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Wie bei der GroKo: Die Crew ist in Redelaune und diskutiert in allen denkbaren Konstellationen Vergangenes und Aktuelles. Das ist zwar klassisches Star Trek, strengt in der Häufung aber ein wenig an und wird durch diverse unglückliche Entscheidungen getrübt.
Was passiert?
Der Krieg läuft nicht gut für die Föderation. Daher entwickelt die Crew mit Sarek und Admiral Cornwall einen verwegenen Plan, der auch die Imperatorin der Terraner aus dem Spiegeluniversum einbezieht ...
The Good: Talky Trek is back
Beginnen wir mit dem Positiven. Die Episode vollzieht nach all den Comic-Darstellungen der vergangenen Wochen eine Vollbremsung und deutet die Serie ohne Vorwarnung wieder auf klassisches Star Trek mit ausufernden Dialogen um. So erleben wir an verschiedenen Fronten lange überfällige Auseinandersetzung mit den Krisen der Vergangenheit und Gegenwart. Das ist gut und wichtig.
Saru und Burnham erhalten Gelegenheit, ihr Vertrauensverhältnis aufzupolieren und weitere Schritte aufeinander zuzugehen, Tyler trifft erstmals nach dem Mord an Dr. Culber auf Stamets, der zwar innerlich brodelt, jedoch gerade noch die Fassung bewahrt, Cornwall und L'Rell treffen erneut aufeinander und diskutieren den Kriegsverlauf, Burnham setzt sich mit Imperatorin Georgiou auseinander, Sarek und Georgiou erhalten Gelegenheit ihre verschiedenen Standpunkte bezüglich ihres Pflegekindes Burnham auszutauschen, Sarek und Burnham nehmen Abschied (der irritierend final klingt), und Tyler und Burnham dürfen über ihre komplexe Beziehung, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sprechen. Man merkt es bereits an dieser Aufzählung: Der Episode liegt ein mehr als redseliges Drehbuch zugrunde. In vielen dieser Unterhaltungen bringt Autorin Lisa Randolph gute Gedanken unter und macht die Figuren greifbar. Über mehrere Episoden verteilt wäre diese Charakterentwicklung zwar deutlich homogener gewesen, der Ansatz stimmt jedoch freudig.
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Auch die Rückkehr von Cornwall und Sarek fördert starke Momente zutage. Sie bringt zunächst die Crew und uns auf den neuesten Stand, was den Krieg angeht. 22 Prozent der ehemaligen Territorien hat man an die Klingonen verloren – was gar nicht so viel klingt, wird hier dennoch äußerst dramatisch dargestellt. Auch sieht die erneut gezeigte Karte eher danach aus, als habe man bereits das Vierfache an die Kriegerrasse abgegeben. So schön es dabei ist, endlich etwas über Schlachten und relevante Ereignisse zu erfahren, so sehr beweist auch diese Sequenz wieder die "tell, don't show"-Mentalität der Macher. Die gewählte Form - der runde Konferenztisch - ist jedoch wieder klassisches Star Trek.
Zuletzt besticht erneut Saru mit seiner Führungskompetenz - er wäre ein wunderbarer Captain für die USS Discovery. Vielleicht mit Burnham als erstem Offizier?
In der Messe setzt sich Tyler alleine an einen Tisch. Tilly jedoch begreift sich direkt als Moraloffizier und setzt sich zu ihm. Was an sich eine wunderbar typische Trek-Botschaft und mehr als liebenswert ist, gerät nur dadurch etwas außer Kontrolle, als sich nach und nach die halbe Messe erhebt und zu Tyler geht. Das Gefühl, in einer Wendy-Verfilmung gelandet zu sein, beschleicht an dieser Stelle den geneigten Zuschauer. Weniger ist mehr, liebe Autoren. Das Herz hat die Szene aber definitiv am rechten Fleck.
The Bad, Part I: Killing Captain Killy
Wie spannend war doch der Gedanke, was die Crew der echten ISS Discovery unter dem Kommando von Captain "Killy" wohl im Prime-Universum in der Zwischenzeit getrieben habe? Nun ja - die Autoren fanden die Idee offenbar eher langweilig. Man speist uns damit ab, dass die Klingonen das Schiff einfach so zerstören konnten. Wer als auf ein paar Momente mit den Spiegelversionen im Prime-Universum gehofft hatte, wird enttäuscht. Auch das erzählerische Potential der Sache (schließlich hätte die Crew sich ja auch völlig unerwartet den Klingonen anschließen und zur Vernichtung der Föderation beitragen können) lässt man somit komplett brachliegen. Schade.
