Heute feiern die finalen zehn Episoden von Vikings ihre Premiere bei Amazon Prime Video - damit geht die Familiensaga, die in Staffel 1 rund um Ragnar ihren Anfang fand, nach sechs Staffeln zu Ende.
Wir hatten die Gelegenheit, zum Finale der Serie mit Serienschöpfer Michael Hirst zu sprechen, der nicht nur als Showrunner und Ausführender Produzent fungierte, sondern auch für die Drehbücher verantwortlich zeichnete. Uns hat er erzählt, wie es sich anfühlt, ein Projekt nach so vielen Jahren zu beenden - und dass seine Frau nicht ganz unschuldig daran ist, dass Vikings zum Ende gebracht wurde.
Robots & Dragons: Vikings geht nun nach sechs Staffeln zu Ende. Wie fühlt es sich an, eine Serie nach so vielen Jahren loszulassen?
Michael Hirst: Natürlich musste ich in den letzten zehn Episoden viele Handlungsstränge zu Ende bringen. Es musste ein zufriedenstellendes Ende werden, da man nie möchte, dass sich das Publikum betrogen fühlt. Der Versuch, das richtig hinzubekommen, war beängstigend. Und natürlich war es auch ziemlich emotional, weil ich wusste, was ich einigen meiner Lieblingsfiguren, mit denen ich mitunter sieben Jahre verbracht habe, antun muss. Ich denke aber, dass es mir gelungen ist, die Handlungsstränge zu einem guten und befriedigenden Ende zu bringen. Außerdem gibt es noch etwas anderes: Weil ich die Serie quasi die letzten Jahre Tag und Nacht gelebt und an den meisten Tagen bis Mitternacht daran geschrieben habe, war ich erschöpft. Mir war das zunächst nicht bewusst, da ich immer noch tief darin verstrickt war. Aber meine Frau hat das sicherlich bemerkt (lacht). Also war es an der Zeit, es zu Ende zu bringen.
R&D: Weil du Tag und Nacht an Vikings gearbeitet hast und erst deine Ehefrau dich darauf aufmerksam machen musste, wie erschöpft du warst - ist das der Grund, warum du bei Vikings: Valhalla lediglich als Showrunner fungierst und den Staffelstab als Drehbuchautor an Jeb Stuart abgegeben hast?
MH: Als wir angefangen haben, hatte ich keine Ahnung, wie viele Staffeln wir bei Vikings machen würden. Hätte mir vorher jemand gesagt, dass wir sechs Staffeln machen, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Als wir aber daran gearbeitet haben, schien alles sehr gut zu laufen. Ich hatte ein brillantes Produktionsteam im Hintergrund, und ich delegiere auch gern. Das war eine wirklich befriedigende Erfahrung. Aber ich wollte es dennoch nicht noch einmal machen. Ich habe zwar den Überblick über das Spin-Off, aber ich lasse es nun andere Leute machen.
R&D: Im Netz gibt es die wildesten Spekulationen um Katia, die Freydis sehr ähnlich sieht. Für dich waren Katia und Freydis niemals dieselbe Frau, dennoch hast du für beide Rollen Alicia Agneson ausgewählt. Es gibt die Theorien, dass nur Ivar die Ähnlichkeit sieht, damit das Publikum nochmals seine Schuldgefühle bezüglich des Mordes an Freydis vermittelt bekommt. Aber es gibt auch die Theorie, dass Katia eine Doppelgängerin ist, die von Oleg angeheuert wurde, um Ivar zu manipulieren. Was hältst du von solchen Theorien?
