DC-Comic-Kritik zu Wonder Woman 3 - 5

Nachdem im Rahmen dieser Reihe zunächst die ersten und später die zweiten Bände (diese sogar im Doppelpack) ausgewählter Reihen aus dem DC-Rebirth-Kosmos im Fokus gestanden haben, folgen nun Dreierpacks, bestehend aus den Nummern 3, 4 und 5 der einzelnen Serien. Spätestens nach der Lektüre dieser Beiträge sollte man dann eigentlich einschätzen können, welche Helden man auch weiterhin lesend begleiten möchte, und welche eher nicht.

Die Wahrheit

Es war einer dieser besonderen Momente auf der WonderCon 2016 in Los Angeles: Geoff Johns stellte nach und nach sämtliche Rebirth-Titel mitsamt der dazugehörigen Autoren vor. Der von deutlich hörbarem, starkem Applaus begleitete Auftritt von Greg Rucka sollte eine Art Vorbote des fantastischen Fan- und Kritikerechos sein, das der Run des Autors bei seiner Leserschaft hervorrufen würde. Seine Begründung für seine zweite große Reise an der Seite der Amazonenprinzessin war einfach (und sympathisch zugleich): “How do you say no to Diana?“

Mit diesen Worten war im Prinzip alles gesagt, denn zwischen den Zeilen schwangen gleichermaßen Achtung und Wertschätzung mit, die das Comic-Mastermind für das Mitglied der Justice League seit jeher empfindet. So fühlte er sich schon 2003 einst sehr geehrt, als er zum ersten Mal (bis 2006) für die Geschichten rund um die Halbgöttin verantwortlich zeichnete. Es kommt nicht von ungefähr, dass Lazarus, der wohl beliebteste Comic Ruckas, der nicht bei einem der großen Zwei erschienen ist, vor allem deshalb so beliebt ist, weil er nicht nur mit einer vielschichtigen Handlung oder einem tollen Look, sondern vor allem auch mit einer faszinierenden Protagonistin punkten kann.

Und ganz ähnlich fällt das Feedback zu seinem Beitrag zur Wiedergeburt des DC-Universums aus: Wenn am Ende gefühlt alles eine spezielle Bedeutung hat und alle Puzzleteile tatsächlich ein farbenfrohes Bild ergeben, spricht das für gutes Storytelling. Wenn nahezu alle Haupt- und Nebencharaktere in irgendeiner Form den Leser interessieren und es zu durchaus überraschenden Entwicklungen kommt, ebenso.

Die Wahrheit führt nun alle Handlungsstränge stimmig zusammen, wodurch die eigentliche Leistung Ruckas erst erkennbar wird: Der US-Amerikaner hatte nicht nur von Anfang an den enorm ambitionierten Plan, Wonder Woman endgültig weltweit die Anerkennung zuteilwerden zu lassen, die diese Figur schon lange verdient hat. Nein, er wollte zugleich ihre gesamte Historie ehren und diese durch einige Ergänzungen seinerseits so gestalten, dass sein Betrag ohne Probleme das erste von vielen weiteren Kapiteln eines echten Mammutwerks rund um das prominenteste weibliche Justice-League-Mitglied werden könnte. Dass der im Sommer 2017 angelaufene Film mit Gal Gadot als Diana global derart erfolgreich war, tat sein Übriges dazu, dass die mächtige Kriegerin mit dem guten Herzen endgültig in der allgemeinen Wahrnehmung zu ihren Trinity-Kollegen Batman und Superman aufschließen konnte.

Deshalb sieht man den Entschluss des Ausnahmeautors, den Titel mit dem Ende dieses Runs zu verlassen, mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Denn dass man bekanntlich gehen soll, wenn es am schönsten ist, weiß jedes Kind, und trotzdem ist ein solcher Schritt für die treue Leserschaft natürlich hart, da diese sich problemlos selbst einreden kann, dass das Schönste/Beste erst noch kommt. Greg Rucka selbst begründete seine Entscheidung mit dem Zwei-Hefte-pro-Monat-Veröffentlichungsrhythmus, der es ihm erschwere, auch seinen anderen Projekten die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient hätten. Liam Sharp, der mit seinen Zeichnungen fast schon neue Maßstäbe gesetzt hat, tat es seinem Partner gleich und ist mittlerweile für die neue Green-Lantern-Serie von Grant Morrison künstlerisch im All unterwegs.

Doch zuvor kam es noch zum großen Showdown mit Dr. Veronica Cale, der überraschenden Rückkehr eines alten Bekannten und einer Superheldin, die erst mit sich selbst wieder ins Reine kommen und für sich erkennen musste, was der Wahrheit entspricht und wobei es sich um Lügen handelt. So gesehen ging es von Anfang an darum, dass sich die Tochter von Zeus und der Amazonenkönigin Hippolyta im wahrsten Sinne des Wortes wieder selbst findet. Und das gelang ihr schließlich – nach der Absolvierung eines ungemein lesenswerten, weil sehr durchdachten, steinigen Weges.

Wonder Woman

Das Herz der Amazone

Zugegeben: Es ist einfach enorm undankbar, nach einer solch denkwürdigen Saga auf einen derart gefeierten Kollegen wie Rucka zu folgen. Dass Shea Fontana dennoch so mutig war, spricht zweifellos für sie. Einen Namen im Popkultur-Kosmos hatte sich die junge, im Verhältnis noch eher unerfahrene Autorin vor allem mit der Zeichentrickserie DC Superhero Girls (dem Urformat vor dem Reboot durch Lauren Faust) und deren Comic-Umsetzungen, die sich an ein eher junges Publikum richten, gemacht.

