Deadpool

Originaltitel: 
Deadpool
Land: 
USA
Regie: 
Tim Miller
Drehbuch: 
Rhett Reese, Paul Wernick
Darsteller: 
Ryan Reynolds (Wade Wilson), Morena Baccarin (Vanessa), Ed Skrein (Ajax), T. J. Miller (Weasel), Gina Carano (Angel Dust), Andre Tricoteux (Colossus), Brianna Hildebrand (Negasonic Teenage Warhead)
Kinostart: 
11.02.16

Hintergrund

Der Marvel-Comic-Charakter Deadpool alias Wade Winston Wilson war zuerst als Bösewicht gedacht. Er wurde durch das Waffe-X-Program (bei dem auch Wolverine war) unsterblich gemacht. Erst danach stellte sich heraus, dass er Hautkrebs hat. Seitdem ist er körperlich entstellt und leidet an Schmerzen, kann aber nicht sterben. Deadpool ist psychisch labil und dafür bekannt, viel zu reden. Neben seiner Fähigkeit der Selbstheilung, die der von Wolverine ähnelt, ist er ein exzellenter Scharfschütze und Nahkämpfer. Außerdem spricht er vier Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch und Japanisch.

Ryan Reynolds hat die Rolle von Wade Wilson schon in X-Men Origins: Wolverine (2009) gespielt.


Kritik

von Johannes Hahn. Es gibt eine Szene in Avengers: Age of Ultron, in der Hawkeye im finalen Kampf einer Teamkameradin verdeutlicht, wie seltsam Comics manchmal sein können: "Diese Stadt fliegt und wir kämpfen gegen eine Roboterarmee. Und ich habe hier Pfeil und Bogen. Das macht alles keinen Sinn." Mit diesem kurzen Zitat bringt Joss Whedon den Widerspruch vieler Comicverfilmungen der letzten Jahre auf den Punkt: Obwohl die Geschichten und Geschehnisse in diesen Filmen haarsträubend bis einfach bescheuert sind (und trotzdem unterhaltsam!), nehmen sie sich bisweilen bitterernst. Dabei sind Comics doch fast die unschuldigste Form von Unterhaltung, mit ihren Geschichten von bemäntelten, Leggings tragenden Superheldinnen und -Helden, die in beunruhigend kurzen Abständen regelmäßig die Welt retten.

Diesen Blödsinn tut sich Deadpool, der Held des gleichnamigen Films, gar nicht erst an. Er besteht darauf, kein Held zu sein. Und wirklich heldenhaft ist der Mietsoldat auch nie gewesen: Für Geld erledigt Wade Wilson dreckige Jobs, bis er auf Vanessa (Morena Baccarin) trifft. Die beiden verlieben sich und sind glücklich, bis bei Wade Krebs im Endstadium entdeckt wird. Um seiner Liebe die schwere Zeit bis zum unvermeindlichen Tod zu ersparen, geht Wade auf ein zwielichtiges Angebot ein: Er bekommt ein Superserum aktiviert, dass ihn gleichzeitig vom Krebs heilen kann. So mutiert der Ex-Soldat Wilson zum durchgedrehten Anti-Helden Deadpool und geht auf Rachefeldzug, in der Hoffnung am Ende eine Heilung für die durch das Serum hervorgerufene Entstellung seines Körpers zu finden.

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Deadpool und Negasonic Teenage Warhead

Das erfrischendste an Deadpool, einer weiteren Comicverfilmung von Marvel, dass sich dieser Film selbst nicht ernst nimmt. Keine Minute lang. Das beginnt schon bei der Eröffnung: Dort, wo normalerweise Hautptdarsteller und Crew über den Bildschirm laufen, wird hemmungslos über Filmkonventionen hergezogen. Der Regisseur sei ein völlig überbezahlter Idiot, die Drehbuchschreibenden die wahren Helden und der Bösewicht ein echt heißer Kerl. Und diese Form von Witz zieht sich durch den gesamten Film, kaum eine Gelegenheit wird für Anspielungen oder Querverweise ausgelassen.

