DC-Comic-Kritik zu Nightwing 3 - 5

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Nightwing

Nachdem im Rahmen dieser Reihe zunächst die ersten und später die zweiten Bände (diese sogar im Doppelpack) ausgewählter Reihen aus dem DC-Rebirth-Kosmos im Fokus gestanden haben, folgen nun Dreierpacks, bestehend aus den Nummern 3, 4 und 5 der einzelnen Serien. Spätestens nach der Lektüre dieser Beiträge sollte man dann eigentlich einschätzen können, welche Helden man auch weiterhin lesend begleiten möchte, und welche eher nicht.

Nightwing muss sterben

Mit dem fünften Paperback, der ebenfalls in diesem Artikel besprochen wird, endet Tim Seeleys Nightwing-Run, das wahre Finale wird aber in Nightwing muss sterben erzählt. Der die Einzelheftausgaben 15 bis 20 beinhaltende Band profitiert nicht nur von starken Zutaten, sondern auch von einem tollen Rezept. Und da der Autor eben auch eine Menge von seinem Handwerk versteht, sollte es niemanden überraschen, dass das von ihm zubereitete Gericht auch hervorragend mundet.

Was man mit jeder Seite ein Stück mehr merkt, ist, dass Seeley seinen Protagonisten mittlerweile sehr gut kennt, was nicht verwunderlich ist. Schließlich beschäftigt sich der US-Amerikaner schon lange mit dem einstigen Zirkusartisten. Gemeinsam mit dem aktuellen Batman-Autor Tom King, dessen Reihe ähnlich viel positive Resonanz erfahren hat wie etwa die von Scott Snyder, arbeitete er an der Solo-Serie Grayson. Diese stellt – wie der Titel schon vermuten lässt – Richard “Dick“ Grayson in den Mittelpunkt des Geschehens, der damals als Agent 37 für die Geimorganisation Spyral als Spion arbeitete.  

Obwohl sich all das eigentlich in der The-New-52-Ära abspielte, werden trotzdem gekonnt Versatzstücke aus dieser Zeit in die Handlung integriert, sodass es so wirkt, als wäre von langer Hand geplant gewesen, Nightwings neue Abenteuer unmittelbar mit seiner Undercover-Phase zu verbinden. Dass es zudem sogar zu einem Comeback des dynamischen Duos 2.0 kommt, dürfte besonders langjährige Fans freuen: Als Bruce Wayne einst temporär "verhindert" war, wurde Dick der Dunkle Ritter in Vertretung und sein kleiner, nicht gerade unkomplizierter Quasi-Bruder Damian unterstützte ihn als Robin.

Die Chemie zwischen den beiden Wunderknaben wird wunderbar von Tim Seeley eingefangen. Hervorhebenswert sind vor allem die Momente, in denen sich der leibliche Sohn des Caped Crusaders eingesteht, dass die ganze Protzerei, seine Sprüche und das ständige Sticheln eigentlich nur dazu dienen, um davon abzulenken, wie wichtig ihm der Mensch hinter der blauen Maske eigentlich ist. Zwischen diesen Augenblicken geht es allerdings darum, Dicks neue Freundin Shawn, die ehemalige Schurkin Defacer, zu retten. So actionreich diese Geschichte auch ist, so rasant und packend, am meisten punktet sie mit den Darstellungen der Beziehungen von Dick zu zwei seiner wichtigsten Bezugspersonen.