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The Bad, Part II: Poor Tyler
Was wird aus Ash Tyler? Wer genau ist dieser Tyler jetzt überhaupt? Man hätte sich viele Fragen über das Wesen stellen können, das genaugenommen aus einem chirurgisch veränderten klingonischen Körper und Gedächtnisengrammen und DNA-Spuren des echten Tyler besteht. Eine Art leere Hülle mit einem falschen Bewohner sozusagen. Leider macht man es sich jedoch in der Erklärung denkbar einfach. Voq ist weg und Tyler ist nun Tyler - ein Mensch, der in gewisser Weise besessen war und dabei Schlimmes getan hat, deswegen seinen Rang verliert, eine Art Handfessel bekommt und als Studienobjekt der Sternenflotte enden könnte. Die spannendste Frage scheint nur noch zu sein, ob Burnham ihm verzeihen kann und das Paar am Ende doch eine Zukunft haben wird.
Ein enttäuschendes Ende der Voq/L'Rell-Geschichte. L'Rell darf diesmal aber zumindest wieder an der Handlung teilnehmen, kommt jedoch nicht über ihre bereits bekannte Kriegstreiberei hinaus. Klingonen in Sternenflotten-Schlafanzügen verlieren eben doch irgendwie jegliche Faszination. Mary Chieffo ist hier jedoch kein Vorwurf zu machen. Sie spielt die einzig interessante Klingonenfigur weiterhin stark - allerdings nur im Original. Ihre deutsche Synchronisation bleibt unerträglich.
The Bad, Part III: Pauls Spore Magic
Vergangene Woche wurde ein riesiges Fass aufgemacht, dass der Vorrat an Sporen durch den finalen großen Sprung nun endgültig aufgebraucht sei. Da rein handlungstechnisch jedoch angesichts des neuen Plans weitere Sprünge nötig sind, fällt Stamets doch noch sein geheimer Vorrat an Pilzen ein, die er sofort mit einer klaren Reminiszenz an Star Trek III: The Search for Spock und dem dort gezeigten Genesis-Effekt auf einem unbewohnten Mond einsetzt, um seinen Sporenwald neu zu züchten. Fast hätte man ihm die Worte "Was habe ich mich denn letztes Mal so aufgeregt, war doch eigentlich super einfach!" in den Mund gelegt gewünscht.
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Erneut erzeugen die Autoren also eine Situation, die ausweglos wirkt, kurz darauf jedoch aus dem Nichts wieder gelöst wird. Ein- oder zweimal mag man das schlucken, irgendwann - spätestens hier - fühlt man sich jedoch veralbert. Dass die Szene an sich viel vom typischen Star-Trek-Gefühl birgt und durchaus fasziniert, macht die ungünstige Vorarbeit nur ärgerlicher. Verschenktes Potential. Ich weiß, ich klinge wie eine kaputte Schallplatte, die Serie macht es einer kritischen Auseinandersetzung aber leider auch nicht gerade einfach.
The Bad, Part IV: Georgiou Is and Isn't Back
Viel Sinn hatte die Aktion, Georgiou aus dem Spiegeluniversum mitzunehmen, ohnehin nicht gemacht. Burnham hatte hier wieder einmal schlicht überreagiert und gibt dies nun auch unumwunden zu. Doch was fällt ihrer Vorgesetzten Admiral Cornwall dazu ein? Sie setzt die Imperatorin auf den Stuhl des Captains der Discovery und erklärt der verblüfften Crew, dass es sich um die Echte handen würde, die man aus der Gefangenschaft der Klingonen befreit habe? Ist das nicht ziemlich herzlos und .... dumm? Was erwartet sich Cornwall davon? Sie setzt eine Despotin, die bereit ist, über Leichen zu gehen, in den Chefsessel? Eine Frau, deren Agenda völlig unklar ist. Es ist ja nun zudem nicht so, dass Sternenflottenoffiziere keine schwierigen Entscheidungen treffen könnten. Saru und Cornwall hätten diese Mission sicher ebenfalls kompetent anführen können. Nun aber die Crew zu belügen, ihr falsche Hoffnungen zu machen und eine potentiell Wahnsinnige mit fragwürdigem Charakter in eine Uniform zu zwängen - sorry, ich sehe darin keinen Sinn. Hilfestellung gerne in den Kommentaren.