Das passt natürlich hervorragend zum Charakter von Deadpool. Der "Söldner mit der Schnauze" ist bekannt und beliebt geworden durch seine Sprüche, die zwischen Ironie und Zynismus schwanken. Er nimmt nichts ernst, ist völlig soziopathisch und kommentiert seine eigene (Comic-)Existenz. Deadpool durchbricht die vierte Wand öfter als ein Abrissbagger. Diese Eigenschaft macht den Charakter nicht nur bei Comicfans beliebt, sondern sorgt auch für den speziellen Humor des Films. Dieser basiert zum größten Teil auf Anspielungen und Frotzeleien von Seiten des Hauptcharakters. Der wird verkörpert von Ryan Reynolds, welcher sich selbst und seine Vergangenheit als (gefloppter) Green Lantern auf die Schippe nimmt. Diese Bemerkungen können wiederum meist nur Menschen verstehen, die sich in den verschiedenen Comic-Universen auskennen. Wer nicht weiß, warum McAvoy und Stewart in unterschiedlichen Zeitlinien spielen, die oder der wird beispielsweise ein paar gute Gags verpassen. Und die große Zahl an - naja, nennen wir sie Pipi-Kacka-Witzen könnte manchen Zuschauerinnen oder Zuschauern auf die Nerven gehen. Für Lacher und Enttäuschungstränchen sorgen auch die Anspielungen auf Hugh Jackman alias Wolverine, dem Deadpool bereits in X-Men Origins: Wolverine begegnete.

Womit sich der Film ebenfalls nicht zurückhält ist die Darstellung von Sex und Gewalt. Die Freizügigkeit mancher kurzen Szenen kommt überraschend, die Brutalität einiger Kämpfe hingegen weniger. Insgesamt entsteht so der Eindruck eines Filmes, der für Erwachsene gemacht wurde - auch hier ein willkommener Gegenentwurf zu den eher harmlosen Verfilmungen wie The Avengers oder Guardians of the Galaxy. Ein wirklich gelungener Gag ist die Parodie der mittlerweile zum Standard gewordenen Post-Credits-Szene, die durch eine Anspielung auf einen Jugendfilm-Klassiker glänzt.

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Wade Wilson (Ryan Reynolds) und Ajax (Ed Skrein) in Deadpool

Handwerklich orientiert sich Deadpool mit seinen Zeitlupenszenen an der spätenstens durch Zack Snyders 300 etablierten Ästhetik bei der Verfilmung von Comics. Soll heißen: Die Action wird kurz verlangsamt, um an die Panels der Bildgeschichten zu erinnern. Auf der Handlungsebene bekommt das Publikum die Entstehungsgeschichte von Deadpool dargestellt, allerdings durch zwei Erzählstränge anfangs spannend miteinander verknüpft. Die Charaktere bleiben insgesamt flach, lediglich Deadpool und seine große Liebe Vanessa bekommen etwas mehr Tiefe. Allerdings auch nicht allzuviel, was bei dem hohen Erzähltempo jedoch wenig stört. Schön wäre es gewesen, etwas mehr über die Motivation des Bösewichts Ajax (Ed Skrein) zu erfahren. Problematisch wird es dann allerdings beim Auftritt der X-Men Colossus und Negasonic Teenage Warhead: Wer diese beiden Figuren nicht kennt, bekommt auch keine weitere Erklärung. Hier könnten sich Zuschauerinnen und Zuschauer, die nicht mit den X-Men-Charakteren vertraut sind, ziemlich hängen gelassen fühlen.

Trotzdem: Das hohe Erzähltempo und die Komik-Kaskaden bieten einen überraschend unterhaltsamen Film, der seinen Stil konsequent verfolgt und sich selbst absolut nicht ernst nimmt - das aber auf eine gute und einzigartige Weise. Am meisten Spaß werden Comic-Fans haben, welche die zahlreichen Anspielungen verstehen. Aber auch für alle anderen sollte sich dank genug Action und Witz der Gang ins Kino lohnen.

Fazit:

Deadpool erzählt seine dünne Geschichte mit viel Tempo und vor allem Witz. Der Film unterhält all jene hervorragend, welche die popkulturellen Anspielungen verstehen. Genauso kompromisslos wie der Hauptcharakter werden Filme auf die Schippe genommen und Bösewichter geköpft, alles untermauert von den Durchbrüchen der vierten Wand seitens Deadpool. Endlich mal ein Comicfilm, der genau weiß, was er ist: Nämlich ein Comicfilm.

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