Diese Folge hat jede Menge Pferde. Und Kutschen. Es ist eine gute Folge. Aber nungut, da ist vermutlich jeder anders gestrickt. Auch jenseits der vierbeinigen neuen Nebendarsteller macht “A New Beginning” ihrem Namen alle Ehre - der Auftakt zur neunten Staffel von The Walking Dead fühlt sich erfreulich vertraut und doch frisch an.
Wild Wild West
Eigentlich schade, dass sie das Filmlied von Wil Smith nicht eingebaut haben. Wie angekündigt beginnt die Staffel mit einem Zeitsprung. Es sind ein paar Monate nach dem Ende des Kriegs mit Negan vergangen, und es scheint ein beinahe paradiesischer Zustand zu herrschen. Zumindest im Vergleich mit dem Zustand, den man bisher von The Walking Dead gewohnt war.
Insbesondere die Anfangssequenz mit dem entspannten Papa Rick, Quasi-Mama Michonne und der fröhlich malenden Judith erinnern stark an die Traum-Sequenzen der vergangenen Staffel. Als sei Carls Zukunftsfantasie tatsächlich Wirklichkeit geworden.
Natürlich ist alles nicht so einfach. Der Aufbau einer großen, funktionierenden Gemeinschaft über mehrere Standorte hinweg erfordert viel Arbeit und Ressourcenverteilung. Auf der einen Seite geschieht dies sehr modern mit Solarpanels und Windkrafträdern. Viel prägender ist jedoch das Bild von rustikaler Feldarbeit zwischen Holzpaneelen in nostalgischer Wild-West-Romantik.
© Jackson Lee Davis / AMC
Zurück in die Zukunft
Es ist schön, die Crew aus alten und neueren Gesichtern endlich wieder zusammenarbeiten zu sehen. Grund ist eine Erkundungstour und Rohstoff-Mission in die Hauptstadt. Auch hier kommt wieder das alte Gefühl aus den Anfängen der Serie auf, als Rick alleine und später in kleiner Gruppe durch Atlanta zieht. Zerfallene städtische Infrastruktur, lauernde Zombies und Teamgeist. Ja, The Walking Dead scheint wirklich wieder zu sich gefunden zu haben.
Diesmal ist es Washington mit dem Naturkundemuseum als Ziel. Zwar stellt sich schon die Frage, warum der Zerfall dort teilweise so weit fortgeschritten ist, es immer noch so viele Zombies dort gibt und anscheinend noch keiner zuvor auf die Idee gekommen ist, sich im Museum zu versorgen, aber auch das ist ein wichtiger Teil vom Spaß bei The Walking Dead. So kann man sich über den aufregenden neuen Handlungsort in wunderschöner Gebäudekulisse freuen.
Wie sich herausstellt war die Mission Jadis' Idee. Vor dem Ausbruch der Seuche war sie Lehrerin und wußte durch einen Ausflug, dass es dort eine große Sammlung an Samen gibt. Und wo man schon mal da ist, kann man aus der Vergangenheit lernen und Dinge wie Pferdepflug, Baumstamm-Kanu und Planwagen als Vorlage mitnehmen.
Man hat wohl auch erkannt, dass einfach nur Zombies schon lange nicht mehr schocken. Entsprechend kombiniert man es mit anderen Ängsten. Sei es die vor Höhe/Glasfußböden mit einer Horde Zombies drunter oder einem Überraschungsschocker mit einem Zombie, aus dessen Augen- und Mundhöhle viele Spinnen explosionsartig herausstürzen. Der Glasfußboden müsste die gezeigte Belastung übrigens eigentlich spielend aushalten, aber dann würde natürlich die aufregende Splitter-Szene inklusive baumelnden Ezekiel fehlen.
© Jackson Lee Davis / AMC
Trauerarbeit
Beim Rückweg zeigt sich, dass die Gruppen zwar einigermaßen gut miteinander vernetzt sind und gewisse Struktur herrscht, doch auch einiges noch im Argen liegt. Angefangen beim Zustand von Brücken und Straßen bis hin zu natürlich noch nicht verarbeiteten Konflikten. Krieg, harte Verluste und fragwürdige Zukunftsaussichten können an keinem spurlos vorübergehen.
