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Selbst wenn man die Titel ausklammert, in denen sich alles um Mitglieder der Bat-Familie wie Nightwing oder Batgirl dreht, nimmt der Dunkle Ritter auch im Rebirth-Kosmos eine Sonderstellung ein. Denn kein anderer Held steht im Zentrum so vieler Heftreihen: namentlich Batman, Detective Comics und All-Star Batman. Letztere unterscheidet sich allerdings deutlich von den anderen. Mit dem dritten Paperback endet die Serie, sodass in dieser Kritik auch ein abschließendes Fazit gezogen werden kann.
Die Enden der Welt
Einer Sache kann man sich sicher sein, wenn man einen Comic liest, für den Scott Snyder verantwortlich zeichnet: Überraschungen und originelle Einfälle sind garantiert. Sein Batman-Run, der mehrere wirklich beachtliche Geschichten enthielt und mit Death of the Family sogar einen potenziellen modernen Klassiker, wurde von Fans wie Kritikern gleichermaßen gefeiert. Eine große Stärke von ihm scheint jedoch zu sein, stets zu erkennen, wann für ihn die Zeit gekommen ist, sich wieder neuen Projekten zu widmen. So war es bei seinem letzten Abstecher nach Gotham und so war es auch hier.
Wer nun die berechtigte Frage stellt, warum der Autor einen Fledermaus-Zyklus abschließt, um anschließend einen neuen zu beginnen, dem sei gesagt, dass All-Star Batman für sich stehen darf und quasi losgelöst von der Haupt-DC-Timeline existiert - ohne direkt Teil eines Paralleluniversums zu sein, das in einer weiteren Crisis zum Thema werden könnte. Man könnte auch sagen: Hier werden einfach Batman-Geschichten erzählt, gute Batman-Geschichten.
Während in Mein schlimmster Feind Harvey Dent respektive Two-Face im Mittelpunkt des Geschehens stand, sind es diesmal andere Schurken. Das Interessante: Snyder entscheidet sich bewusst gegen die großen Kämpfe. Die Begegnungen zwischen dem Justice-League-Mitglied und den Superschurken sind zumeist sehr dialoglastig. Das klingt im ersten Moment wahrscheinlich nicht sonderlich spannend, ist es aber.
Schon die ersten Seiten geben einen Vorgeschmack auf den diesen Band im Speziellen so sehr dominierenden Einfallsreichtum: Er beginnt nämlich mit einem Gedicht. Eines, das die meisten wohl direkt mit dem jungen Bruce in Verbindung bringen werden. Doch tatsächlich spielt es in der Kindheit von Victor Fries eine wichtige Rolle. Dem Victor Fries, den viele nur als Mr. Freeze kennen, und der auch nach all den Jahren noch davon träumt, seine schwerkranke Frau Nora eines Tages heilen zu können. Bis zu diesem Tag allerdings verbleibt Nora in ihrer Kryokammer.
Der wohl unterkühlteste Verbrecher überhaupt ist seit jeher der Gegenspieler des Meisterdetektivs mit Cape, der in den Augen der meisten Leser am ungefährlichsten ist. Das Bild des überaus klugen Wissenschaftlers und liebenden Ehemanns, den ein schwerer Schicksalsschlag komplett aus der Bahn geworfen hat, ist bei ihnen einfach zu fest im Hinterkopf verankert. Doch Unrecht ist Unrecht und weil Freeze offenbar nicht will, dass man das vergisst, friert er regelmäßig Menschen im wahrsten Sinne des Wortes “eiskalt” ein.
Snyder weiß um die Ambivalenz der Figur, weshalb es auch nicht verwundert, dass die Gespräche zwischen Protagonist und eisigem Genie sind von einer gewissen Schwere geprägt sind. Zudem wird spätestens jetzt offenkundig, dass diese 1:1-Situationen in All-Star Batman ein wenig vergleichbar sind mit denen von Ebenezer Scrooge und den Geistern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Eine Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Letztendlich steckt in jedem seiner bedeutenden Gegenspieler auch etwas von ihm, und ebendieser Aspekt wurde selten so gut herausgearbeitet wie in dieser Reihe. Nach seiner Begegnung mit Mr. Freeze trifft er noch auf Dr. Pamela Isley aka Poison Ivy, auf Jervis Tetch alias Mad Hatter und schließlich auf den Drahtzieher eines Verbrechens von gigantischem Ausmaß, das sich wie eine Art roter Faden durch diesen besonderen Mehrteiler zieht.