MH: Oleg würde nicht wissen, wie Ivars Frau ausgesehen hat. Ich wollte vermitteln, dass Ivar zwar ziemlich cool, jedoch auch wütend rüberkommt, aber dennoch enorme Schuld darüber verspürt, dass er seine Frau umgebracht hat. Sie war eine der wenigen Menschen, die mit ihm geredet und ihn geliebt hat. Also verspürt er eine wahnsinnige Schuld. Und er ist darauf vorbereitet zu glauben, dass sie wiedergeboren wurde - auf eine Art als eine Bestrafung. Ebenso wollte ich, dass andere - weil sie Freydis nicht kannten - die Ähnlichkeit nicht sehen. Manchmal machen wir selbst solche Erfahrungen im Leben. Besonders in Familien kommt es vor, dass wir eine Ähnlichkeit zu einer anderen Person sehen. Das ist wahnsinnig interessant. Ivar sieht also, was er sehen möchte.
R&D: Wenn du auf die letzten sechs Staffeln von Vikings zurückblickst - was ist dein Lieblingsmoment in der Serie?
MH: Ich habe sonst immer gesagt - und das ist zum Teil immer noch wahr -, dass einer meiner Lieblingsmomente weit zurückliegt. Das war in Staffel 1, als Ragnar trauernd am Strand sitzt und zu seiner toten Tochter spricht. Das hatte eine große Bedeutung für mich. Seltsamerweise fand es Travis - der selbst keine Kinder hat - auch sehr emotional. Travis ist eigentlich dieser toughe Australier. und es war wundervoll zu sehen, wie emotional er wurde, als er es gespielt hat. Gleichzeitig ist aber auch die allerletzte Szene eine meiner Lieblinge. Ich kann dir natürlich nicht verraten, warum (lacht).
R&D: Ich kann mich damit erneut darauf einstellen, dass du mein Herz wieder brichst, wie es du in der ersten Hälfte der Staffel bereits getan hast?
MH: Nun, um dir die Wahrheit zu sagen - ganz so ist es nicht. Es ist anders. Es wird dir vermutlich sehr gefallen.
R&D: Also eher ein Ende, bei dem ich sage: “Das war’s. Und ich kann diese Figuren jetzt in Frieden loslassen.”?
MH: Ganz genau! Die verschiedenen Handlungsstränge lösen sich natürlich auf verschiedene Weisen auf, aber die allerletzte Szene löst die Serie auf. An dieser Stelle fühlte ich, dass ich loslassen kann. Es fühlte sich an, dass ich die Figuren jetzt ziehen lassen kann.
R&D: Derzeit arbeitest du an The Plague Year für den History Channel. Die Miniserie spielt im Jahr 1665 in London. Kannst du uns schon etwas darüber erzählen?
MH: An dieser Serie werde ich lediglich als Ausführender Produzent beteiligt sein, an den Drehbüchern wirke ich nicht mit. Es wäre also falsch, an dieser Stelle weitere Details zu erzählen, finde ich. Aber ich arbeite an anderen Projekten, unter anderem an einem Western. Außerdem gönne ich mir eine kleine Pause. Ich werde nie wieder das machen, was ich mit Vikings gemacht habe. Ich könnte nie wieder Schreiben und noch Showrunner sein. Dennoch schreibe ich gerade und bewege mich in verschiedenen historischen Zeiträumen. Denn das mache ich einfach gern.
R&D: Das bringt mich schon zu meiner letzten Frage: Du arbeitest zum Großteil daran, historische Ereignisse wieder zum Leben zu erwecken. Ich vermute, dass sich dank deiner Arbeit wie The Tudors, Vikings und deiner künftigen Projekte mehr Menschen dafür nun mehr für Geschichte interessieren. Wie fühlt sich das an?
MH: Mir macht es Spaß, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden. Mir macht es Spaß, in den Menschen Verständnis dafür zu wecken, dass die Vergangenheit lebendig und nicht verloren ist. Wir sind noch mit ihr verbunden, wir sind alle lebendige Geschichte. Vikings hatte einen tiefgreifenden Effekt, da viele Wikinger-DNA in sich tragen - auf der gesamten Welt, aber besonders in Europa. Ich versuche, historische Themen in den Menschen zum Bewusstsein zu bringen. Ich finde, es ist sehr wichtig, dass Menschen sich der Geschichte bewusst werden, dass sie Geschichte verstehen, sich bewusst machen, woher sie kommen.