Erstes neues Opfer ist der eher unbekannte Ken. Der junge Bursche aus dem Hilltop versucht, mitten in einer Zombiehorde eines der Pferde freizuschneiden und wird natürlich gebissen. Seine Bewußtlosigkeit wird mit einem schwarzen Bildschirm und langsam einsetzenden Stimmgewirr interessant rübergebracht. Erst hat es den Anschein, als könne er durch Amputation des Armes gerettet werden, doch er verstirbt schnell. Maggie geht dies sichtlich nahe, sie lässt es sich aber nicht nehmen, den sanften Gnadenstoß ins Hirn zu geben.
Maggie hat nach Ende des Krieges die demokratische Wahl zur Anführerin gewonnen und große Verantwortung übernommen. Ihr Baby hat überlebt und ist mit ein paar Monaten nun alt genug, dass sie wieder auf Touren gehen kann. Allerdings auf keinen Fall nach Alexandria, solange dort weiterhin Negan am Leben gehalten wird. Dass sie ihr Kind Hershel nennt, ist naheliegend und ausgerechnet in dieser Woche besonders berührend. Scott Wilson, der in der Serie Maggies Vater Hershel spielte, ist am 6. Oktober gestorben. Erst kürzlich wurde bekannt, dass seine Figur in der neunten Staffel noch einmal auftaucht.
© Jackson Lee Davis / AMC
Ein neuer Sheriff ist in der Stadt
Bei Maggie läuft alles zusammen und sie kümmert sich hauptverantwortlich um Hilltop, doch hat jede Gemeinde ihren eigenen Anführer. Im Kingdom arbeiten Ezekiel und Carol, die nun offiziell ein Paar sind, zusammen am Wiederaufbau. Immerhin hat das Kingdom so ziemlich alle seiner Krieger verloren. Michonne und Rick halten Alexandria am Laufen.
Daryl hat die Aufgabe übernommen, das Sanctuary im Griff zu haben. Eine Aufgabe, die er wieder loswerden will. Er ist nicht gemacht für den trostlosen Ort umgeben von hohen Mauern. Zwar scheinen die einstigen Saviors sehr froh über das Kriegsende zu sein und feiern Rick gar als Helden, doch keimt auch immer wieder Unmut inklusive “Wir sind immer noch Negan”-Schriftzügen auf. Auch die anderen Gemeinden sind nicht ganz so glücklich mit dem Erhalt der Savior. Die Wunden sitzen tief, und zudem kann das Sanctuary sich nicht selbst erhalten. Es hatte Gründe, warum Negan darauf angewiesen war, von anderen versorgt zu werden. Nicht alle haben Lust, diesen Standort weiter derart zu unterstützen und dafür wenig Gegenleistung zu erhalten. Dass Carol sein Gespräch mit Rick zufällig mitbekommt, beschert uns eine schöne Szene zwischen ihr und Daryl. Sie möchte das Sanctuary eine Weile für ihn übernehmen. Auch wenn das heißt, vorerst von Ezekiel getrennt zu sein.
© Jackson Lee Davis / AMC
Im Hilltop hat der Tod von Ken ein größeres Nachspiel. Gaukelt einem die Beerdigung mit überraschend schönen Gesang von Alden und passend-ergreifender Rede von Gregory in ruhigen Tönen noch ehrliche Trauer vor, wird schnell klar, dass Gregory die Situation ausnutzt. Sollte eigentlich klar sein. Warum lebt der überhaupt noch?
Gregory hat sich - aus welchen Gründen auch immer - bei der Wahl als Anführer ebenfalls zur Wahl gestellt. Nun nutzt er den Vorfall, um bei seinen alten Verbündeten im Hilltop Stimmung gegen Maggie zu machen. Mit Erfolg. Gregory leitet Maggie und Baby Hershel Richtung Glenns Grab, wo bereits Kens Vater auf sie wartet und ein Attentat verübt. Enid und Alden greifen rettend ein. Als Maggie wutentbrannt Gregory zur Rede stellt, greift dieser diesmal selbst an. Erst scheint es, als ersticht Maggie ihn in Notwehr - nur um kurz später zu einer krassen Endszene zu führen.
Mit Maggie ist nicht zu spaßen: Wie um den Wild-West-Aspekt auf die Spitze zu treiben, wird Gregory öffentlich gehängt. Etwas, das so viel grausamer anzusehen ist als all der Zombie-Splatter der Serie. Selbst, wenn man sich die ganze Zeit das Ableben von Gregory wünschte.
Fazit
Eine vollgepackte Episode, die dennoch genug Ruhe für einzelne Charaktermomente hat. Nach langer Zeit kommt endlich wieder die Stimmung früher Staffeln auf und setzt so ein Zeichen: The Walking Dead ist zurück.