gibt es den Polizeichef, den Bürgermeister und den Reverend oder einen Priester. Er ist ein großer Fisch in einem kleinen Teich.

… eine Säule der Gemeinschaft.

Genau, eine Säule der Gemeinschaft. Er hat diesen unerschütterlichen Glauben, was der richtige Weg für seine Glaubensgemeinschaft ist. In der Serie geht es um Dämonen und Besessenheit. Er empfindet es als seine moralische Verpflichtung, die Stadtbevölkerung auf den richtigen Weg zu führen. Im Laufe der Serie sehen wir, wie Menschen von Dämonen besessen werden …

Und das sind recht viele für eine beschauliche Kleinstadt. Werden wir dafür einen Grund erfahren?

Ja, das werden wir. Das köchelt langsam vor sich hin, aber für diese Art Serie ist das nötig. Man braucht diese Zeit, um alle Charaktere vorzustellen. Viele haben im Vorfeld gedacht, es ginge jede Woche um einen neuen Exorzismus, aber ich kann versichern, dass es nicht so ist. Es ist viel cleverer. Man braucht dieses langsame Köcheln, um die Zuschauer in diese klaustrophobische Atmosphäre hineinzuziehen. Ich werde oft gefragt, ob es sich um eine Horrorserie handelt, aber das sehe ich nicht so. Ich würde eher sagen, die Serie ist beunruhigend und ein bisschen verstörend.

Kann man wohl sagen.

Natürlich gibt es einige grauenhafte Szenen, aber ich finde, die sind nicht grundlos eingestreut, [um die Erwartungen an dieses Genre zu bedienen]. Aber es gibt sie aus einem bestimmten Grund. Reverend Anderson sehe ich als eine gebrochene Seele an.

Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen ihm und Kyle Barnes (Patrick Fugit)?

Die beiden kennen sich schon sehr lange, weil Anderson versucht hat, bei Kyles Mutter einen Exorzismus durchzuführen, als Kyle noch ein kleiner Junge war. Der Rev kennt Kyles Familie, seit der Junge etwa sieben Jahre alt war. Er ist so etwas wie ein Mentor, eine Vaterfigur. Als Kyle dann als Erwachsener in die Stadt zurückkehrt, macht er sich zunächst sehr rar, doch einer der Ersten und Wenigen, mit denen er spricht, ist der Rev. Sie haben eine Art – wie soll man es beschreiben – ein entfremdetes Verhältnis zueinander. Und das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.

Aber die beiden brauchen sich gegenseitig schon?

Absolut!

Was sieht denn der Reverend in Kyle?

Kyle hat diese Gabe. Anscheinend hat er die Macht, besessene Seelen zu heilen. Also spielt ein Element der Eifersucht von Seiten des Revs in ihre Beziehung hinein. Er hat schließlich sein ganzes Leben dieser Sache gewidmet und dann kommt dieser junge Emporkömmling daher …

… der nicht einmal religiös ist …

Genau. Sie haben dieses Verhältnis von bestem Schüler und Lehrer, doch dann übernimmt der Schüler die Führung. Für den Älteren ist es auf mannigfaltige Weise schwer, sich daran zu gewöhnen. Von Andersons Seite her gibt es einen widerwillig gezollten Respekt. Je weiter die Serie voranschreitet, desto besser wird das Publikum erkennen, dass die beiden sich gegenseitig brauchen, um es mit den bevorstehenden Herausforderungen aufzunehmen, ob es ihnen passt oder nicht.

Wie hast du dich der Darstellung des Reverend und Exorzismen genähert?

Exorzismen? Die mache ich in meiner Freizeit (lacht) Spaß beiseite, ich recherchiere nicht so gern viel für meine Rollen. Es sei denn, es ist absolut nötig. Die Figur hat mich quasi von der Drehbuchseite angesprungen. Sie ist so gut geschrieben und hat einen so guten Rhythmus, dass mir schnell klar war, in welche Richtung es geht. Das Einzige, das ich mir wirklich angeschaut habe, waren die evangelikalen Fernsehkanäle in den USA. Da gab es ein Wochenende, an dem ich frei hatte, und meine Familie war zu Besuch. Ich habe morgens im Bett ferngesehen.

Wir arbeiten immer echt lange und ich war völlig erschossen. Meine Frau war dabei und beim Durchschalten sind wir über diesen Typen gestolpert. Er war jung und ziemlich groovy, hatte zerrissene Jeans an. Er ist bei seiner Predigt gar nicht laut geworden, war sehr kontrolliert, und hatte sein Publikum vollkommen in der Hand. Da dämmerte es mir plötzlich: Der Typ ist wie eine Art Rockstar. Ich fand, dass das beim Reverend recht ähnlich ist, auch wenn er eine ältere Version darstellt. Wenn er erst mal an seinem Pult steht, quasi auf der Bühne seiner Kirche, dann wird er zu so etwas wie einem Rockstar.

Hast du dir mal vorgestellt, was in einer Person vorgeht, bei der ein Exorzismus vorgenommen wird?

Ich versuche nur, meinen Text nicht zu vergessen! (lacht) Da wird natürlich viel aus der Bibel zitiert und je älter man wird, desto schwieriger wird es, Text zu lernen. Für mich muss alles einen Sinn ergeben, damit ich es mir merken kann. Wenn man dann diese Passagen aus der Bibel nimmt, mir ihren recht flammenden Worten, ist es schon anstrengend, sie zu lernen, weil ich zuerst ihren Sinn genau ergründen muss.

