Perpetual Infinity - Kritik zu Star Trek: Discovery 2.11

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Nachdem die letzte Episode vor allem viel Exposition und einen Cliffhanger geboten hat, liefert Regisseurin Maja Vrilo (Hawaii Five-O) mit Star Trek: Discovery 2.11 eine actionlastige Folge ab. Zudem konnten sich die Autoren Alan McElroy (Vampire Diaries, “On Obol for Charon”) und Brandon Schultz bei “Der Zeitsturm” auf eine Haupthandlung konzentrieren.

Die Zeit ist aus den Fugen

Shakespeare und Star Trek - das geht doch eigentlich immer gut zusammen. Diesmal zitiert nicht Jean-Luc, sondern Spock sehr passend aus Hamlet (Akt I, Szene V): “Die Zeit ist aus den Fugen; Fluch der Pein, muss ich sie herzustelln geboren sein!”. Und ja, die Zeit ist ziemlich aus den Fugen. Kommt ihr noch mit?

Also Star Trek: Discovery spielt aktuell im Jahr 2257. Etwa 20 Jahre zuvor verliert Burnham ihre Eltern und wird von Sarek adoptiert. Burnhams Mutter ist von da aus 950 Jahre in die Zukunft gesprungen, wo ihr Red-Angel-Anzug ankert. Sprich sie kann zwar reichlich durch die Zeit hüpfen, aber nicht lange bleiben, sie wird immer wieder in die postapokalyptische Zukunft zurückgeholt, wo es weit und breit kein Leben und keine Technik mehr gibt. Sie versucht, Control und damit die Zerstörung allen Lebens aufzuhalten. Was ihr noch nicht gelungen ist. Dabei durchlebt sie immer wieder diverseste Varianten von vor allem Michaels Tod. Und wenn man nun das Archiv der Sphere soweit mit in die Zukunft schickt, kommt Control nicht mehr ran. Soweit richtig? Einmal aufgeschrieben und den Rest der vergangenen Folgen überwiegend ignorierend wirkt es eigentlich gar nicht mehr so verwirrend.

Nun müsste 950 Jahre in der Zukunft ja auch ungefähr zu der Zeit der Short-Trek-Folge “Calypso” sein, wo man es im Gegensatz zu Control mit einem recht freundlichen AI-System zu tun bekommt. War das schon ein Vorbote, was mit Dr. Burnham und der Discovery (zumindest in einer Zeitlinien-Version) noch innerhalb der Serie, eventuell gar der nächsten paar Folgen, geschieht? Immerhin spricht der Bordcomputer davon, dass sie auf die Rückkehr der Besatzung wartet. Allerdings muss Dr. Burnham in irgendeiner Form in irgendeiner Zeitlinie auch tatsächlich bei dem Klingonen-Angriff sterben.

Und 950 Jahre auf 2257 draufgerechnet ist man im Jahr 3207. Was ja dann nach dem Entsenden von Zeitagenten der Föderation im 31. Jahrhundert im Rahmen des Temporalen Kalten Krieges ist. Soweit man bei so Zeitkram von “nach” sprechen kann. Und hey, wenn Control siegt, kommt es in der Zeitlinie zu gar keinem Temporalen Kalten Krieg. Immer das Positive sehen.

Ganz die Mutter

Sonja Sohn (The Wire) liefert als Dr. Burnham ganze Arbeit ab. Sie hat diese eine Episode Zeit, um sowohl die Verbindung zu ihrer Tochter Michael darzustellen, als auch die Probleme ihrer Mission glaubhaft zu vermitteln. Denkt man doch mal an Doctor Who, wo der Doctor immer wieder darauf hinweist, was das Durchleben von mehreren Zeitebenen und langen Perioden doch auch für Schmerz mit sich bringt. Nun ist Dr. Burnham wenig freiwillig derart durch die Zeit gesprungen. Erst die spontane Flucht vor den Klingonen, dann viel weiter als geplant in der Zukunft gelandet, wo sie zudem gänzlich alleine ist. 20 Jahre lang im Kampf gegen Control und dabei wieder und wieder mit ansehen müssen, wie ihr Kind stirbt.

Wenn man das bedenkt, ist es kein Wunder, dass sie zumindest in der ersten Hälfte der Episode nicht gerade für den “Mutter des Jahres”-Preis nominiert werden kann. Die arme Michael ist langsam doch echt durch genug traumatischen Mist durch. Als Highlight der Schock, dass ihre Mutter doch noch lebt und sogar der Rote Engel ist, nur um gleich wieder durch ihre abweisende, pessimistische Art weggestoßen zu werden. Wobei man durchaus erkennt, von wem Michael ihren Charakter hat. Aber zum Glück dreht sich Dr. Burnham in der zweiten Hälfte, so dass Michael trotz erneuten Verlust dennoch im Abschied eine gewisse Katharsis erleben kann. Michaels Vater wird in dieser Episode übrigens von Kenric Green, dem Ehemann von Sonequa Martin-Green, gespielt. Wem das Timey-Wimey nicht reicht und noch ein wenig Wibbly-Wobbly dazu haben mag.