Vor allem weil sie bestens zu der Ausgangsidee passen, auf der Seeleys restliche Einfälle ganz offensichtlich aufbauen: Besser als Batman! In gewisser Hinsicht trifft diese Aussage auch tatsächlich so zu, denn Dick Grayson will ein Held der Hoffnung sein. Er hat ebenfalls mit ansehen müssen, wie seine Eltern ermordet wurden, und ist damit doch völlig anders umgegangen als Bruce – unter anderem sicher, weil er im Vergleich zu dem Multimillionär jemanden hatte, der dasselbe durchgemacht hat wie er. Spätestens seit der ehemalige “Flying Grayson“ endgültig auf eigenen Beinen steht und als Nightwing nicht nur Kopf der Titans ist, sondern auch unabhängig von Batman das Verbrechen bekämpft, zeigt sich immer mehr, was die beiden unterscheidet. Ihn mit Beginn dieses Runs umziehen und Blüdhaven so zu seiner Stadt, quasi seinem Revier, werden zu lassen, passt da perfekt ins Bild. Das in die Tat umgesetzte Gedankenexperiment lautet also: Wie wäre es, wenn Batman zwar existieren, aber anders agieren würde?

Dick Grayson ist gewillt, das Gute in Menschen zu sehen und im Gegensatz zu Bruce Wayne viel eher bereit dazu, jemandem zu vertrauen oder echte Nähe zuzulassen. Dies ist sicherlich eine Qualität, die ihm auf den ersten Blick in Ansätzen das Leben erleichtert, es ihm auf den zweiten allerdings auch erschwert. Denn gerade weil er so ist, kann er viel leichter Personen, die ihm nahestehen, verletzen oder von ihnen verletzt werden. Sicher, auch der Dunkle Ritter hat seine Prinzipien, der moralische Kompass seines früheren Sidekicks ist jedoch wesentlich ausgeprägter. Dies macht ihn vielleicht zu einem besseren Menschen, zu einem glücklicheren aber nicht – und zu einem besseren Helden ebenfalls nicht.

Nightwing

Blockbuster

Und ebendiese These soll nun gefühlt von Panel zu Panel etwas mehr mit Argumenten unterfüttert werden. Während in Nightwing muss sterben zumindest im Privaten eine Menge so zu laufen schien, wie es sich Dick schon lange erträumt hatte, wird er in Blockbuster direkt wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Seine Freundin Shawn blickt auf viele Dinge zurück, die sie bereut und will sich daher ernsthaft ändern. Sie gehört zu den Run-Offs, einer Gruppe von Ex-Gesetzesbrechern – einige mit besonderen Fähigkeiten –, die dem Verbrechen abgeschworen hat. Die Geläuterten treffen sich regelmäßig in an Treffen der Anonymen Alkoholiker erinnernde Sitzungen. Und die einstige Defacer ist sogar noch einen Schritt weitergegangen: Sie arbeitet im Gemeindezentrum und will alles dafür tun, um so vielen Jugendlichen wie möglich Alternativen zu dem Weg aufzuzeigen, den sie und ihre Freunde damals eingeschlagen haben.

Deshalb ist es auch vollkommen nachvollziehbar, dass ihr Freund endlich in dieser, in der “echten“ Welt ankommen soll. Er mag noch genug Geld aus seiner Spyral-Zeit haben, um das Geld geht es Shan Tsang allerdings gar nicht. Diese Beziehung soll ebenfalls etwas Echtes sein, nicht nur ein gelebter Traum ohne Verankerung in der Realität, und das bedeutet eben auch, dass eine Perspektive jenseits der nächsten nächtlichen Operation erkennbar sein muss. Es ist zweifellos nicht so, dass ein Teil von Bruce Waynes Ziehsohn nicht ebenfalls den Wunsch hegen würde, irgendwann irgendwo richtig anzukommen. Tatsächlich tut er sich jedoch schwer damit, den Beginn dieser lebensverändernden Phase zu terminieren und rechtfertigt seine Unfähigkeit, sich diesbezüglich festzulegen, vor sich und seiner Partnerin stets mit dem nächsten Fall, der vollen Einsatz erfordert.