Nach dem finalen Showdown kommt es zum Schauplatzwechsel. Auf den verbleibenden Seiten geht es in erster Linie um Duke Thomas, den jüngsten Neuzugang in der Bat-Familie, der auf Scott Snyder und seinen kongenialen Partner Greg Capulo zurückgeht. Abermals tritt die Action ein wenig in den Hintergrund und überlässt dem Innenleben des jungen Nachwuchshelden das Feld. Dieser zweifelt nämlich nach wie vor an seiner Super-Assistenten-Eignung. Und zu allem Überfluss holt Edward Nygma, besser bekannt als Riddler, zum ganz großen Rätsel-Schlag aus. Dieses Abenteuer wird zu einem absoluten Schlüsselerlebnis für Duke und verrät dabei einiges über Bruce Wayne als Vater.
Der Verbündete
Alfred Pennyworth ist derzeit aufgrund seiner ersten Solo-Realserie in aller Munde, in der ebenfalls seine Vergangenheit beleuchtet wird. Man kann nicht behaupten, dass sie bis dato wirklich häufig thematisiert wurde, und gleichzeitig kann man auch fragen, ob das überhaupt nötig ist. Die Antwort: Wenn man es so macht wie Snyder, dann definitiv!
Da Thomas und Martha Wayne bekanntlich schon lange tot sind, gibt es nur einen Menschen, durch den Fans etwas darüber erfahren können, wie es ist, der “Vater“ von Batman zu sein. Dieses Abenteuer aus Alfreds Perspektive zu erzählen, bietet sich daher nicht nur an, sondern sorgt bei den Treuesten der Treuen für viele wirklich neue Erkenntnisse: Es war zwar Kennern des Bat-Kosmos bekannt, dass schon der Vater von Alfred in Wayne Manor über viele Jahre seinen Dienst verrichtete, über das Verhältnis zu seinem Sohn war jedoch bis dato nahezu nichts.
Und so geht es in Der Verbündete auf mehreren Ebenen darum, was es bedeutet, Vater zu sein, darum, Kinder ihren eigenen Weg gehen lassen zu müssen und vor allem darum, dass dieses Bedürfnis, sich um sie zu kümmern, dennoch nie enden wird - egal wie alt sie sind. Gleichzeitig sieht der Leser mutmaßlich zum ersten Mal im erwachsenen Bruce Wayne und dessen Alter Ego einen geliebten Sohn. Dies verleiht dem Dargebotenen eine unglaubliche Emotionalität, ohne auch nur im Ansatz kitschig zu werden.
In einer weiteren Geschichte verschlägt es den Caped Crusader bis nach Russland, wo ihm einmal mehr vor Augen geführt wird, wie sehr es seine Missionen vermeintlich erschwert, dass er niemanden tötet. Seine gnadenlosen Widersacher verlangen der Fledermaus in jedem Fall eine Menge ab und haben zudem Heimvorteil. Die Vorzeichen stehen folglich nicht unbedingt auf Sieg …
Rafael Albuquerque inszenierte diesen “Auslandseinsatz“ des Milliardärs mit den besonderen Hobbys, und zwar als Autor (unterstützt von Rafael Scavone und dem Künstler Sebastian Fiumara). Dies ist ein wichtiges Detail, weil der Brasilianer die von Scott Snyder erdachte Alfred-Episode noch gezeichnet hat. Das Duo hat im Übrigen den vielbeachteten Comic American Vampire kreiert und versteht sich laut eigener Aussage bestens. Die Bildsprache Albuquerques eignet sich auch wahnsinnig gut, um Snyders oft sehr düstere Gedanken lebendig werden zu lassen. Die Panels von Die Enden der Welt stammen dagegen von diversen Kreativen (etwa Jock, der auch die Welt von Wytches entworfen hat, oder Giuseppe Camuncoli), deren Stile sich zum Teil deutlich unterscheiden, was gut zu der Kapitelstruktur passt, die sich durch die einzelnen Held-Bösewicht-Aufeinandertreffen ergibt.
Fazit
Bekanntlich soll man aufhören, wenn es am schönsten ist. Scott Snyder hat bei All-Star Batman einmal mehr bewiesen, dass er bewusst oder unbewusst nach diesem Prinzip arbeitet. Selbst alteingesessene Fans des Dunklen Ritters kommen hier voll auf ihre Kosten und Neueinsteiger werden behutsam an den Bat-Mythos herangeführt. Comic-Herz, was willst du mehr?