Ihr nun daraus einen Strick zu drehen, wäre gemein und viel zu einfach – zumal man nicht unterschätzen sollte, wie anspruchsvoll es ist, Kinder gut und originell zu unterhalten. Aber Das Herz der Amazone wirkt leider wirklich wie ein kleiner Pausenfüller, der die Wartezeit von einem bedeutsamen zum anderen bedeutsamen Run verkürzen soll, und das ist schlicht schade.

Der qualitative Unterschied zwischen Fontanas Geschichte und denen ihres Vorgängers und denen ihres Nachfolgers ist zu offenkundig, als dass man ihn unerwähnt lassen könnte. Die ihr zugrunde liegende Prämisse ist nicht das Problem: Kann Wonder Womans Blut vermeintlich unheilbare Krankheiten heilen, und sind ihre Kräfte eventuell sogar auf Menschen übertragbar? Es ist jetzt nicht so, als hätten langjährige Panel-Freunde noch nie Hefte mit einem ähnlichen Inhalt in ihren Händen gehalten, entscheidend ist jedoch immer, was man letztlich aus dieser Ausgangsidee macht.

Im Falle der sich auf den vierten Sammelband der Reihe beschränkenden Handlung kann man festhalten: Erwartbares. Keine Entwicklung überrascht so recht, und es will auch nie so wirklich Spannung aufkommen, weil alles dauerhaft vor sich hin plätschert. Man wartet von der ersten bis zur letzten Seite vergeblich auf einen echten Wow-Moment. Und spätestens da rächt sich dann für Fontana, dass sie nicht an die Vorlage Ruckas anknüpfen durfte oder wollte. Seine Art zu erzählen, seine Raffinesse, sein Einfallsreichtum und seine Detailverliebtheit haben dafür gesorgt, dass Fans gesehen haben, was möglich ist, wodurch sich ganz automatisch eine gewisse Erwartungshaltung entwickelt. Und dieser wird die Autorin einfach nicht gerecht. Unter anderem auch deshalb, weil sie es nicht schafft, dass man zumindest mit den Figuren mitfiebert. Es fehlt an Tiefgang, und das Dargebotene erscheint zu austauschbar, schablonenhaft und belanglos, weil es auch überhaupt keine Auswirkungen auf das große Ganze hat.

Hinzu kommt, dass die Zeichnungen von Mirko Andolfo, David Messina und Inaki Miranda für sich genommen absolut nicht beanstandenswert sind, die Stile der Künstler sich allerdings ziemlich unterscheiden. Dadurch kommt es auch visuell zu Brüchen, die endgültig zu einem unrunden Gesamtergebnis führen. Aber bekanntlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Und daher wäre es Shea Fontana zu wünschen, weiterhin Erfahrungen sammeln und sich ausprobieren zu dürfen, da man schließlich nur auf diese Weise besser werden kann – an einem weniger prominenten Heft zu arbeiten, wäre dabei sicher hilfreich.

Wonder Woman

Kinder der Götter

Jemand, der bereits viel Erfahrung sammeln konnte, ist James Robinson. Seine Interpretation von Starman brachte ihm viel Lob von Kritikern wie Fans ein, und die von ihm erdachten Abenteuer der JSA (Justice Society of America) ebenso. Und was soll man sagen? Schon nach den ersten Panels ist man mitten im Geschehen und blättert immer schneller um, weil das Präsentierte so packend ist.

Vor allem kommt es sehr erfrischend daher, was wiederum damit zusammenhängt, dass Robinson stringenter erzählt als Greg Rucka, der mit diversen Schauplätzen und unterschiedlichen Zeitebenen jongliert hat – ihr Verständnis für die Motivation von Figuren ist aber zweifellos ähnlich stark ausgeprägt. Gleichzeitig ist der "Neue" sehr darauf bedacht, in seinem Run diverse Geschichten aus der jüngeren und älteren DC-Vergangenheit fortzuschreiben und ähnlich wie sein Vorvorgänger Leerstellen zu füllen.

Das Resultat: Diana erfährt, dass sie einen Zwillingsbruder namens Jason hat und dass sie beide sowie alle anderen Halbgötter, die auf der Erde leben, in Gefahr sind, da Darkseid es auf sie abgesehen hat. Gemeinsam mit seiner Tochter Grail macht der wiedergeborene Herrscher von Apokolips Jagd auf die Halbgeschwister der Amazonenprinzessin und wird dabei stärker und stärker. Alle Details seines Masterplans werden allerdings noch nicht enthüllt. Man kann jedoch getrost davon ausgehen, dass er nicht weniger teuflisch ist als diejenigen, die er in der Vergangenheit ausgeheckt hat und die unter anderem das The-New-52-Justice-League-Finale Der Darkseid-Krieg zur Folge hatten.

Den Zeichnern Sergio Davila, Stephen Segovia und vor allem Carlo Pagulayan ist es zudem zu verdanken, dass Robinsons Visionen äußerst akkurat umgesetzt wurden. Look wie Inhalt machen also definitiv Lust auf mehr.

Fazit

Verbucht man Band 4 unter "Ausnahme, die die Regel bestätigt"kann man vor den restlichen vier Paperbacks nur seinen Hut ziehen. Es mag einige sehr gelungene Rebirth-Titel wie Green Lanterns, Aquaman oder Batman geben, aber Wonder Woman ist die Benchmark, an der es sich zu orientieren gilt.

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zusätzlicher Bildnachweis: 
© DC Comics

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