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Wie bitte? Schon wieder ein neuer Film über diesen vorlauten Spinnen-Mann? Seit Tobey Maguire im Jahr 2002 den schüchternen Jüngling mit den Superkräften mimte, hat sich die laut Eigenbezeichnung "freundliche Spinne aus der Nachbarschaft" nun schon ein paar Mal auf der Leinwand neu erfunden. Und tatsächlich drohte die klassische Geschichte um den jungen Peter Parker, der von einer radioaktiven Spinne gebissen wurde, so langsam Staub anzusetzen. Doch mit Spider-Man: A New Universe schlagen die Macher unverhofft eine völlig neue Richtung ein. Ein buntes Comic-Abenteuer mit schrägem Humor, jeder Menge Action und einer exzellenten Optik lässt das Herz von Comic-Fans höher schlagen. Und dazu muss man nicht mal ausgemachter Peter-Parker-Fan sein.
Der besagte Spinnen-Held ist in Spider-Man: A New Universe nämlich ganz schön heruntergekommen. Peter Parker ist mittlerweile zu einem etwas verlotterten Mittdreißiger geworden, der seine Beziehung zu MJ in den Sand gesetzt und ein wenig zu viel Speck angesetzt hat. Er trifft zufällig auf den vom Schulalltag gebeutelten Teenager Miles Morales. Dieser wurde ebenso zufällig auch von einer Spinne gebissen und kommt mit seinen neu erworbenen Kräften noch nicht gut zurecht.
Zu allem Überfluss stellen die beiden bald fest: Peter Parker lebt ebenso wie Miles in einem Multiversum und befindet sich in der falschen Dimension. In der Welt, in der Morales groß geworden ist, gibt es nämlich bereits einen Peter Parker alias Spider-Man. Nur ist der leider kurz zuvor auf tragische Weise ums Leben gekommen. Peter (im Original gesprochen von Jake Johnson) und Miles müssen nun alles daran setzen, die Welten, aus denen sie kommen, wieder in Ordnung zu bringen und ihre Kräfte sinnvoll einzusetzen.
Bei ihrem Einsatz helfen ihnen auch weitere Mitkämpfer aus den diversen Spider-Man-Universen. So kommen ihnen Spider-Gwen (gesprochen von Hailee Steinfeld), Spider-Man 2099, Spider-Man Noir (mit der Stimme von Comic-Verehrer Nicolas Cage), das Manga-Mädchen Peni Parker (das konsequenterweise auch als einzige im Manga-Stil physisch gezeichnet ist) und das Schwein Spider-Ham zu Hilfe. Zusammen müssen sie den bösartigen Kingpin Wilson Fisk (Liev Schreiber) aufhalten, der mit einem Magnetstrahler versucht, die Multiversen zu zerstören.
Multidimensionaler Spaß im herrlichen Comic-Look
Spider-Man: A New Universe ist in vielerlei Hinsicht ein Ritt durch die Dimensionen. Sony Pictures Animation baut mit Hilfe von Marvel, von denen sie die Lizenz für den Spider-Man-Stoff gekauft haben, eine ganz eigene Welt auf, die hervorragend als Ausgangsbasis für weitere Spiderverse-Filme funktionieren würde.
Aber vielleicht braucht man die riesigen Universen vom Mitstreiter Marvel gar nicht. Denn wo der Comicverlag einen riesigen Epos aufmacht, bei dem jede Verwicklung der Helden einen eigenen Spin-off-Film nach sich zieht, hüpft Spider-Man: A New Universe vergleichsweise leichtfüßig zwischen den Genres des Superhelden-Epos und Coming-of-Age eines Teenagers im modernen Brooklyn hin und her.
Hervorragend passt dazu auch, dass der Film zwischen Animations-Actionfilm und Comic hin- und herwechselt, ohne dass den Effekten je die Luft ausgeht. Streckenweise hat der Zuschauer das Gefühl, selbst in ein Comic geraten zu sein. Überhaupt muss man der Optik eine Eins mit Sternchen verpassen: Nicht nur wird in guter alter Scott-Pilgrim-Manier Schrift auf kreative Weise als Bildgestaltung eingesetzt. Auch wird munter der Blickwinkel gewechselt oder nach Vorbild von Mangas auch mal eine Sequenz andersartig gestaltet. Das Auge isst schließlich mit. Und das kommt ganz gehörig auf seine Kosten.
Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Die Geschichte wird genau an den richtigen Stellen mit harten Schnitten und plötzlichen Tempowechseln unterbrochen und langweilt dabei keine Minute. Dazu trägt auch der Soundtrack bei: Neben einer humorvollen Spider-Man-Weihnachtsedition schummelt sich ein wenig Coolness in Form von Notorious B.I.G ins Ohr und lässt den Zuschauer zusammen mit Miles Morales beschwingt durch die Straßen Brooklyns grooven.
Spider-Crew & Co: Gut unterhalten mit vielseitigen Figuren
Die Figur des Miles Morales als neuer Spider-Man-Nachfolger trägt ebenfalls dazu bei, die Spider-Man-Reihe neu auszurichten. Denn der Junge ist nicht nur sympathisch und nachvollziehbar aufgebaut, sondern auch einfach ein ziemlich normaler Typ mit hohem Identifikationspotential. Er interessiert sich eher dafür, Graffitis in seiner Nachbarschaft zu verteilen als für die Schule. Außerdem hat er ständig Ärger mit seinen Eltern, und zu allem Überfluss ist sei Vater auch noch Polizist und hat ziemlich hohe Ansprüche an seinen Sohn. Miles repräsentiert einen erfrischenden Protagonisten ohne überflüssige Lateinamerika-Klischees.
Die anderen Figuren können ebenfalls gut unterhalten, wenn auch die Charakterzeichnung meist etwas zu kurz kommt. Bei einer derart großen Truppe wie der Spider-Crew verwundert das aber auch nicht. Auch der Bösewicht Kingpin ist eher ein typischer Gegner, der etwas blass daherkommt. Diese winzigen Kritikpunkte muss sich der Film zwar gefallen lassen, das Ergebnis schmälert dies jedoch nur geringfügig.
Dankenswerterweise setzt Spider-Man: A New Universe dabei stets auf intelligenten Humor und sehr viel Herz. Einen besonderen Pluspunkt bekommt neben dem wunderbar schluffigen Peter Parker in der Version 2.0 auch die Figur des Spider-Man Noir, der mit seinem extrem trockenen Humor noch eine ganz eigene Geschichte erhoffen lässt. Auch das gelegentliche Durchbrechen der Vierten Wand wirkt hier nicht aufgesetzt, sondern kommt als Extra-Bonbon genau zum richtigen Zeitpunkt. P.S.: Natürlich geht auch dieses Marvel-Abenteuer nicht ohne einen letzten Cameo-Auftritt von Stan Lee über die Leinwand.
Fazit: Spider-Man darf gerne wiederkommen
Mit Spider-Man: A New Universe kann sich die ganze Familie einen unterhaltsamen Kinonachmittag gönnen. Die Figuren sind liebevoll aufgebaut, und auch wenn das Drehbuch bisweilen ein wenig dünn daherkommt, machen die einzelnen Sequenzen einfach Spaß. Auch das verwöhnte Kinozuschauer-Auge wird mit einfallsreichen Effekten belohnt. Also: Popcorn mitnehmen und unbedingt bis nach dem Abspann im Kino bleiben!