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... and the Ugly: The Bigger Picture
Kommen wir nun zurück zum übergeordneten Handlungsbogen der Staffel: Dem Krieg mit den Klingonen. Nun stehen wir also plötzlich an einem Punkt, der eigentlich kaum mehr die Auflösung der Geschichte innerhalb dieser Staffel erlaubt. Was kann wirklich noch passieren, diese vertrackte Situation zu lösen? Wir wissen: Qo'noS wird nicht zerstört werden, ohne eine neue Zeitlinie aufzumachen. Die Klingonen werden aus den gleichen Gründen nicht ausgelöscht oder besiegt werden können. Es kann realistisch betrachtet nur einen Waffenstillstand geben. Auf dem Weg zu einem solchen befinden wir uns jedoch dramaturgisch gerade eher gar nicht. Der Plan der Crew der Discovery kann somit eigentlich doch nur in eine erneute alternative Zeitlinie führen. Oder wir befinden uns bereits in einer weiteren alternativen Zeitlinie (und die Crew bemerkt das zeitnah und kehrt ins richtige Universum zurück, wo der Krieg gerade beendet wurde).
All das macht jedoch wieder im Kontext mit einigen Entwicklungen wenig Sinn.
Der Besuch ins Spiegeluniversum wird zur Geheimsache erklärt, was im Kontext mit der Überraschung der Crew in der Classic-Episode "Mirror, Mirror" absolut logisch ist. Dass man allerdings überhaupt sich die Mühe macht, diesen Umstand nun extra zu erklären, ist entweder eine gewiefte falsche Fährte oder lässt die Theorie eines noch folgenden Resets der Zeitlinie bröckeln. Auch das erneute Umdekorieren des Schiffes von ISS auf USS stützt diese These. Warum hätte man sich diese Arbeit gemacht, wenn man eine Episode später vorhat, alles auf null zu drehen? Ergibt wenig Sinn.
Ähnliches gilt dann auch für die Erwähnung von Captain Archer und der NX-01 - warum just in dieser Episode eine derart konkrete Kanonreferenz unterbringen, um dann kurz darauf eine alternative Zeitlinie zu zeigen oder zu erzeugen. An dieser Front deutet aktuell eher alles darauf hin, dass wir entweder mit diesen kleinen Kniffen noch auf den Arm genommen werden oder aber wirklich in dieser (Prime-)Zeitlinie verbleiben werden - egal was noch passiert.
Oder - und diese Möglichkeit gibt es ja auch noch immer - Stamets zählt eins (Sporenantrieb taugt als Zeitmaschine) und eins (der Sporenvorrat ist wieder aufgefüllt) zusammen und schlägt im Moment höchster Not vor, zurückzufliegen. "Zurück in die Zukunft!", wie Doc Brown dramatisch ausrufen würde. Dann könnte man den Krieg direkt verhindern, Burnham müsste nicht meutern, niemand würde sterben, Lorca könnte enttarnt und der Echte vielleicht samt Crew gerettet werden, und am Ende hätte Burnham eventuell sogar ihr im Prologfilm versprochenes Kommando - über das Forschungsschiff Discovery, dessen Antrieb man aus Sicherheitsgründen aber natürlich einmotten würde. Ich muss zugeben: Akut deutet nichts, aber auch gar nichts, auf diesen Fortgang der Handlung hin. Vielleicht bekommen wir eben auch gar keine Auflösung innerhalb dieser Staffel zu sehen, sondern enden wie so oft in den vergangenen Episoden mit einem bösen Cliffhanger, der uns ein Jahr rätseln lässt.
Frei nach Robert Lembke: "Welches Schweinderl hättens denn gern?" Fakt ist: Einige dieser Schweinchen würden am Ende zumindest im Abgang nach Kröte schmecken - was die Wahl nicht erleichtert. Wobei: Wir haben gar keine. Wir können nur abwarten, was die Autoren sich im stillen Kämmerlein überlegt haben.
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Mir wäre inzwischen am liebsten, man würde den Konflikt mit den Klingonen in der letzten Episode beilegen, Georgiou ins Spiegeluniversum zurückschicken und mit diesem Stand in die zweite Staffel starten.
Was bleibt, ist aber dennoch die wenig erfreuliche Erkenntnis bezüglich des - als großer Handlungsbogen - angekündigten Krieges: Da die Autoren leider kein Interesse daran hatten, diesen wirklich zu durchdenken, nach Lösungen zu suchen und einem realistischen Szenario zu graben, müssen wir weiterhin mit den Abkürzungen Vorlieb nehmen, die sie uns hier und da bieten. Immer nach dem Motto: "Tell, don't show". Diese Abkürzungen werden sicher zu irgendeiner Lösung führen, die es den Produzenten ermöglicht, nächste Staffel direkt oder leicht verzögert in neue von Krieg unbelastete Abenteuer zu starten. Warten wir einfach nochmal ab, wie sie es am Ende wirklich drehen werden.