Mark Desmond war der erste Blockbuster, eine Art Mischung aus Bane und Hulk, eine Kreatur, die nach Einnahme eines Serums plötzlich enorm an Muskel- und Körpermasse zulegt – auf Kosten des eigenen Intellekts. Später betrat dessen Bruder die Bühne und wurde zum zweiten Blockbuster, einem der Erzfeinde von Nightwing schlechthin. Roland Desmond war aber um ein Vielfaches gefährlicher, weil er eine Möglichkeit gefunden hatte, wie er trotz Transformation bei klarem Verstand bleiben konnte. Dieser Bösewicht taucht nun erstmals im Rebirth-Kosmos auf, und zwar als interessanterweise durchaus ambivalente Figur, die offenkundig ihre eigenen Zwecke verfolgt, allerdings auch Grenzen kennt und den neuen Beschützer von Blüdhaven zeitweise sogar (etwa im Kampf gegen Tiger Shark) unterstützt.

All das genügt eigentlich schon, damit Dick sich weiter einreden kann, es könne und müsse irgendwie so weitergehen, doch das geht eben nicht. Spätestens nachdem auch noch seine frühere Flamme Helena Bertinelli alias Huntress auftaucht und Shawn in alte Gewohnheiten verfällt, wird sein Leben bedeutend komplizierter.

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Raptors Rache

Man könnte meinen, alles sei angerichtet für ein fantastisches Finale, einen echten Showdown. Nightwings ehemaliger Mentor, den er schon aus Kindheitstagen kennt und der in dessen Mutter Mary verliebt war, ist nämlich wieder auf freiem Fuß und sinnt auf Rache. Nur: Es fehlt die Fallhöhe, es fehlt an einer “Alles oder nichts“-Atmosphäre.

Als Raptor im ersten Trade eingeführt wurde, spielte ihr Schöpfer Tim Seeley noch auf sehr gelungene Weise mit dem fehlenden Hintergrundwissen des Lesers. Schließlich blickt ein neugeschaffener Charakter logischerweise auf keine jahrzehntelange in Comics dokumentierte Vergangenheit zurück. Dies macht ihn spannend und mysteriös. Jetzt hingegen liegen die Karten einfach zu deutlich auf dem Tisch: Dass jemand, der es sich eigentlich auf die Fahnen geschrieben hatte, für den kleinen Mann einstehen und gegen die Oberschicht vorgehen zu wollen, so leicht all seine Ideale über Bord wirft, nur um sich zu rächen, überzeugt einfach nicht. 

Lustigerweise wird exakt dieser Punkt in einer Sprechblase von dem Mann in Blau und Schwarz ausformuliert, doch eine adäquate Antwort seitens Raptor bleibt aus. Deswegen gerät das letzte Gefecht zwischen den beiden Kontrahenten auch weit weniger spektakulär, als es zweifelsohne möglich gewesen wäre. Da jedoch immerhin Dick Graysons innerer Zerrissenheit weiterhin viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, leidet die Qualität der Geschichte insgesamt nicht zu extrem.

Was außerdem einmal mehr positiv ins Gewicht fällt, ist der Look. Wenn sich wie im Falle dieser Serie bis dato durchgängig dieselben Zeichner abwechseln sowie gelegentlich sogar zusammenarbeiten, stellt sich irgendwann eine Art Vertrautheit beim Leser ein, die dazu führt, dass er noch tiefer in das Erzählte eintauchen kann. Die Stile von Javier Fernández, Minkyu Jung und Miguel Mendonça, die fast alle Kapitel von Seeleys Saga bebildert haben, ergänzen sich zudem schlicht sehr gut, weil sie allesamt sehr filigran sind, wodurch wunderbar unterschiedliche Gesichtsausdrücke eingefangen und Gemütsverfassungen zum Ausdruck gebracht werden können.

Fazit

Tim Seeleys Run hat unglaublich stark begonnen, kann dieses Niveau dann aber nicht ganz bis zum Ende halten. Lesenswert sind die von ihm erdachten Geschichten allerdings dennoch ohne jede Frage. Vor allem weil er sich an eine partielle Neuinterpretation eines der beliebtesten Mitglieder der Bat-Familie herantraut und ihn so sehr aus dem Schatten Batmans heraustreten hat lassen wie wenig Autoren vor ihm.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© DC Comics

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