Retro-Kiste: Expedition Adam ’84 – Die Besucher

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Die Besucher

In den 80er Jahren waren Zeitreisen noch einfach – man braucht einfach das richtige Auto: einen DeLorean DMC-12, wie in Zurück in die Zukunft, oder einen Lada Niva. Auf dem ersten Blick scheint der DeLorean mehr herzumachen, aber der Lada ist unauffälliger, bietet genügend Platz für vier Zeitreisende samt Ausrüstung und ist bei der Rückreise nicht auf einem Blitzschlag angewiesen. Denn wenn man aus der Zukunft zurück in das Jahr 1984 reist, ist Unauffälligkeit das oberste Gebot, um den Lauf der Vergangenheit nicht zu verändern.

"Vor allem nicht auffallen!"

Eigentlich sind Zeitreisen im Jahr 2484 streng verboten und es braucht schon einen wichtigen Grund, damit der Weltenrat zustimmt, vier Wissenschaftler 500 Jahre in die Vergangenheit zuschicken. Als der Zentraldenker der Menschheit errechnet, dass sich ein Meteorit auf Kollisionskurs mit der Erde befindet, bleibt keine andere Möglichkeit, um die Menschheit und die Delfine zu retten.

Der rettende Vorschlag kommt von dem Akademiker Filip, der seit langen das Leben und Werk Adam Bernaus studiert. Dieses große Genie des 20. Jahrhunderts hatte schon in seiner Kindheit eine Formel errechnet, mit der man ganze Welten verschieben kann. Leider wurde das Heft mit der Berechnung im Jahr 1984 bei einem Brand im elterlichen Wohnhaus vernichtet. Als Feuerwehrleute getarnt soll nun eine Expedition aus der Zukunft beim Brand auftauchen und im Chaos der Löscharbeiten unauffällig das verschollene Heft an sich nehmen.

Die Besucher würden, wenn alles nach Plan läuft, nur wenige Stunden bleiben und nur minimal in den Lauf der Vergangenheit eingreifen. Natürlich läuft nicht alles glatt und Filip, der Arzt Dr. Noll, der Techniker Karas und die Historikerin Katja müssen länger in der Vergangenheit bleiben als geplant, um so ein zweites Heft mit Adam Bernaus Berechnungen an sich zu bringen.

Für die vier Besucher hält das Leben in der Kleinstadt Kamenice viele Überraschungen bereit. Der Umgang mit Geld, archaische Ernährungsweisen und ihre generelle Unwissenheit über das alltägliche Leben im 20. Jahrhundert drohen ständig, sie auffliegen zu lassen, bevor es ihnen gelingt, die Erde vor ihrer Vernichtung zu retten.

"Genau darüber wundern sich die Leute ja, dass wir nur Apfelsinen und Eier essen."

Die Science-Fiction-Serie Die Besucher war eine Koproduktion des tschechoslowakischen Fernsehens mit dem WDR, dem Bayerischen Rundfunk und der Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft. Die 15 Folgen wurden Ende 1983 zuerst in der Tschechoslowakei und Anfang 1984 in der ARD ausgestrahlt. In der DDR war die Serie später unter dem Namen Expedition Adam '84 zu sehen.

Hinter der Produktion steckt das Filmstudios Barrandov. Einen ersten Namen machte sich das Studio mit den Filmen Das Geheimnis der Burg in den Karpaten, Auf dem Kometen und Das Geheimnis der stählernen Stadt nach Motiven von Jules Verne. Außerdem war das Studio Barrandov für die Märchenverfilmung Drei Haselnüsse für Aschenbrödel mitverantwortlich.

In den 1970er und 1980er Jahren drehte das Filmstudio in Zusammenarbeit mit dem WDR und dem damaligen tschechoslowakischen Fernsehen auch mehrere Kinderserien – darunter Pan Tau, Die Märchenbraut, Luzie, der Schrecken der Straße und Der fliegende Ferdinand.

Wer als Kind die ein oder andere der Serien gesehen hat, dürfte viele Schauspieler in Die Besucher wiedererkennen. In kleineren Nebenrollen sind Otto Šimánek (Pan Tau), Jiří Lábus (Der Zauberer Rumburak in Die Märchenbraut) und Vladimír Menšík (Die Märchenbraut, Der fliegende Ferdinand) zu sehen.

Unter den vier Besuchern aus der Zukunft ist besonders Josef Bláha (Das Mädchen auf dem Besenstiel) in der Rolle des Akademikers Filip hervorzuheben. Er versteht es gut seine Rolle ernsthaft zu verkörpern und nur mit wenigen Blicken Situationskomik herzustellen, die nie ins Alberne abzurutschen droht. Jiří Datel Novotný (Luzie, der Schrecken der Straße) spielt den Expeditionsarzt Dr. Noll ein wenig inkonsequent. Seine Wandlung vom strengen Hüter der Regeln zum Playboy, der Kontakt zu den Frauen des Jahres 1984 sucht, wirkt nicht glaubhaft – was zum Teil auch am Drehbuch liegen mag.

Im Gegensatz dazu liefert Josef Dvořák (Die Märchenbraut) als Techniker Karas eine sehr überzeugende Darstellung eines Besuchers aus der Zukunft, der sich neugierig vor allem auf kulinarische Experimente einlässt. Dagmar Patrasová (Die Märchenbraut) spielt die einzige weibliche Besucherin Katja Jandova. Leider wird sie zu oft auf ihr Äußeres reduziert und hat es schwer ein eigenes Profil zu entwickeln.