Einige Beobachtungen
Tyler erklärt noch einmal das von den Mokai angewandte Verfahren, welches zu seiner Umwandlung von Voq in Tyler führte. Auch deutet er die Liebe von Voq zu L'Rell an, die zu dessen Entscheidung geführt habe.
Die Klingonen haben sich nach Kols Tod wieder entzweit, kämpfen jedoch nun nur noch verbissener gegen die Föderation, da der Krieg zu einer Art internem Wettstreit geworden ist.
Es wird explizit erwähnt, dass es ein großes Risiko darstellt, mit Warp umherzufliegen statt mit dem Sporenantrieb. Dennoch gelangt man kurz darauf ohne Zwischenfall zu Sternenbasis 1. Fehlte hier etwas im Drehbuch oder wurde geschnitten?
Mit Dr. Pollard kehrt eine Ärztin zurück, die wir bereits kennen, jedoch ebenfalls nicht als CMO fungiert. Auf diesen warten wir immer noch - genau wie auf den Chefingenieur des Schiffes.
Die Staffel füllt ihr WTF-Konto mit einem erneuten Twist am Ende. Fast fühlt man sich hier an LOST erinnert, wo der Spannungsaufbau allerdings deutlich besser funktionierte und der Überraschungseffekt größer war. Ganz ehrlich: Ich wünsche mir für das zweite Jahr eine Staffel gänzlich ohne Twists. Die Autoren haben dieses Thema in nur vierzehn Episoden bereits derart ausgereizt, dass M. Night Shyamalan wie ein Waisenknabe neben ihnen aussieht.
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Technisch betrachtet
Schauspielerisch darf erneut Shazad Latif als zerrissener und von Schuld geplagter Tyler begeistern, doch auch Sonequa Martin Green zeigt eine ihrer besten Performances der bisherigen Staffel.
Das Drehbuch stammt zum zweiten Mal von Lisa Randolph, die mit "The Wolf Inside" die vielleicht beste Episode der bisherigen Staffel ablieferte. Auch hier kann man ihr eigentlich keinen großen Vorwurf machen, da eher die grobe Richtung der Staffel und einige Grundlagenentscheidungen und somit das Gesamtbild in Frage steht, nicht aber ihre Ausarbeitung des dazu benötigten Weges. An sich gelingt ihr eine ruhige, dialoglastige Episode, die sich auf die Figuren konzentriert und damit an klassisches Star Trek erinnert - viele kritische Nachfragen müsste man eher den Showrunnern stellen.
Regie führt David Solomon, der bereits seit den 80er Jahren (Matlock) aktiv ist und an unzähligen Genreserien gearbeitet hat (Chuck, Fringe, Grimm, Zoo).
Die Frau des Rezensenten
Als der Abspann lief, hatte sie nur einen Gedanken: Sie wartet auf Captain Iglo - ihrer Meinung nach hat die USS Discovery bisher nämlich bereits so oft den befehlshabenden Offizier gewechselt, dass nur der beliebte Fischstäbchen-Kapitän noch fehlt. Sonequa Martin Green gefiel ihr hingegen erstmals richtig gut, was sie jedoch auch am besseren Dialogmaterial festmacht. Insgesamt fehlt ihr noch jede Idee, wohin das Ganze führen wird - Spannung erzeugt die Serie aber allemal.
Gib dem Kind einen Namen
The War Without, the War Within: Eine steht fraglos fest: Der Krieg da drinnen war die ganze Staffel über größer als der Krieg da draußen, was zumindest in der Hinsicht erfreulich ist, als dass man die Figuren offenbar ernst nahm und sie nicht an billige Schaueffekte verramschte. Ein wenig mehr Krieg da draußen hätte es jedoch gerne trotzdem sein dürfen.
Fazit
Die vorletzte Episode baut ein Kartenhaus auf, das abhängig davon, wie man es am Ende fertigzustellen gedenkt, leicht in sich zusammenfallen könnte. Auf diese Weise birgt die Staffel mit ihrem eingeschlagenen Weg möglicherweise enormes Frustpotential. Auch geraten einige Entscheidungen flach und lieblos. Die Episode an sich rettet sich derweil aber durch einige gute Charaktermomente über die Zeit. Diese sind teilweise sogar so gut und klassisch Star Trek, dass man dem Gesamtwerk weder einen gewissen Unterhaltungswert, noch den Versuch, um die Figuren bemüht zu sein, absprechen kann. Belassen wir es also bei einer moderaten Empfehlung.
Bewertung: 3.5 von 5 Sterne