Gibt es eine besondere Schlüsselszene für den Reverend?

Ja, zum Beispiel in Episode drei [1.03], als das Foto seines Sohns aus dem Autofenster flattert. Zuerst ist er noch sehr ruhig, weil sie noch über ganz andere Dinge im Wagen reden. Im nächsten Moment dreht er vollkommen durch, fährt zurück und versucht, das Foto zu finden und schafft es nicht. Offensichtlich leben er und seine Frau getrennt. In Episode vier oder fünf gibt es dann eine Szene, in der er sie besucht. Er fragt sie dann, wann ihre Beziehung angefangen hat, in die Brüche zu gehen. Sie antwortet: „Hör mal, ich habe das hinter mir gelassen. Es tut mir leid, aber du solltest das Gleiche tun.“ Zu diesem Zeitpunkt bleibt er als gebrochener Mann zurück.

Kommen wir mal auf das Thema Religion zurück. Als Brite hast du sicher eine andere Herangehensweise an das Thema, als viele der zum Teil fanatisch gläubigen Amerikaner?

Die Evangelikalen, ja. Ich bin kein religiöser Mensch. Ich respektiere Menschen, die gläubig sind. Ich habe eher eine gewisse Spiritualität, die nicht unbedingt zu einer der organisierten Religionen gehört. Religionen an sich sind ein schwieriges Thema. Sie haben gewiss viel Kummer verursacht, Ärger und Krieg. Aber manche Leute gewinnen Trost aus dem Glauben, der ihnen sehr wichtig ist. Ich möchte nicht so arrogant sein, diese Menschen zu kritisieren. Ich bin halt kein Fan von organisierter Religion.

Hast du viel mit Robert Kirkman, dem Autor der Comics gearbeitet?

Robert war während des Pilotfilms sehr oft am Set, weil ihm der natürlich besonders wichtig war. Als die Dreharbeiten für den Rest der Serie dann kurz nach Beendigung des Pilotfilms begannen, hat er uns einfach das Feld überlassen. Das tolle an Kirkman ist, dass er absolut kein großes Ego hat. Er weiß genau, was er will, ist aber auch der Erste, der sagt: „Hört mal, Leute, ich bin der Typ, der die Comics schreibt, ihr seid diejenigen, die Filme machen.

Das ist euer Fachgebiet, meins sind die Comics. Warum tut ihr nicht einfach das, was ihr für das Beste haltet?“ Natürlich hat er auch die Dailies angesehen und hätte sich gemeldet, wenn etwas überhaupt nicht in seinem Sinne gewesen wäre. Kirkman würde niemals anrufen und durch den Hörer brüllen. Es ist sehr angenehm, mit ihm zu arbeiten. Viele Autoren sind - mir fällt gerade kein besseres Wort ein - besessen von ihrer Arbeit. Bei Robert ist es genau umgekehrt. Er will das Beste für sein Werk und hat uns Schauspielern, Drehbuchautoren und Regisseuren freie Hand gelassen.

Wie ist es denn, in den Vereinigten Staaten zu arbeiten?

In der US-Version von Life on Mars ist meine Figur von so einem Typen namens Harvey Keitel gespielt worden. (lacht) Also war das meine erste Erfahrung, bei einer amerikanischen Serie mitzuarbeiten. Das ist schon interessant.

Ist es vollkommen anders, wenn man die technischen Aspekte beiseite lässt?

Stimmt schon, eine Filmcrew ist eine Filmcrew, egal wo man auf der Welt dreht. Da hat jeder seinen Job, den er erledigen muss. Was die Struktur angeht, ist es schon ein bisschen anders. Da muss man sich erst dran gewöhnen: Es wird jeden Tag sehr lange gearbeitet. Es ist eine Fünftagewoche. Aber alles ist sehr gut organisiert, die Leute sind sehr enthusiastisch und wollen, dass man am Endprodukt sieht, dass Geld hineingesteckt wurde. Hier fließt meiner Meinung nach schon mehr Geld, ein Studio steht hinter der Produktion, und so weiter. Wir nehmen uns ein bisschen mehr Zeit pro Episode.

Im Moment arbeiten sehr viele Briten in den USA, wie zum Beispiel Andrew Lincoln in der anderen Kirkman-Serie The Walking Dead. Was glaubst du, warum ist die Nachfrage nach Briten so groß in Hollywood?

Ich wollte schon scherzen und sagen: „Weil wir billiger sind!“ (lacht)

Meinst du?

Nein, ich finde, dass wir Glück haben, dass die Amerikaner und Hollywood auf gewisse Weise britische Schauspieler so sehr schätzen, dass sie uns Rollen anbieten. Es ist wunderbar und ich meine, es beruht auf Gegenseitigkeit. Es ist schön, zu dieser Gruppe zu gehören und ich weiß, dass viele britische Schauspieler sich ein Bein dafür ausreißen würden, an einer US-Serie zu arbeiten.

Ist das so etwas wie der Heilige Gral?

Ich glaube, es geht eher darum, diese Erfahrung zu machen. Einfach zu sehen, wie es auf der anderen Seite des großen Teichs läuft. Um global bekannt zu werden. Alles ist heutzutage global – bedingt durch die sozialen Medien. Viele möchten als Teil einer globalen Industrie wahrgenommen werden, statt in der eigenen, kleinen Domäne zu verharren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Neue Folgen von Outcast zeigt der Pay-TV-Sender Fox montags um 21 Uhr, einen Tag nach US-Ausstrahlung.

Outcast - Season 1 German Trailer Nr.2 2016 [FOX]

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