Wenig Entwicklung gibt es auch beim jungen Adam Bernau, was aber nicht ins Gewicht fällt. Viktor Král (Der fliegende Ferdinand) nimmt man das junge Genie, welches sich eigentlich nur für Fußball, Unsinn und seine Freundin Ali interessiert, immer ab. Vlastimil Brodský (Das Geheimnis der Burg in den Karpaten) als Adams „Lehrmeister" Alois Drchlík macht vielleicht die größte Entwicklung durch. Spätestens, wenn er mit den Besuchern in direkten Kontakt tritt, zeigt Brodský, dass er mehr als nur den lustigen Trinker spielen kann.

Der Regisseur Jindřich Polák (Pan Tau, Ikarie XB 1) und der Drehbuchautor Ota Hofman (Unterwegs nach Atlantis, Die Tintenfische aus dem zweiten Stock) waren ebenfalls in der tschechoslowakischen Serienlandschaft keine Neulinge. Auch wenn einen der Name Karel Svoboda nichts sagt, kennen die meisten seine Melodien aus Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. Svoboda schrieb auch die Musik zu Die Besucher. Seine Titelmelodie erinnert wage an den deutschen Captain-Future-Soundtrack von Christian Bruhns.

"Das ist wohl Krieg?" "Nein, nein so haben die Menschen sich amüsiert."

Natürlich ist ein modern klingendes Intro wichtig, um die Zuschauer glaubhaft in die Zukunft zu führen. Dort spielen die ersten beiden Folgen der Serie, der Zeitsprung in die Vergangenheit findet erst in der dritten Episode „Kontakt" statt. Positiv fällt auf, dass sich viele Fakten über das Leben im Jahr 2484 nur aus der Handlung erschließen lassen oder später in scheinbar unwichtigen Nebensätzen fallen. So erfährt man nebenbei, dass der Mars besiedelt wurde, ein Raumschiff nach Alpha Centauri gestartet ist, die Menschheit das Wetter beeinflussen kann, Delfine im Weltenrat vertreten sind und 2324 per Volksabstimmung das Bier abgeschafft wurde.

Die Vorstellungen der Erdbewohner der Zukunft über die grausame Vergangenheit mit brutalen Kriegen, ansteckenden Krankheiten und ungesunden Essgewohnheiten stehen im starken Kontrast zum später gezeigten gemütlichen Kleinstadtleben im Jahre 1984 – auch wenn die Besucher Campingplätze für Armensiedlungen halten. Allerdings können sie auch nicht Kühe von Schafen unterscheiden.

An einer kleinen Stelle fällt auf, dass die Produktion aus einem Land des ehemaligen Ostblocks stammt. Wenn die Expeditionsteilnehmer zur Vorbereitung einen Lehrfilm über das 20. Jahrhundert anschauen, sind demonstrierende Arbeitslose zu sehen. Deutlich zu erkennen ist auf den Schildern der Demonstranten der Schriftzug „We want Jobs", sodass jedem klar ist, auf welcher Seite des Eisernen Vorhangs die Arbeitslosigkeit herrscht.

"Flaschen! Die zahlen hier mit Flaschen!"

Die Gestaltung des Jahres 2484 kann sich auch heute sehen lassen – auch wenn sie sicher hinter den üblichen Hollywoodproduktionen der damaligen Zeit zurückbleibt. Das Filmstudio Barrandov setzte auf Minimalismus und zeigt bei Szenen, die in der Zukunft spielen, oft grüne Wiesen, Meere und Schneelandschaften. Aber das Design der Kleidung, der Station des Zentraldenkers und der Raumschiffe ist auch knapp dreißig Jahre später noch sehr überzeugend.

Während Tricks wie die Zubereitung der futuristischen Speisen gut funktionieren, waren andere Spezialeffekte, wie die Maulwurfsfahrt, sicher schon damals nicht auf der Höhe der Zeit. Für eine tschechoslowakische Fernsehproduktion aus dem Jahr 1984 gehen sie aber durchaus in Ordnung – gerade wenn man im Hinterkopf behält, dass die Serie für Kinder gedreht wurde.

Interessant ist neben der Zukunft auch die Gegenwart im Jahr 1984. Hier wird deutlich, wie sich die wirklichen 80er-Jahre von der heutigen 80er-Retrowelle unterscheiden. Es dominieren nicht grelle Farben, schrille Klamotten und alte amerikanische Popsongs das Geschehen. Die 80er waren oftmals spießig und für die Zeitgenossen recht unspektakulär. Dies wird in der Szene während der Feier im Hotelrestaurant sehr deutlich.

"Auch bei meiner Urgroßmutter hat es dreimal wöchentlich Algen gegeben."

Ein Wiedersehen mit den Besuchern lohnt sich für alle, welche die Serie als Kind geliebt haben. An dem Charme und der Nostalgie Die Besucher kann man sich auch als Erwachsener erfreuen – und gerade das Design der Zukunft ist gut gealtert. Vielleicht wäre eine Neuauflage der Serie eine gute Idee für eine erste potenzielle tschechische Netflix-Produktion. Bis dahin sei die Originalserie auch neuen Zuschauern ans Herz gelegt.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Ceskoslovenská televize Praha/WDR/BR/SRG/Barrandov

Expedition Adam 84 (Die Besucher) - Intro Folge 2 mit Rückblende auf Folge 1

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