An sich ganz angenehm, dass ihre Geschichte nicht einfach von Dr. Burnham direkt erzählt, sondern über Videos vermittelt wird. Sie hat nämlich in bester Youtube-Vlog-Manier alles genauesten dokumentiert, und der Multifunktions-Roter-Engel-Anzug hat auch einen MovieMaker zum Schneiden diverser Kamerawinkel integriert. Voll praktisch, das Teil.

Wieso hat man im 23. Jahrhundert eigentlich das mit der mitochondrialen DNA nicht viel mehr auf dem Schirm? Klang so, als hätte Dr. Culber die Daten aus Airiams Speicher gründlich mit Michael abgeglichen und ja auch noch gesagt, dass es sich nicht um etwas künstlich erschaffendes handeln kann, da die Fehler und Abweichungen, die man so im Leben halt hat, übereinstimmen. Und da erkennt man nicht, dass es sich um die Mutter handelt? Ernsthaft? Aber mal sehen, eventuell steigt ja doch noch Michael in den Anzug.

Und alles nur, weil ich dich liebe

Spock liebt Wissenschaft, und alle lieben Burnham. Dass Spock begeistert der Wissenschaft anhängt, überrascht ja nun nicht, kommt so enthusiastisch ausgesprochen aber ganz sympathisch rüber. Tilly und er gäben sicher ein witziges Gespann ab. Ungefähr da steige ich dann aber bezüglich Wissenschaft und Technik in dieser Episode auch schon wieder aus. Ich möchte da einfach nicht weiter drüber nachdenken.

Bleiben wir also auf der Gefühlsebene. Michael ist überdeutlich das Zentrum der Serie und besonders dieser Episode. Ich meine, sie hat tatsächlich einen Engel, der unbemerkt ihr ganzes Leben (und gleich mehrere davon) genau beobachtet hat. Und sie hat mindestens drei Mütter, die sie sehr lieben. Mit Georgiou und Dr. Burnham haben zwei von ihnen das erwartete Gespräch unter vier Augen, in dem Dr. Burnham der einstigen Imperatorin klar macht, dass auch diese große Liebe für Michael in sich hat und bereit ist, einiges für sie zu opfern

.Überhaupt weiß Dr. Burnham ziemlich viel. Das allsehende Auge. Aber ausgerechnet von den sieben rot-explosiven Zeichen, die bisher alle mit dem Roten Engel in Verbindung brachten, will sie nichts wissen. Oha. Ich wiederhole: Doch noch Future-Michael als Roter Engel? Oder wer ganz anderes?

Aber wir waren ja bei der Liebe. Also. Tyler liebt Michael natürlich auch. Allerdings riskiert er gegen AI-Leland sein Leben auch für die gesamte Discovery-Crew. Er weiß halt doch, wem seine Loyalität gilt. Dafür merkt man noch mehr als in der letzten Episode, dass Spock für Michael durchaus nach wie vor Geschwisterliebe empfindet. Die Szenen zwischen den beiden waren abermals sehr schön inszeniert und die Chemie stimmig. Auch wenn Vulkanier ihre Sympathien anscheinend nicht einfach aussprechen können, sondern dafür ein Schachspiel als Zeichen anbieten. Vermutlich kann er durch die Offenbarung von Dr. Burnham nun auch viel entspannter sein: Seine Dyslexie ist kein Fehler, sondern macht ihn besonders. Nur mit ihm konnte der Rote Engel kommunizieren, da er durch die Verbindung aus seinem vulkanischen Anteil, Empathie und eben der Dyslexie das Zeitdurcheinander halbwegs geordnet bekommt. Oder zumindest so etwas in der Art.

Resistance is pointless

Borg, ick hör dir trapsen! Stich ins Auge, Mini-Maschinchen im Körper, Umrüstung von Mensch zu Computer-Mensch, die Art wie Tyler Leland mit halboffenen Gesicht vorfindet. Es riecht schon ziemlich nach Borg. Aber vielleicht spielen die Serienmacher auch nur mit uns. Das eingeworfene “Struggle is pointless” riecht aber ziemlich nach “Resistance is futile” in diesem Zusammenhang. Wobei die Borg ja eher alles assimilieren statt zerstören wollen. Control also eine Art frühe Entwicklungsstufe? Immerhin wissen wir derzeit immer noch nicht, was genau Control ist und überhaupt will. Warum alles bewusste Leben auslöschen? Was hat Control davon?

Schon amüsant die Erklärung, warum Control sich erstmal die Darstellung einer Vulkanierin und nun von Leland ausgesucht hat. Richtige Menschen mit deutlichen Gefühlsäußerungen sind zu schwierig. Leland mit seiner kalten Art und moralisch flexiblen Verhalten kommt da ganz gelegen und wird ihm zum Verhängnis. Warum auch immer Control das Zwiegespräch mit Leland zum Erläutern brauchte (und wie auch immer er so fixiert werden konnte). Immerhin wurde ihm ja schon ins Auge gestochen, und man hätte gleich die Control-Minions injizieren können. Aber das wäre für den Zuschauer weniger spannend in der Darstellung, zugegeben.

Wie gut, dass Georgiou clever ist und erkennt, dass mit Leland etwas faul ist. Dafür darf sie auch nochmal ihre Kung-Fu-Fähigkeiten unter Beweis stellen und zudem die Beziehung mit Tyler festigen. Wobei diesem das nicht ganz so gut bekommt. Immerhin stirbt er nicht durch AI-Leland, sondern kann sich noch mit Rettungskapsel absetzen. Georgiou wurde ja eh auf die Discovery gebeamt. Sind sie (fast) wieder alle beisammen, ist doch auch nett.

Wieso genau braucht Control das Spheren-Archiv, um sich weiterzuentwickeln? Also ja, sicherlich hilfreich wenn es schneller gehen soll, aber so gar keine weitere Entwicklung auch in der fernen Zukunft? Und wieso soll das Spheren-Wissen ausgerechnet 950 Jahre in der Zukunft so absolut sicher sein? Ich sehe da deutlich zu viele Wenn-und-Abers in diesem Plan.

Und sonst so? Georgiou hat ihre Nieten verloren, Culber dafür seinen weißen Kittel/Uniform wieder bekommen. Das rollstuhlfahrende Crew-Mitglied darf wieder einmal durchs Bild fahren. Captain Pike ist nach wie vor total im Captain-Modus, was anhaltend gefällt. Wo zur Hölle steckt Admiral Cornwell? Die war letzte Woche doch noch da. Leistet sie gerade Nummer Eins und Jett Reeno Gesellschaft?

Wenn nun Dr. Burnham wie versprochen vor den Angriff der Klingonen springt und ihre Familie rettet - dann wird Michael ja nie Spocks Adoptivschwester. Und vielleicht lernt sie nie Georgiou kennen. Landet nicht auf der Discovery und so weiter. Was ja wiederum eine Erklärung dafür wäre, warum Classic-Spock nie etwas über das Schiff und seine Schwester fallen lässt. Aber jetzt bekomme ich wieder Zeitlinien-Kopfschmerzen.

Fazit

Beim Sehen blieb ich leider emotional recht unbewegt und weiß nach wie vor nicht so recht, was ich von der Episode halte. Allerdings gibt es an sich viele Pluspunkte: “Der Zeitsturm” ist schlüssig und rund erzählt, die Action passt und ist nicht komplett übertrieben, viele Fäden der Staffel verbinden sich elegant, die Darsteller überzeugen, und dass sich auf den Haupthandlungsstrang konzentriert wird, tut sichtlich gut. Auch wenn dennoch gefühlt mehrere Leben in acht Serienstunden und 45 Folgenminuten gequetscht werden.

Alles in allem muss ich wohl sagen, dass es sich um eine gute Folge handelt. Auch wenn ich das noch nicht so spüre. Vielleicht muss sie noch ein wenig länger wirken.

Star Trek: Discovery

Originaltitel: Star Trek: Discovery
Erstaustrahlung 24. September 2017 bei CBS All Access / 25. September 2017 bei Netflix
Darsteller: Sonequa Martin-Green (Michael Burnham), Jason Isaacs (Captain Gabriel Lorca), Michelle Yeoh (Captain Georgiou), Doug Jones (Lt. Saru), Anthony Rapp (Lt. Stamets), Shazad Latif (Lt. Tyler), Maulik Pancholy (Dr. Nambue), Chris Obi (T’Kuvma), Shazad Latif (Kol), Mary Chieffo (L’Rell), Rekha Sharma (Commander Landry), Rainn Wilson (Harry Mudd), James Frain (Sarek)
Produzenten: Gretchen Berg & Aaron Harberts, Alex Kurtzman, Eugene Roddenberry, Trevor Roth, Kirsten Beyer
Entwickelt von: Bryan Fuller & Alex Kurtzman
Staffeln: 4+
Anzahl der Episoden: 42+


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